Ehe ich auch nur einen Ton sagen kann, geht sie vor mir in die Hocke und ich folge ihr sprachlos mit den Augen, während sie beginnt, mich mit geschickten Fingern abzutasten, und mir dabei sehr nahekommt. Hitze steigt in mir auf, ob ich will oder nicht. Ein Prickeln breitet sich genau dort aus, wo sie mich berührt. Diese Frau haut mich total um – im wahrsten Sinne des Wortes. Erst rennt ihr Hund mich über den Haufen, dann redet sie ohne Punkt und Komma, ohne Luft holen zu müssen, auf mich ein und tastet mich zudem ohne Scham ab. Das überfordert mich gerade. Sie schaut so schuldbewusst aus ihren langen Wimpern nach oben, dass meine Wut verpufft, ehe sie sich den Anschiss ihres Lebens anhören muss – dabei wäre ich so gut in Fahrt gewesen. Sie nagt an ihrer Unterlippe, zieht sie zwischen die Zähne und tastet mein Knie gewissenhaft ab, welches eine leichte Schürfwunde aufweist. Dieser Kratzer ist ein Hauch von nichts, ich habe weitaus Schlimmeres erlebt. Aber … Irgendwie möchte ich sie noch schmoren lassen. Wie sie so an ihrer Lippe saugt, vor mir auf den Knien, weckt verdammt schmutzige Gedanken in mir. Ich muss dringend etwas Abstand schaffen, um mich zu ordnen, und zwar schnellstmöglich.
»Das wird mich nicht umbringen«, schmunzle ich doch achselzuckend, trete einen großen Schritt zurück, atme tief ein, sehr tief. Aus Reflex fahre ich mir durchs Haar, mustere mein Gegenüber abermals, versuche ganz automatisch, mir ein Bild von ihr zu verschaffen. Ich analysiere, würde meine Schwester jetzt behaupten und sie hätte recht, das liegt wohl an meinem Beruf. Auf dem zweiten Blick entdecke ich dabei einige vorwitzige Sommersprossen auf ihrer Stupsnase. Ich habe eine Schwäche für Sommersprossen, ehrlich. Sie zuckt bei meinen Worten, was ich allerdings nicht sinnvoll deuten kann. Ihre braunen Augen blicken mich nervös an, mustert mich eindringlich, fast ängstlich, und sie nestelt an der Leine in ihren Händen herum. Sie weicht meinem Blick schnell wieder aus, lässt ihr Haar vor das Gesicht fallen, als will sie sich vor mir verstecken. Das ist keine normale Reaktion oder ist sie einfach nur schüchtern? Nein, das passt nicht zusammen. Verwundert halte ich inne, doch sie steht bereits auf, klopft sich ebenfalls den losen Sand von ihren nackten wohlgeformten Beinen. Ich nehme mir einen Moment, genieße den Anblick, der sich mir bietet. Sie scheint keines der Beachbunnys zu sein, wie wir die Sonnenanbeterinnen nennen, die im Sommer den Strand bevölkern, denn ihre Haut ist so dermaßen blass, als hätte sie eine lange Zeit keine Sonne gesehen. Mein Blick wandert nach oben, über ihre Hüfte, die schmale Taille, hin zu ihren ausdrucksstarken Augen, die mich an Nugatschokolade erinnern. Ob ihr das schon mal jemand gesagt hat? Ich liebe Schokolade beinahe so sehr wie Sommersprossen und irgendwie lässt diese Frau mein Herz gerade ein wenig schneller schlagen. Sie hat eindeutig mein Interesse geweckt. Sie blitzt mich leicht verärgert an, die Angst, die ich eben gemeint gesehen zu haben, ist verschwunden, dafür steht ihr Verärgerung deutlich ins Gesicht geschrieben. Ein wohliger Schauer gleitet meinen Rücken hinab. So etwas, dass mir eine Fremde so unter die Haut geht, ist mir noch nie passiert. Also schiebe ich es lapidar auf den Sturz, möglicherweise hat mein Kopf doch etwas abbekommen.
