È un cammino che potrà proseguire? Gli scritti che seguono ne esaminano le piste principali (sulla scia delle indicazioni di Spinelli) e prefigurano, nell’insieme, una prospettiva positiva. La necessità di più integrazione in taluni ambiti, non solo quello economico e fiscale, ma l’immigrazione, la difesa, la stessa politica estera – per non parlare dell’ambiente sempre più prioritario - è, nonostante i sovranismi, avvertita diffusamente dagli stessi cittadini. E più integrazione in questi ambiti è indiscutibilmente più Unione politica, è più scelte politiche che affideremo al livello di governo europeo, evitando la compresenza di scelte conflittuali, e meno efficaci davanti al mondo esterno, dei nostri Stati nazionali.
Non so come chiameremo tutto questo via via che verrà accadendo. Sarà sempre Unione Europea, un’unione con un accresciuto nerbo di unità politica. Ma se arriverà ad averlo, un nerbo siffatto, molto, moltissimo sarà debitrice di coloro che hanno tenuto in vita il sogno degli Stati Uniti d’Europa.
Giuliano Amato
Vorwort
Es ist durchaus möglich, dass sich im Laufe der Jahrzehnte die „magische“ Wirkung verloren hat, die die Formel von den „Vereinigten Staaten von Europa“ anfangs besaß. Anfangs bedeutete sie, dass wir denselben Weg gehen würden wie die ehemaligen Kolonien in Amerika: hin zur Schaffung eines föderalen Staates wie in den USA.
Nun stimmt es schon, dass uns der lange Weg, den der europäische Integrationsprozess de facto gegangen ist, auch gestattet hat, bestimmte Komponenten der europäischen Identität stärker zu machen und supranationale Institutionen zu schaffen, die echte Macht über die gesamte Union ausüben; zugleich aber hat er gezeigt, wie stark und vertrackt unsere nationalen Identitäten sind (welche ungleich stärker als diejenigen der ehemaligen Kolonien in den USA sind). Der Prozess hat deutlich gemacht, dass die Staaten absolut gewillt sind, eigene Positionen zu verteidigen, die sich nicht mit der vollständigen Übertragung sämtlicher souveräner Rechte an die europäischen Institutionen vertragen.
Zugleich haben sich die Bereiche vervielfältigt, mit denen eine Vielzahl menschlicher Aktivitäten miteinander verflochten sind. Dadurch wurden die Regulierungen und Aufsichtsfunktionen immer komplexer. Die entsprechenden Funktionen gehören zu unterschiedlichen Entscheidungsebenen. „Multilevel Governance“ ist dafür die heutzutage favorisierte und praktizierte Formel. Wir haben es mit pluralen Strukturen zu tun, die kaum mehr etwas mit dem Streben nach Vereinheitlichung zu tun haben, wie sie in der Schaffung des „Staatenbundes“ zum Ausdruck kam. Damals ging es darum, dem neuen politischen Gebilde sämtliche Funktionen zu übertragen, die zuvor die Souveränität der einzelnen Staaten ausgemacht hatten. Es war also die Souveränität selbst, die von einer Instanz zur nächsten „wanderte“.
Bedeutet das, dass der Begriff „Vereinigte Staaten von Europa“ überholt ist? Dass wir ihn aufgeben und auf die Erwartungen und Ansprüche verzichten sollten, die die europäischen Befürworter damit jahrzehntelang verbunden haben? Auf gar keinen Fall, wenn und insofern wir weiterhin der Ansicht sind, dass nicht nur die Wirtschafts - und Währungsunion, sondern auch die politische Union ein erstrebenswertes, ja, notwendiges Ziel ist. Wobei dessen Verwirklichung ja durchaus nicht voraussetzt, dass man zu einer Verfassung nach amerikanischem oder deutschem oder australischem Muster gelangt. Es sei daran erinnert, dass die Föderalisten unter den Gründervätern Europas dies sehr wohl erkannt haben; man denke an Altiero Spinelli, der das explizit formuliert hat. Für ihn war zentral, dass den Staaten deren vernetzte, „transversale“ Gewalten weggenommen würden: Militär, Aussenpolitik, Wirtschafts - und Geldpolitik, aufgrund deren sie gegeneinander Kriege geführt hatten. An diese Stelle musste Europa treten. Was den „Rest“ betraf, sollten die Staaten, so Spinelli, weiter nach Gutdünken verfahren.
