»Storm mag es nicht, wenn man mich verärgert.« Sie nimmt ihre langen blonden Haare zu einem Zopf zusammen. Schade eigentlich, ich mag offene Haare und ihre sehen wirklich toll aus, wie sie im Wind wehen. Wild und zügellos, genau passend für meine Fantasie, wo sich gerade einiges zurecht spinnt. Am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken, ihr die vorwitzige Strähne aus der Stirn streichen und schauen, ob sie so weich sind, wie sie aussehen. Sie wirkt so natürlich und frisch mit ihrer frechen Zunge, dass sie mich immer neugieriger auf sich macht. Wer ist sie? Wie lange wird sie auf unserer Insel bleiben? Der Wind weht stärker, steigt ihr von hinten unters Kleid. Es umflattert sie, wobei mein Mund trocken wird, als ich einen Blick auf ihre wohlgeformten Oberschenkel und ein Hauch roter Spitze erhasche. Herr im Himmel, sei mir gnädig. Verlangen schießt durch meine Adern, ob ich will oder nicht. Irgendwas an ihr zieht mich magisch an, nicht nur ihre Optik. Es ist eher das Gesamtpaket, was sehr reizvoll ist und mich anlockt. Eine Stimme sagt mir, dass diese Frau gefährlich für mich sein kann, dass sie eine ganze andere Rolle spielen wird, als ich vielleicht denke. Man könnte es Eingebung nennen oder doch auf den Sturz schieben? Sie ist anderes, nur wie genau, muss ich noch herausfinden, dringend. »Du tust es schon wieder. Was bist du? Ein Perverser?« Sie schüttelt deutlich entrüstet den Kopf und schnipst mit ihren Fingern vor meiner Nase, um die Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht zu lenken.
»Ich habe mich nur gerade gefragt, wie groß du bist. Eins vierzig? Du bist winzig. Wie eine kleine wütende Fee. Ich nenne dich Tinkerbell, ja das passt zu dir. Eine kleine wütende Tinkerbell.« Ihr Gesicht entgleist kurz, was meine Mundwinkel zucken lässt. Jetzt, wo ich es ausgesprochen habe, stimmt es tatsächlich. Sie ist so klein und zierlich wie diese Fee aus Kinderbüchern. Dazu dieses helle Haar, das herzförmige Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den etwas zu großen Lippen, die wirklich verruchte Gedanken in mir wecken. Was sie damit alles anstellen könnte … Ob sie so verlockend schmecken, wie sie aussehen? Sie geht mir unter die Haut, was mir nicht ganz gefällt. Jede Emotion, die kleinste Gefühlsregung, kann man in ihren Augen ablesen. Ihre Stimme ist weich, mit einem leicht rauchigen Kratzen, welches mir eine wohlige Gänsehaut beschert. Wie sie wohl morgens klingt? Oder wenn sie … Halt! Stopp! Nick, komm runter. Sie hat recht, du benimmst dich wie ein Perverser. Was auch immer diese Frau in mir auslöst, jetzt ist Schluss.
»Du Spinner kannst mich mal.« Sie lacht auf, was eher empört, als belustigt klingt. »Storm, mit so einem … Vollidioten vergeuden wir keine weitere Minute«, teilt sie ihrem Hund mit, wendet sich kopfschüttelnd ab und stapft aufgebracht davon. Ihr Kleid weht hinter ihr her und wie von selbst huscht mein Blick kurz zu ihrem Po. Gut, dass sie das nicht sieht, sonst würde sie mich fertigmachen, ganz sicher.
Langsam jogge ich los, neben ihr her, noch nicht bereit, dieses Treffen zu beenden, »Ich bin Nick,« teile ich ihr mit, auch wenn sie nicht so wirkt, als würde sie das wissen wollen. Das nagt schon ein wenig an mir. Dennoch will ich, dass sie meinen Namen kennt, denn ich muss mehr über die unbekannte Schönheit erfahren, also drossle ich mein Tempo. Dann wechsle ich die Position, laufe rückwärts vor ihr her. Das Lauftraining macht sich glücklicherweise bezahlt. Sie versucht, mich zu ignorieren, was ich ihr möglichst schwer mache. Meine Neugierde ist noch lange nicht gestillt.
