Der Extrareis wurde dann immer zuerst den Dicken gereicht, die allerdings nie alles aufassen, sondern auch immer etwas den Dünnen abgaben.
Interessant – Gerhard bewunderte den Einfallsreichtum der Leute hier in den Zellen.
Als er die Frucht zurückgegeben hatte, stieg er auf Rainers Schultern, und tastete an allen erreichbaren Stellen rund um das Oberlicht die Aussenwand ab.
Nichts zu finden. Schade, aber diese Zelle wurde wohl immer mit Ausländern belegt, die nie auf die Idee gekommen waren, ihre Scheisse aus dem Fenster zu kippen,
Als der gemeinsame Eimer das nächste Mal geleert wurde, wurde beiden, wohl als Honorar für die Scheisse, eine Zigarette auf dem Weg über die Nachbarzellen gereicht
So kann man tatsächlich aus Scheisse Geld machen, und zwar auf ehrliche Art und Weise, und das sogar im Knast!
Das Essen blieb eintönig wie immer.
Gegen Abend wurde Rainer aus unserer Zelle geholt.
Etwa 30 Minuten vergingen, dann kam er strahlend zurück.
„Schluss für mich hier, ich werde entlassen! Es hat sich alles aufgeklärt!“
Seine resolute Gattin Hermine hatte sich nach vielem guten Zureden doch letztendlich die Mutter des kleinen Mädchens geschnappt, und diese, obwohl sie sich anfangs geweigert hatte, zur Polizeistation schleppen können. Dort haben beide Frauen zusammen ausgesagt, dass der Verdacht gegen Rainer absolut unbegründet war. Das Ehepaar habe sich lediglich liebevoll um die Kleine gekümmert.
Beide Frauen hatten darauf bestanden, dass Rainer unverzüglich freizulassen sei. Sie würden die Polizeistation nicht mehr verlassen.
Als Hermine auch noch gedroht hatte, den Schweizer Botschafter einzuschalten, hatten die Polizisten klein beigegeben.
„Solch eine resolute und tapfere Gattin könnte ich hier auch gebrauchen. Rainer. Auf die kannst du stolz sein! Ich beneide dich,“ sagte Gerhard zu ihm.
Gerhard freute sich für Rainer, obwohl seine eigene Zukunft hier nach wie vor ungewiss war. Es machte ihn wehmütig, als er an die kommende Zeit hier, allein in der Zelle denken musste.
Bevor der Schweizer ging, versprach er dem Deutschen noch hoch und heilig, zum Chef des Hotels Cliff Palace Resort, dem Schweizer John Brenner, zu gehen.
Dort hatte er auf Ko Chang vor seinem Kambodscha-Trip gewohnt, und dort wollten sein Neffe Chris und seine Freundin Oy ihn treffen, sobald er zurück sei. Er würde dafür sorgen, dass John beide informieren würde, was mit ihm passiert war, und wo er zu finden sei.
Er versprach ihm auch, die deutsche Botschaft in Bangkok zu informieren, und parallel die deutschen Konsulate in Pattaya, Ko Samui und Chang Mai anzurufen und dringend um Hilfe zu bitten.
Rainer war nach einer heftigen Umarmung gegangen, kehrte aber nach kurzer Zeit mit seiner Gattin Hermine wieder zurück.
Sie war sehr freundlich, und nett, und wünschte viel Glück dabei, hier bald wieder herauszukommen. Gerhard hatte von ihr den Eindruck, dass sie, wenn nötig, sehr resolut und zielbestimmt, sein könnte. Sie war, wie gesagt sehr freundlich, doch wie er sie so betrachtete, dachte er sich, dass sie durchaus in der Lage sei, wenn nötig, selbst Polizisten die Hölle heiss zu machen zu können.
Eine solche Unterstützung brauchte ich draussen!
Nach einigen aufmunternden Worten machten sich die Beiden endgültig wieder auf den Weg nach draussen in die Freiheit, aber nicht, ohne ihm noch einmal versichert zu haben, sich draussen um seinen „Fall“ kümmern zu wollen.
Jetzt fühlte er sich so gut, wie schon seit Tagen nicht mehr, und er war absolut zuversichtlich, dass sein „Fall“ in besten Händen sei. Doppelt genäht hält besser!
Aber kaum waren die Beiden gegangen, machte sich in ihm wieder die gähnende Leere breit.
Jetzt war er tatsächlich richtig depressiv geworden!
Nach zwei weiteren Tagen war seine Stimmung auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt. Er zweifelte, ob er das Gefängnis noch viel länger aushalten könnte.
