Lost Island
Ich finde dich
Roman
Annika Kastner
Booklounge Verlag
Erstausgabe im November 2020
Alle Rechte liegen beim Verlag
Copyright © November 2020
Booklounge Verlag
Johann-Boye-Str. 5
23923 Schönberg
Coverbild: @ Korionov - Can Stock Photo Inc.
978-3-947115-20-4
Die Geschichte von Hazel und Nick geistert schon lange in meinem Kopf herum und ich freue mich, dass sie endlich die Chance haben, euch ihre Geschichte zu erzählen.
Wie immer sind die Figuren frei erfunden. Auch die Orte und Geschehnisse, doch macht es sie nicht weniger lebendig für mich. Immer wenn ich ein Buch beende, ist es so, als würde ich guten Freunden Lebewohl sagen. Es macht mich glücklich und traurig zugleich.
An dieser Stelle ein Dankeschön an jeden einzelnen meiner Leser. Danke, dass du meine Geschichten liest, den Figuren Leben einhauchst, rezensierst und mich verlinkst – das bedeutet mir sehr viel. Ich widme dir dieses Buch, denn ohne dich würde es meine Bücher nicht geben! Außerdem meinem Mann, Philipp, und meinem Sohn, Joshua. Ich liebe euch beide sehr, Jungs. Ich glaube, es ist nicht immer einfach mit mir, wenn ich in einer Schreibphase bin, in meiner eigenen Welt herum tigere, oder von unterwegs anrufe, dass du, Philipp, mal eben schnell ein Post-it an meinen PC hängen sollst – mit Stichworten, die du eigentlich überhaupt nicht verstehst. Aber du lachst mit mir darüber und dafür liebe ich dich noch mehr.
Deine Annika
1 Jahr vorher
Ich lache herzhaft über Dr. Conners Witz. Er ist mit Abstand mein Lieblingskollege, denn ich mag seine freundliche, humorvolle und väterliche Art. Wobei, Kollege ist gut, eigentlich ist er mein direkter Vorgesetzter, das vergesse ich nur oft, weil es eher freundschaftlich zwischen uns zugeht. Gut gelaunt laufe ich neben ihm über den kargen Krankenhausgang, wobei unsere Schritte von den Wänden widerhallen und unsere Sohlen quietschende Geräusche verursachen.
»Haben Sie sich schon überlegt, wo Sie nach Ihrem Studium arbeiten möchten? Nicht mehr lange und Sie haben es gemeistert – mit Bravour, wie ich vermute.« Er schiebt seine leicht schief hängende Nickelbrille auf dem Nasenrücken hoch. Eine Geste, die mir ziemlich vertraut ist, weil er dies alle paar Minuten wiederholt. Seine grauen Augen, die von Lachfalten umgeben sind, schauen mich ebenso neugierig wie erwartungsvoll an. Er wartet auf eine Antwort. Das ist etwas, was ich wirklich an ihm schätze – er ist an mir als Mensch interessiert, hört gespannt zu. Etwas, was viele vor lauter Stress verlernt haben. Bei ihm fühle ich mich ernst genommen.
»Nein, ich habe noch keine Idee«, gebe ich zu, reibe mir dabei verlegen über den Nacken. Das ist nicht die Antwort, die er gerne gehabt hätte, denn er fragt mich schon zum zweiten Mal nach meinen Plänen. Ich weiß, dass ich die Antwort nicht ewig hinausschieben kann, aber was will ich überhaupt? Wo will ich mich niederlassen? Hier? Oder möchte ich noch mehr von der Welt sehen? Ich habe immer viel reisen wollen, die Erde entdecken, stattdessen bin ich seit Jahren nicht im Urlaub gewesen. Das Studium ist hart und fordert überdurchschnittlichen Einsatz, mit Unmengen an Überstunden. Irgendwie ist dadurch alles andere auf der Strecke geblieben. Bin ich bereit, gleich in die Vollen zu gehen, oder nehme ich mir eine kleine Reiseauszeit?
