Psalm 8 zeichnet ein friedliches Bild , ein Bild, dass berücksichtigt, welche Rolle die Menschheit spielen sollte (1. Mose 1,28) und was es heißt, zu »unterwerfen und zu herrschen« (vgl. Psalm 72). Alles hat die richtige Rangordnung. Gott steht ganz oben (er ist die »Zehn«). Und die Menschheit ist beauftragt, als Gottes Vertreter so zu »herrschen«, dass der Schalom erhalten bleibt, dass die schwächeren Geschöpfe Gottes beschützt werden und die stärkeren daran gehindert, ihre Macht zu missbrauchen.
1. Mose 3,15 bietet ein feindseliges Bild . Die Schlange legt sich nicht freiwillig unter die Füße des Nachwuchses der Frau, sondern sie verliert bei dem vergeblichen Versuch, selbst Sieger zu sein. Es gibt leider nur allzu viele Bilder wie dieses Bild aus Kinshasa. Menschen kämpfen gegen Menschen, mit Maschinenpistolen und noch stärkeren Waffen. Oder aber Menschen beherrschen ihre Mitmenschen mit Angst und Machtmissbrauch und in ungerechten Beziehungen. Das Bild von der Ferse auf dem Kopf ist wahrhaftig universal.
Doch lassen Sie uns einmal genau betrachten, was die Bibel mit diesem Bild macht. Wir beginnen mit dem Text, in dem die Parallele zu 1. Mose 3,15 am deutlichsten wird, und zwar Römer 16,19–20. Paulus schreibt an die Gläubigen in Rom und lobt sie, dass sie durch ihren Gehorsam Gott gegenüber erfolgreich Fortschritte im Kampf zwischen Gut und Böse machen. Und dann kommt die wunderbare Verheißung: Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter euren Füßen zertreten (Rev. Elberfelder). Unter wessen Füße? Die von Jesus? Nein, unter die Füße der Gläubigen. Doch, der Sieg gehört Gott (Gott wird Satan zertreten), aber die Füße sind unsere! Der Gott des Friedens (des Schalom ) gebraucht uns, um seinen Sieg über Satan mit unseren Füßen zu vollbringen.
An anderer Stelle im Neuen Testament lesen wir, wie Jesus seine Jünger aussandte. Auf ihrer Mission bekämpften sie tatsächlich böse Mächte und trieben Dämonen aus. Als sie voller Freude Jesus davon berichteten, antwortete er: Ja, es ist wahr: Ich habe euch Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zunichte zu machen (Lukas 10,19). Jesus gab ihnen die Vollmacht. Es waren seine Vertreter, die die Schlangen tatsächlich zertraten.
Vielleicht am eindrucksvollsten wird dieses Bild in Offenbarung 12 verwendet. Ab Vers 7 ist von der Niederlage des Feindes Gottes die Rede: Der Drache … konnte nicht standhalten. … Er ist die alte Schlange, die auch Teufel oder Satan genannt wird … Eine himmlische Stimme macht jubelnd bekannt: »Jetzt ist es geschehen: Unser Gott hat gesiegt! Jetzt hat er seine Gewalt gezeigt und seine Herrschaft angetreten! Jetzt liegt die Macht in den Händen des Königs, den er gesalbt und eingesetzt hat!« (Vers 10a). Und was rechtfertigt diese Aussage? »Der Ankläger unserer Brüder und Schwestern ist gestürzt; er, der sie Tag und Nacht vor Gott beschuldigte« (Vers 10b).
Und wer besiegte diese Schlange? Ohne weiterzulesen, würden wir vielleicht annehmen: natürlich Gott und sein Gesalbter. Aber der Schreiber der Offenbarung behauptet etwas anderes: Unsere Brüder und Schwestern haben ihn besiegt , gerade diejenigen, die vom Feind beschuldigt worden waren. Und wie konnten sie das schaffen? Hier kommt der ausschlaggebende Punkt: »Unsere Brüder und Schwestern haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr standhaftes Bekenntnis. Sie waren bereit, dafür ihr Leben zu opfern und den Tod auf sich zu nehmen« (Vers 11). Das Blut des Lammes ermöglichte den Sieg. Nicht sein Schwert, sondern sein Blut. Der Sieg kam nicht dadurch, dass er selbst tötete, sondern indem er selbst getötet wurde. Sie gewannen durch sein Blut. Sie werden nicht nur beschrieben als »unsere Brüder und Schwestern«, sondern auch als Menschen, die bereit waren, ihr eigenes Leben zu geben. Sie waren Nachfolger von Jesus bis in den Tod. Sie lernten von ihm, dass der wahre Sieg nicht durch Schwert und Blutvergießen errungen wird, sondern durch Selbstaufopferung.