Seine ganze Hoffnung ruhte nun auf dem Schweizer Ehepaar. Ob sich Hermine Kleidermann tatsächlich so für ihn einsetzen würde, wie sie es bei ihrem Gatten Rainer praktiziert hatte, oder ob sie, wie Reiner an einem der ersten gemeinsamen Tage hier angedeutet hatte, den ersten Flug zurück in die Heimat nehmen würden. Nase für immer voll von Thailand? Vielleicht waren die Beiden ja schon fort! Das wäre die endgültige Katastrophe!
Und selbst, wenn die noch da waren, könnte es noch Tage dauern. So schwankte er zwischen Hoffen und Verzweifeln.
Aber sein Neffe Christian war tatsächlich informiert worden, ebenso seine Freundin Oy, und zwar direkt von den Kleidermanns. Nachdem das Ehepaar John Brenner vom Cliff Palace Resort von seinem derzeitigen Aufenthaltsort berichtet hatte, hatte dieser den beiden seine Freundin und den Neffen vorgestellt.
Beide waren noch am selben Tag nach Trat ins Gefängnis gekommen, und hatten um einen Besuchstermin gebeten.
Der wurde ihnen verweigert, weil Insassen nur einmal pro Woche Besuch empfangen dürften, und er noch keine volle Woche hier sei.
Daraufhin hatte sein Neffe bei der Botschaft in Bangkok angerufen, und auch mit Herrn Kellermann geredet, der Gerhard am 22. Januar kurz im Gefängnis besucht hatte.
Der hatte ihm erklärt, ein Schweizer Ehepaar habe ihn auch schon angerufen, und dass das vereinbarte Treffen am nächsten Tag nach seinem Besuch am Vortag nicht möglich gewesen sei. Es habe geheissen, Herr Frings sei verlegt worden, aber wohin genau, könne man ihm erst am nächsten Tage mitteilen. Nun sei er höchst aufgebracht. Er würde sich noch intensiver um diesen Fall kümmern, den Botschafter selbst informieren und ihn bitten, sich mit einer offiziellen Demarche an das thailändische Aussenministerium zu wenden. Das Ganze sei eine Impertinenz ohnegleichen; er sei höchst aufgebracht! Und er würde sich auch persönlich um einen Gesprächstermin für den Neffen und die Freundin kümmern.
Man solle sich keine Sorge wegen der Regelung, die nur einen Privatbesuch pro Woche vorsehe, machen – die gelte nicht für Botschaftsangehörige und Anwälte der Gefangenen.
Der nächste Tag brachte gleich zwei Besuche. Vormittags, um zehn Uhr, kam der Botschaftsangestellte, Herr Kellermann.
Er erklärte Gerhard, welche Probleme er gehabt habe, ihn doch wieder hier im Gefängnis zu finden. Aber nun habe es endlich geklappt, und er habe auch mehr Zeit mitgebracht.
Er überreichte Gerhard das ‘Survival Kit’, wie er es nannte.
Es enthielt eine Zahnbürste und Zahnpasta, zwei Stück Seife, ein Handtuch, eine Bibel, fünf Päckchen Marlboro, einen Taschenkalender und einen Filzschreiber. Gerhard war angenehm überrascht; Kellermann erklärte, das stehe jedem Deutschen in einem thailändischen Gefängnis zu.
Dann wurde er ernst: „Eine ganz üble Sache, in die sie da hineingeschlittert sind. Selbst wenn ich ihnen ihre Story abnehme, tut das nichts zur Sache. Bei Drogenvergehen ist hier immer die Hölle los, und bei der Menge, die bei ihnen beschlagnahmt wurde, ist die Todesstrafe zwangsweise vorgeschrieben. Aber ganz so schlimm wird es nicht werden: in Thailand ist noch kein Europäer wegen Drogenvergehens hingerichtet worden. Nach acht Jahren werden Deutsche in der Regel nach Deutschland abgeschoben.“
Gerhard lachte bitter. „Ein schwacher Trost. So lange würde ich hier nicht überleben“
„Ach Herr Frings, wissen sie, da haben schon ganz andere überlebt. Nun werden sie erst einmal einen Rechtsanwalt und einen Dolmetscher erhalten. Die Honorare legen wir vor, wenn sie oder ihre Familie nicht bezahlen können. Sie haben doch Familie?“
„Niemanden, der für mich bezahlen würde.“
„Na, das sollte jetzt ihre geringste Sorge sein. Gut wäre natürlich, wenn man ihre Unschuld beweisen könnte! Aber darüber sollten sie mit dem Anwalt reden. Und bis zur Verhandlung werden sie weiterhin eine Einzelzelle behalten dürfen, oder höchstens noch einen Weissen als Zellengenossen bekommen. Ihre Vorzugsbehandlung wird ihnen auch weiterhin gewährt werden“
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