»Fertig mit der Glotzerei?«, knurrt sie, woraufhin ich auflache. Sie hat gerade noch so süß und schüchtern gewirkt, jetzt könnte man glauben, sie will mich gleich in Flammen aufgehen lassen – bei den Blicken, die sie mir zuwirft. Okay, ich gestehe ihr zu, dass meine Musterung zwar nicht höflich gewesen ist, dennoch anerkennend. Sie rümpft ihre kleine Stupsnase erbost, lässt dabei die Sommersprossen tanzen, was einfach liebreizend wirkt. Fast bin ich in Versuchung, die kleinen Sprenkel zu zählen.
»Also, erst rennst du mich um, dann motzt du mich auch noch grundlos an?«, erwidere ich gut gelaunt. »Außerdem habe ich nicht geglotzt. Ich habe nur geschaut, ob ich klarsehen kann, nachdem ich gestürzt bin. Wer weiß, vielleicht habe ich eine Gehirnerschütterung? »
»Storm hat dich umgerannt, nicht ich. Im Übrigen habe ich mich entschuldigt, mehrfach. Es tut mir aufrichtig leid, aber das ist kein Freifahrtschein, mich so … zu mustern. Das ist unangebracht und unhöflich. Ich bin keine Stute auf dem Viehmarkt. Typen wie du, sind einfach ätzend.«
»Typen wie ich? Du kennst mich gar nicht.« Ich muss nun herzlich lachen, was sie dazu auffordert, ihre Augen noch etwas mehr zu verengen, dabei so finster in meine Richtung zu schauen, dass man fast Angst haben könnte. Sie hat ein kleinwenig Recht, aber das werde ich nicht zugeben, sondern strahle sie einfach an. Keine Stute auf dem Viehmarkt? Ich mag dieses Geplänkel wirklich, genau richtig. Sie hat Feuer, das gefällt mir.
»Ja, Typen wie du. Die denken, nur weil sie gut aussehen, können sie machen, was sie wollen. Weißt du, das könnt ihr gar nicht. Nur weil man attraktiv ist, ist das kein Freifahrtschein für ein arschiges Machoverhalten, wozu deine Musterung von eben definitiv gehört.«
»Soll ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass du mich attraktiv findest, oder dafür, dass ich dich bewundernd gemustert habe?« Sie steht so dicht vor mir, dass ich runter schauen muss, wenn ich mit ihr rede. Angriffslustig verschränkt sie die Arme vor der Brust, schiebt ihre Lippe trotzig vor. Eine zarte Röte bedeckt ihre Wangen, so aufgebracht ist sie. Es wirkt so herrlich ungekünstelt, dass sie auf Anhieb noch ein paar Sympathiepunkte bei mir sammelt. Ich hasse es, wenn Frauen aufgesetzt und künstlich sind. Ihr ist offenbar egal, was ich von ihr denke, auch wenn sie gerade ein wenig übertreibt. So dramatisch ist meine Musterung nun echt nicht gewesen. »Du bist total niedlich, wenn du sauer bist. Ich kann das gar nicht ernst nehmen bei deiner Größe«, stichle ich, sie schnaubt stattdessen empört.
»Volltrottel. Das ist mir echt zu blöd«, zischt sie, pfeift sogleich nach ihrem Hund. Er kommt erneut wie ein Blitz angerannt, rempelt mich dabei abermals an, sodass ich einen Schritt nach vorne machen muss. Wir wären zusammengestoßen, wenn sie nicht nach hinten hüpfen würde – als wäre ich die Pest in Person. Okay, das ist verletzend. Das bin ich nicht gewohnt. Ich bin zwar kein David Beckham, aber auch kein Quasimodo. Es kratzt etwas an meinem Stolz. Sie wirkt fast zufrieden, grinst ihren tropfenden Hund an. »Guter Junge«, lobt sie ihn zudem, woraufhin er erfreut mit dem Schwanz wedelt und mir einen kurzen Blick zuwirft.
»Anscheinend mag dein Hund mich nicht«, mutmaße ich weiterhin amüsiert über die ganze Situation. Der Tag entwickelt sich besser, als ich angenommen habe.
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