Der Jubel, mit dem die himmlische Stimme diese Bekanntmachung begann, wird am Ende wiederholt: »Darum freue dich, Himmel, mit allen, die in dir wohnen! Ihr aber, Land und Meer, müsst zittern, seit der Teufel dort unten bei euch ist! Seine Wut ist ungeheuer groß; denn er weiß, er hat nur noch wenig Zeit!« (Vers 12).
Und so wird klar: Hier wird kein Sieg angekündigt, der erst am Ende der Weltgeschichte stattfindet. Der Sieg wurde bereits errungen – aber auf Erden wird noch gekämpft. Der Theologe Jürgen Moltmann und andere beschreiben es so: »Wir leben zwischen D-Day und V-Day.« Sie beziehen sich dabei auf den Sieg der Alliierten im besetzten Europa des Zweiten Weltkrieges. Nach der erfolgreichen Invasion der alliierten Truppen in der Normandie (D-Day) war der bevorstehende Triumph der Befreiungsmacht bereits sicher. Aber es mussten noch viele Kämpfe ausgefochten, viele Verluste erlebt und viele Leben verloren werden, bevor der V-Day ( Victory Day , der Siegestag) gefeiert werden konnte.
Wie es in dem Lied »Die Gott lieben, werden sein wie die Sonne« von Peter Strauch heißt:
Viele Tränen werden noch geweint ,
und der Mensch ist noch des Menschen Feind .
Doch weil Jesus für die Feinde starb ,
hoffen wir, weil er uns Hoffnung gab .
Krieg und Terror sind noch nicht gebannt ,
und das Unrecht nimmt noch überhand .
Doch der Tag, er steht schon vor der Tür .
Herr, du kommst! Wir danken dir dafür .
(Text & Melodie: Peter Strauch,
© 1981 SCM Hänssler, 71087 Holzgerlingen)
Das ist das Bemerkenswerte: Der Sieg in der himmlischen Welt wurde nicht alleine von Gott, nicht alleine durch den Tod von Jesus erlangt. Sie haben den Feind besiegt – sie, die Nachfolger des Lammes. Aber sie gewannen den Sieg keinesfalls alleine. Sie gewannen durch das Blut des Lammes (Offenbarung 12,11). Wir – die Nachfolger von Jesus (eine durch den »Zweiten Adam« erneuerte Menschheit) –, sind gemeinsam mit Gott Mitgestalter der Geschichte, Mitkämpfer im noch endgültig zu gewinnenden Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Gott mit seinem Schalom -Plan und den zerstörerischen Absichten seines Feindes.
In Epheser 1 finden wir eine weitere wichtige Stelle, die wir in diesem Zusammenhang betrachten sollten. Paulus schreibt seinen Lesern, wofür er betet (Epheser 1,17–19): dass Gott ihnen den Geist der Weisheit und Offenbarung gebe, dass er ihre Augen erleuchte, sodass sie unsichtbare Realitäten erkennen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass sie zu einer großen Hoffnung berufen sind und dass die Kraft und Stärke Gottes überragend groß ist. Und dann zeigt Paulus, wie die theologischen Themen dieses Textes zusammenpassen:
• Eine große Hoffnung wartet auf uns, auch wenn es gewagt scheint, daran zu glauben;
• unsere geistlichen Augen müssen erleuchtet werden, um dies zu erkennen;
• diese Hoffnung wird nur dann wahr werden, wenn Gott seine große Macht einsetzt;
• aber Gott hat seine Macht schon mitten in der Geschichte gezeigt: Gott hat Jesus von den Toten auferweckt.
Das Faszinierende ist, dass die Auferweckung von Jesus nicht nur ein Zeichen der Macht Gottes darstellt, damit wir auch an diese Macht glauben können. Durch die Auferstehung wurde die Hoffnung auf den endgültigen Sieg Gottes zur Realität. Jesus kam nicht, um seine Feinde mit Gewalt zu vernichten. Er kam als der Friedensstifter, gewaltlos in seiner Treue zu Gott; bereit, sich selbst töten zu lassen; und er tat dies, weil er nie die Hoffnung aufgab, dass Gott sogar die Macht des Todes durchbrechen würde. In dem Film »Der König von Narnia« (»Die Chroniken von Narnia«) erklärt der Löwe Aslan den verwunderten Menschenkindern: »Wenn sich einer, der nichts verbrochen hat, freiwillig für einen Schuldigen opfert, dann … weicht der Tod zurück.«
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