»Oho, jetzt willst du durch die Blume erfahren, ob ich vielleicht doch eine Freundin habe? Nein, ich bin Single, wie ich bereits gesagt habe. Du hättest mich das gerne direkt fragen können. Nur keine Scheu, ich bin wie ein offenes Buch.«
Jetzt lacht sie laut, das gefällt mir noch mehr. »Oh Gott, du bist ja von dir überzeugt. Das ist echt schrecklich. Kann man das Buch auch wieder schließen?« Ihr Lachen vermischt sich mit dem Schreien der Möwen über uns und dem Rauschen der Wellen. Es passt perfekt zusammen. Ich will mehr davon, es macht mich schon jetzt süchtig. Der heisere Klang verursacht ein Ziehen in meiner Brust. Ich muss sie nochmal lachen hören, egal wie krank das gerade klingt, aber es jagt kleine Schauer über meine Haut.
»Das nennt man gesundes Selbstbewusstsein.« Ich zwinkere ihr zu, woraufhin ihre braunen Augen vergnügt funkeln. Es macht ihr offensichtlich doch Spaß, sieh an. Ihre Stimmung wechselt sekündlich, also will ich sie etwas weiter hervorlocken. »Ein Drink ist das Mindeste. Womöglich behalte ich eine Narbe, wer weiß das schon … Für die Jungs auf der Wache muss ich mir allerdings eine bessere Geschichte ausdenken. Die lachen mich sonst aus. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Gerede geben würde?«
»Du bist Polizist?« Ihr Gesicht entgleist kurz, aber sie fängt sich schnell. Jeglicher Schalk, der eben noch in ihren bezaubernden Augen gestanden hat, ist fort. Sie nimmt eine unbewusste Abwehrhaltung ein, wirkt fast panisch, schaut sich kurz um, als würde sie checken wollen, ob außer uns noch andere Menschen am Strand sind. Ihr Hund spürt es ebenfalls, tritt dichter an sein Herrchen heran, während sie sich anscheinend schematisch über die Arme reibt. Den meisten Frauen gefällt es, einen Polizisten zu daten, sie hingegen guckt mich an, als hätte ich ihr eröffnet, dass ich Toiletten putze und das nackt vor laufender Kamera. Ich kenne dieses Verhalten von meiner Dienstzeit auf dem Festland. Ihre Körpersprache verrät es mir. Diese Frau hat etwas Schlimmes erlebt. Nur was? Der Gedanke raubt mir einen Moment den Atem, weil mir sämtliche schrecklichen Fälle im Kopf umherschwirren, die ich im Laufe der Jahre bearbeitet habe. Häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Misshandlung. Eine endlose Liste im Leben eines Polizisten. Nicht immer bin ich rechtzeitig vor Ort gewesen, um den betroffenen Frauen zu helfen – diese Fälle verfolgen mich an grauen Tagen noch immer.
»Ja, ich bin ein Cop.«
Ach du meine Güte, er ist ein Polizist. Sofort wird mir heiß und kalt gleichzeitig, ich reibe mir die Arme, um die Kälte zu vertreiben, die sich über meinen Körper legt. Er sieht überhaupt nicht aus wie ein Kriminalbeamter, so gar nicht. Sein linker Arm ist vom Handgelenk an tätowiert. Die Tätowierung verschwindet unter seinem engen T-Shirt, welches einen trainierten Körper vermuten lässt, wenn ich mir seine Oberarme und breite Brust ansehe, an denen sich die Muskeln abzeichnen. Welcher Polizist ist denn bitte so bemalt? Ich kenne keinen. Nicht, dass ich viele kenne … Fuck! So habe ich mir niemals einen Polizisten vorgestellt. So … rockig und … schelmisch. Ich bin zu leichtsinnig. Wieso hat er auch so hartnäckig sein müssen? Ich bin zwar extra zickig und ungenießbar gewesen, um ihn loszuwerden, habe mich dann jedoch in dieses Geplänkel verwickeln lassen.