»Will ich das wissen?« Sie schaut mich an, hebt eine Augenbraue und versucht, arrogant zu wirken, was ihr so überhaupt nicht gelingt. »Ich glaube nicht, nach deinem Namen gefragt zu haben. Und weißt du, wieso? Er interessiert mich nicht die Bohne.«
Wie frech sie ist, denke ich jauchzend. Ich finde es erquickend, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt und meine Laune steigt immer weiter. »Klar willst du das, du kannst ruhig ehrlich sein. Auch wenn du jetzt so unschuldig guckst, du hast mich ebenso gemustert, Fräulein. Aber weißt du, das ist okay. Guck so viel, wie du willst.« Ich breite die Arme vor ihr aus, woraufhin sie die Augen verdreht. Sie wird rot, herrlich. Ertappt! Ich habe schrecklichen Spaß daran, sie zu ärgern.
»Wunschdenken, mein Freund. Wunschdenken«, kontert sie, noch immer diese leichte Röte auf den Wangen, die ihre Sommersprossen stärker hervorheben.
Mein Freund? Mhh, klingt gut und gefällt mir, was wirklich beängstigend und verrückt zugleich ist. Eventuell entwickle ich mich doch zu einem Psycho. Ich hoffe nicht, doch man weiß ja nie. »Mein Freund? So schnell bin ich nicht«, necke ich sie weiter. »Ein paar Dates vorher wären schon nett, dennoch verstehe ich, dass du Nägel mit Köpfen machen willst. So ein Mann wie ich, ist ratzfatz weg vom Markt. Ich kann dich beruhigen, denn ich bin noch zu haben. Eigentlich wollte ich daran in nächster Zeit nichts ändern, aber mal schauen, was kommt?«
»Wahnsinn, Mister Arroganz persönlich. Was willst du von mir? Da rennt Storm einen verrückten über den Haufen und ich muss es ausbaden? Werde ich dich wieder los?« Sie verdreht die Augen gen Himmel.
»Mhh, kommt drauf an. Fürs Erste ist ein Name ganz nett. Danach vielleicht ein Drink zur Entschuldigung, das wäre durchaus angemessen.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich will nur meine Ruhe«, teilt sie mir mit, legt zudem einen Gang zu, um mich zu umrunden.
So schnell gebe ich nicht auf. Sie verwirrt und beeindruckt mich zugleich. Erst flirtet sie, da bin ich mir ganz sicher, und dann macht sie plötzlich dicht? Ich merke, dass sie hin und hergerissen ist. Ich wette, dahinter steckt eine interessante Geschichte, die ich unbedingt wissen will. Wenn ich ehrlich bin, bin ich noch nie so neugierig auf eine Frau gewesen wie jetzt gerade. Der Polizist in mir will jedes Geheimnis ergründen – reine Berufskrankheit. Ich möchte alles über sie wissen, woher sie kommt und wie lange sie bleibt, doch für den Anfang reicht es, nur mit ihr zu reden. So viel Spaß habe ich ewig nicht mehr mit einer fremden Frau, die nicht zu meinen Freunden zählt, gehabt – was jedoch daran liegt, dass mich Touristen nicht faszinieren. Die Zeiten, wo man sich ein Touri mit nach Hause nimmt, sind irgendwie vorbei. Ich bin nicht an einer Beziehung interessiert, mein Job ist momentan alles, was zählt. »Wieso ich? Du musst dich entschuldigen. Du hast mich fast umgebracht. Oh, ich meine natürlich dein Hund. Aber Eltern haften für ihre Kinder, du demnach auch für deinen Hund.«
Sie beißt auf ihre Lippe, ich erkenne ein kurzes Zucken ihres Mundwinkels. Ah, das gefällt mir, darauf kann ich aufbauen. »Das ist nur ein Kratzer. Bis du heiratest, ist das verschwunden«, lässt sie mich fachmännisch wissen.
Читать дальше