Elias trug sie auch nicht zur Gartenbank, um mit ihr die Geheimnisse der Nacht zu erforschen – was sie durchaus nicht als verstiegen betrachtete, sondern in der Tat als köstlichen Gedanken, der ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
Dennoch beglückte er sie.
Und das mit einem Kuss.
Gut, er küsste sie nicht gleich auf den Mund, sondern seine warmen Lippen streiften leicht ihre Wange. Aber immerhin, es war ein Kuss in ihre Richtung und zum Glück kein feuchter Schmatz. Mehr konnte man für den Anfang vielleicht nicht verlangen. Sie war von jeher bescheiden, und dieser Hauch von Zärtlichkeit reichte bereits, um sie zu beglücken. Und ihre angeborene Bescheidenheit, von der Ella behauptete, dass sie die nicht weiter als bis zum Ufer der Passer führen würde, ließ sie ein leises »Danke« murmeln. Wenn er allerdings in der Geschwindigkeit weitermachte, musste sie sich möglicherweise weitere vier Jahre in Geduld üben. Na danke!
Himmel, warum sagte er kein Wort?
»Eine Spinne«, murmelte sie konfus und deutete auf die ebenfalls schweigende Hausspinne auf der frisch geweißelten Wand.
Logischerweise gab er auch darauf keine Antwort.
Linni, halt den Mund, du Depp! Oder hieß es geschlechtergerecht mittlerweile Deppin?, durchzuckte es sie. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie kreuzdämlich war. Hoffentlich war sie in der Lage, vor Ella diese Minuten zu verschweigen, vor der sie so selten ein Geheimnis zu bewahren in der Lage war.
Schweigend betraten sie die Küche. Sie vermied es, Licht zu machen. Genauso schweigend ging es die Treppe hinauf. Oben auf dem Absatz blieb sie wartend stehen. Jetzt oder nie.
»Luca scheint zu schlafen«, flüsterte sie. Und komm doch noch ein wenig zu mir!, fügte ihr Inneres hinzu. Doch diese Worte vernahm er natürlich nicht.
»Damit haben wir zum Glück ja wirklich nie Probleme.«
Und damit hätten wir sturmfreie Bude, erinnerte sie ihn insgeheim und wartete darauf, dass er dementsprechend zu handeln verstand. Er schien es noch immer nicht begriffen zu haben. »Es war ein schöner Abend«, brachte sie noch aus staubtrockener Kehle heraus, und hielt sich am Türrahmen fest, da sie sonst mit Sicherheit auf den Boden gesunken wäre – aus Scham und weil der Alkohol und die Erregung sie völlig fertiggemacht hatten.
Sollte sie ihn jetzt einfach an sich reißen?
»Ja. Schlaf du auch schön. Gute Nacht, Linni.« Mit diesen Worten verschwand er.
Gut, dass sie in letzter Sekunde ihrer Leidenschaft Einhalt geboten hatte.
Ach, lieber, lieber Elias! Sei doch nicht so zurückhaltend. Ich weiß doch um deine Gefühle. Du darfst dich bei mir unbesorgt gehen lassen.
Sie blieb noch zwei Sekunden stehen, doch er machte nicht kehrt. Und erst, als das leise Zufallen der Tür ins Schloss zu vernehmen war, öffnete sie die Tür zu ihrer Wohnung. Seit dem Tod der Mutter waren die zwei Zimmer ihr Reich. Eines nutzte sie zum Lesen oder Fernsehen, das andere war ihr Schlafzimmer. Sie zog sich aus, schlüpfte in den Schlafanzug, wusch sich rasch Gesicht und Hände, putzte ihre Zähne und glitt dann unter die kühle Bettdecke. Das Fenster ließ sie offen, um noch eine Weile den Geheimnissen der Nacht zu lauschen. Ach, Elias.
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