Was wir in den vergangenen Jahrzehnten zu konstruieren versucht haben, was genau dies: die politische Union. Zu großen Teilen gilt es, dieses Ziel noch zu erreichen; aber es ist auch richtig, dass die „Politisierung“ der Union in mancherlei Hinsicht bereits Wirklichkeit geworden ist: durch die direkten Wahlen zum Parlament, die gemeinsamen Werte, von der Demokratie zur „Rule of Law“, auf denen die Union basiert; sowie die Rechte, die den europäischen Bürgern zuerkannt werden. Gewiss, das ist zweifellos noch unvollständig, und es ist diese Unvollständigkeit, die dazu führt, dass in den nicht gerade seltenen schwierigen Zeiten - besonders in der jüngsten Zeit, in der sich die Nationalismen wieder massiv zu Wort melden - die Zukunft der Union als solche in Frage gestellt wird. Aber die Gemeinschaft hat solche unheilvollen Prophezeihungen noch immer Lügen gestraft; im Gegenteil haben in solchen Momenten Dringlichkeit und Notwendigkeit ihres Eingriffs dazu geführt, dass sie sich neue Instrumente zugelegt hat, um agieren zu können. So war es in der Wirtschafts - und Finanzkrise 2008-2012, und so war es erneut in der Covid-Krise, die zum ersten Mal in unserer Geschichte zur Entscheidung zugunsten einer gemeinsamen Schuldenaufnahme durch die Kommission geführt hat, um ausserordentliche alle betreffende Schulden zu schultern.
Ist das eine mögliche Entwicklung, die man so weiterführen kann? Die Beiträge dieses Sammelbandes untersuchen (gewissermaßen auf Spinellis Spuren) dazu die Hauptwege und gelangen, alles in allem, zu einer positiven Perspektive. Es besteht die Notwendigkeit zur einer verstärkten Integration in einer Reihe von Politikfeldern, auch jenseits von Ökonomie und Geldpolitik: Immigration, Verteidigung, gewiss auch Außenpolitik, von Umweltpolitik, die immer dringender wird, ganz zu schweigen. Allen Souveränitätsideologien zum Trotz wird diese Notwendigkeit von den Bürgern wahrgenommen. Mehr Integration in diesen Bereichen bedeutet fraglos auch mehr politische Union, mehr politische Entscheidungen, die wir der Ebene einer „europäischen Regierung“ übertragen, wobei wir versuchen müssen zu vermeiden, dass es zu konflikthaften (und gegenüber den außereuropäischen Ländern ineffizienten) Entscheidungen auf der nationalstaatlichen Ebene kommt.
Ich weiß nicht, welchen Namen wir dem Ganzen geben sollen, das da schrittweise entsteht. Immer wird es die „Europäische Union“ sein, eine Union, in der das gemeinschaftlich-politische Rückgrat stärker wird. Wenn das so kommt, wenn es diese starke politische Einheit geben wird, dann verdankt sie denjenigen, die an dem Traum von den „Vereinigten Staaten von Europa“ festgehalten haben, wirklich sehr viel.
Giuliano Amato
Vorwort
In den Zeiten der globalen Pandemie haben die Europäer gelernt, so glaube ich, die Planungsgewißheit, die (nicht weniger als die Kontingenzerfahrung) ein wichtiger Teil ihres kulturellen Erbes ist, zu relativieren und bescheidener zu werden. Das neue (wiedergewonnene?), quasi metaphysische Bewusstsein, dass buchstäblich von einem Tag auf den anderen Alles anders kommen kann, als wir es gewohnt waren, lässt uns die Vorläufigkeit politischer Diagnosen stärker als zuvor spüren. Im Sinne dieser neuen Behutsamkeit, des Herantastens an politische Befindlichkeiten, die sehr fluide und mehr denn je stimmungsabhängig zu sein scheinen, läuft jeder Versuch einer Standortbestimmung Gefahr, schon morgen überholt zu sein. Aber gerade Europa bedarf der Standortbestimmung, der Selbstvergewisserung, immer aufs Neue, im permanenten Austausch unter den Europäern. Es mag schrecklich eurozentrisch klingen, aber mir scheint, dass wenige politische Gebilde im globalen Maßstab so sehr um ihre „Identität“ ringen wie Europa.
Lässt sich die Union der Europäer als „Vereinigte Staaten“ bezeichnen? Stellen die USA, an die man bei dieser Bezeichnung, seit sie in der Welt ist, selbstverständlich denkt und denken soll, das Modell dar, welches die Europäer zur Imitation einlädt oder eher abschreckt?
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