Ich spüre, wie ich immer nervöser werde und eine leichte Welle der Panik sich anbahnt, Storm tippelt neben mir auf und ab, von meiner Stimmung angesteckt. Er bemerkt meinen Gemütsumschwung, wedelt mit dem Schwanz – unsicher, was er tun soll. Nicht mal ich weiß, wie ich mich verhalten soll. Mir ist bewusst, dass ich vermutlich übertreibe, doch die Angst sitzt in meinen Knochen. Kalt, finster und präsent. Ich habe das Gefühl, plötzlich nicht mehr genügend Luft zu bekommen, lege mir die Hand an den Hals, reibe leicht darüber. Am liebsten möchte ich davonlaufen, was allerdings einen noch absurderen Eindruck vermitteln dürfte. Gut, dann ist er eben Polizist, aber er kennt mich nicht und er gehört nicht zu denen. Immerhin hat Storm ihn umgerannt, nicht er hat den Kontakt gesucht. Oder etwa doch, flüstert eine leise Stimme in meinem Kopf.
Das lockere Geschäker und flirten ist vorbei. Ich will hier einfach nur weg, auf der Stelle. Mein Herz flattert viel zu schnell in meiner Brust. Misstrauen regt sich in mir, lässt jedes Wort in meinen Gedanken Revue ablaufen. »Ich … muss los. Mein Freund wartet auf mich«, lüge ich, beende den kleinen Flirt endgültig mit Nachdruck. Ich hätte mich gar nicht erst darauf einlassen sollen, so nett es auch gewesen ist. Irgendwie hat er es geschafft, mich zu fesseln. Ich weiß nicht, was mich überhaupt geritten hat, auf seine Schäkerei einzugehen. Das habe ich nun davon: ein verdammter Bulle! Seine waldgrünen Augen mustern mich enttäuscht, Bedauern erfüllt mich ebenfalls. In einem anderen Leben wäre ich mit ihm etwas trinken gegangen und hätte sicherlich viel Spaß gehabt.
»Dein Freund? Ernste Geschichte?«, fragt er mit einem Ausdruck im Gesicht, als würde er in eine Zitrone beißen. Ich zögere nur eine Sekunde, ehe ich antworte. Er gefällt mir, leider. Doch in meinem Umfeld ist kein Platz für andere, erst recht nicht für Polizisten. Egal wie attraktiv und lustig er ist oder was für breite Schultern er hat – und mal vollkommen davon abgesehen, dass diese mich quasi einladen, mich in seine muskulösen Arme zu werfen, um mich vor der Welt zu verstecken. Ich bin einfach schon zu lange alleine, das hat mich einen Moment weich werden lassen.
»Findest du deine Frage nicht sehr dreist? Aber ja. Wir sind seit Ewigkeiten zusammen.« Ich versuche, entschuldigend zu lächeln, zucke dabei mit den Achseln. Los, nun hör auf, zu bohren, bitte ich still! Geh einfach!
Er fährt sich durch das dunkelbraune Haar, es bleibt in allen Richtungen stehen, was ihm etwas Jungenhaftes verleiht. Zu gern würde ich die Distanz überwinden und … Stopp! Jetzt gehen meine Gedanken zu weit. Er hat Charisma und eine so charmante Art an sich, dass es mich noch trauriger macht, ihn verletzen zu müssen. Und sein Körper ist wahrhaftig … Wow! Ich muss ihn einfach nochmal mustern. Er ist groß und schlank, nicht mager, eher außerordentlich gut gebaut. Unter seinem engen Laufshirt zeichnen sich stattliche Muskeln ab, die mich weich werden lassen … Und sein Bizeps … Oh ja. Sein Haar reicht ihm knapp über die Ohren, ist vollkommen verwuschelt. Die leicht gebräunte Haut verrät mir, dass er viel Zeit in der freien Natur verbringt. Aber was meinem Herz einen Hüpfer versetzt, sind seine Augen. Dieses tiefe Grün, wunderschön. Es erinnert mich an die Wälder in meiner Heimat. Dazu sein schiefes Lächeln. Selbst die kleine Narbe an der linken Augenbraue passt perfekt zu ihm. Was sie wohl für eine Geschichte erzählen würde? Er wirkt eher wie ein Badboy und nicht wie ein Gesetzeshüter. So kann man sich täuschen und für jemanden wie mich, der solange keinen Kontakt zu männlichen Wesen gehabt hat, ist er ein wahrer Leckerbissen.
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