»Nun, es ist kein Geheimnis, dass wir hier alle sehr angetan von Ihrer Arbeit sind. Wenn Sie sich vorstellen können, zu unserem Team zu gehören, würde ich ein gutes Wort für Sie einlegen. Hazel, Sie können hier viel erreichen. Ich werde nicht jünger und Sie könnten eines Tages meine Nachfolgerin sein, wenn Sie Ihre Karten richtig ausspielen. Die Fähigkeiten haben Sie, was wir beide wissen.« Ich spüre, dass ich erröte. Väterlich legt Dr. Conner mir die Hand auf den Arm, nickt aufmunternd. »Nun, mein Kind, Sie werden ja ganz rot. Nehmen Sie das Lob an, Sie haben es sich verdient. Sie sind fleißig, die Kollegen und Patienten schätzen Sie sehr, auch ich schätze Sie, aber das wissen Sie.«
»Danke, Dr. Connor«, stammle ich deutlich verlegen. Ich kann einfach nicht mit Komplimenten umgehen.
Unsere Schuhe verursachen erneut ein lautes Quietschgeräusch, während wir in den nächsten Korridor einbiegen. Nachdenklich runzle ich die Stirn, als ich den leeren Gang vor uns erblicke. »Sollte der Patient nicht von einem Polizisten rund um die Uhr bewacht werden?« Dr. Conner spricht meine Gedanken aus, ehe ich selbst Gelegenheit dazu habe.
Ich blättere in meinen Unterlagen, checke die vorhandenen Notizen. »Ja, Personenbewachung. Es hat sich nichts an der Situation geändert, deswegen liegt er von den anderen Patienten isoliert. So ist es der Wunsch der Staatsanwaltschaft gewesen«, lese ich vor. Merkwürdig. Aber es ist auch das erste Mal, dass ich eine Patientenbewachung durch die Polizei erlebe. Irgendwie aufregend und beängstigend zugleich. »Vielleicht ist er in einer Untersuchung, die kurzfristig angeordnet worden ist?« Ich zucke mit den Schultern, es wird schon seine Gründe haben, hat es immer. Hier werden so oft Untersuchungen festgelegt, die erst im Anschluss vermerkt werden. »Immerhin sind wir eine Stunde zu früh dran«, werfe ich noch hinterher. Es ist also nicht unmöglich.
»Oh, das wäre wirklich ärgerlich. Mary freut sich so auf unseren Hochzeitstag und dass ich etwas eher komme. Wir wollen zum Essen gehen, so richtig schick«, seufzt der Mann neben mir. Ich weiß genau, was er meint. Er macht so viele Doppelschichten, dass Mary sich sicher nach etwas extra Zeit sehnt. Der Gedanke, dass sie nach all den Jahren noch romantisch essen gehen, einander so wichtig sind, erwärmt mein Herz. Sowas wünsche ich mir auch. Jemanden, der mich liebt – in guten und schlechten Zeiten, bis ich alt, grau und faltig bin. Leider gibt es solche Verbindungen heutzutage äußerst selten, und bei der vielen Arbeit werde ich vermutlich nie jemanden kennenlernen. Noch ein Grund mehr, der fürs Reisen spricht.
Ich schiebe diese Gedanken beiseite, schaue mich um. Der Flur ist leer und still. Die Patienten sind auf andere Etagen aufgeteilt worden, damit die Polizei Übersicht über das Kommen und Gehen behält, aber jetzt gerade wirkt es gruselig, wie in einem dieser Zombie-Horrorfilme, als bricht jede Sekunde das Chaos aus. Okay, meine Fantasie geht mit mir durch, hier wird sicherlich keine Zombie-Armee durchrennen. Auf dieser Station liegt ein ehemaliges Gangmitglied eines großen Drogenringes. Er ist angeschossen und wegen Besitz illegaler Substanzen verhaftet worden. Er hat einen Deal mit der Polizei ausgehandelt, wird gegen seine Leute aussagen, um nicht ins Gefängnis zu müssen, und in den Zeugenschutz überführt. Das macht ihn allerdings zu einer Zielscheibe für seine alten Kollegen und zu einem wichtigen Zeugen für die Staatsanwaltschaft, die seit Ewigkeiten nach solch einem Glücksfall gesucht hat, um den Ring endlich zerschlagen zu können – wie im Fernsehen, wirklich verrückt. Ich bewundere seinen Mut, denn so wie ich gehört habe, ist diese Vereinigung gefährlich und skrupellos. Wie kann man sich nur auf so etwas einlassen? Es ist letztlich seine eigene Dummheit gewesen, die ihm das hier eingebrockt hat.
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