Im Kvickly legte sie Lammhack in den Einkaufskorb und holte Zwiebeln und Tomaten aus der Gemüseabteilung. Im Kühlregal fand sie die dänische Variante von Feta sowie eine Packung griechischen Joghurt und bei den Gewürzen einen Beutel getrocknete Minze. Knoblauch hatte sie. Und Olivenöl zu den Tomaten. Dazu passten Oliven sehr gut, aber die konnte Jonas nicht leiden. Während sie dastand und überlegte, ob ihr noch etwas für griechische Frikadellen mit Tzatziki und Tomatensalat fehlte, rief Jonas an.
„Hey, BBW.“
„Hej“, sagte Line glücklich, trotz des Kosenamens, der Abkürzung für Big Beautiful Woman, bei der sie nicht genau wusste, ob es ein Kompliment war oder eher leicht herablassend. Aber Jonas klang glücklich und plötzlich freute sie sich auf das Wochenende. Vielleicht konnten sie alle gemeinsam etwas unternehmen, am Samstag oder Sonntag. Bowlen oder ins Experimentarium.
„Musst du noch einkaufen?“
„Ich bin im Kvickly und gleich fertig.“
„Was gibt’s heute?“
Auf diese Diskussion hatte Line jetzt keine Lust. Sie wusste, dass sie nicht gerade für Jonas Leibgericht eingekauft hatte, aber heute gab es das. Sie konnten schließlich nicht immer nur Schwein, Rind, Soße und Kartoffeln essen.
„Du wirst schon sehen.“
„Aha. Aber bring noch eben Wein mit, ja? Drei Flaschen weiß und drei rot. Dann haben wir erstmal.“
„Ja, für heute Abend“, erwiderte Line spitz.
„Bist du sauer?“
Nicht schon wieder, dachte sie, sagte nein und versprach, Wein zu kaufen. Auf dem Weg zum Auto, beladen mit zwei Einkaufstüten, gefüllt mit Weinflaschen und Lebensmitteln, legte sich die Müdigkeit um sie wie ein schwerer Mantel. Sie wollte einfach nur ihr altes Nachthemd, das sie so liebte, anziehen, sich auf dem Sofa unter die Decke kuscheln, fernsehen und Süßigkeiten essen. Sie hatte keine Kraft, gesellschaftlich zu sein, Wein zu trinken, Jonas zuzuhören oder der Musik, die er „für sie“ auf seinem iPhone abspielte. Sie wollte früh ins Bett und Sex haben. Nüchtern. Und dann schlafen.
Aber sie riss sich zusammen, wie schon so oft zuvor, fuhr heim und begann mit dem Abendessen. Stellte den Weißwein kalt, öffnete eine Flasche Rotwein, stellte neue Teelichter in die vielen kleinen Halter in der Stube und zündete sie an. Mikkel rief an und fragte, ob er noch bei Lucas essen dürfe. Das durfte er. Sie wollte eigentlich gern, dass er nach Hause kam, aber die Stimmung bei Tisch war nicht immer so gut, also wollte sie nicht darauf bestehen, wenn er bei seinem Freund bleiben wollte. Und sie hoffte noch immer auf ein gemütliches Wochenende, an dem sie alle drei etwas zusammen unternahmen. Sie legte sich auf das Sofa und schloss die Augen. Eine halbe Stunde später hörte sie den Schlüssel im Schloss und Jonas kam in die Stube.
Jonas war bester Laune. Er hatte einen super Tag bei der Arbeit gehabt, alles war gelaufen wie am Schnürchen und er war vom Chef gelobt worden. Während Mehmet daneben stand. Ha! Dafür hatte er sich ein Gläschen verdient, oder zwei. Und gutes Essen. Was Line wohl kochen wollte? Ein großes, saftiges Steak vielleicht. Mit Bernaise. Das war schon eine Weile her. Oder Sparerips mit Kartoffeln und brauner Soße. Sie konnte schon kochen, seine Line, der machte so schnell keiner was vor. Er kam in die Stube und da fand er sie, auf dem Sofa lümmelnd in irgendeinem hässlichen Jogginganzug, der nicht gerade ihren großen Hintern verbarg. Naja, immerhin war der schön weich und man konnte gut drauf liegen. Und ihn durchkneten. Der machte ihn einfach direkt geil. Aber schön war der nicht.
„Liegst du hier rum? Bist du müde? So alt bist du doch noch gar nicht!“
Jonas lachte lauthals über seine eigene Bemerkung und Line fragte sich zum Gott-weiß-wievielten Mal, ob sie so müde war, weil er in ihrem Leben war. Sie gab und gab, aber zurück bekam sie nicht viel. Wie war sie bloß in so einer Beziehung geendet? Warum hatte sie keine größeren Ansprüche an das Leben und den Menschen, mit dem sie es teilte? Wie immer fand sie keine Antwort. Und Jonas Aussagen ignorierte sie.
„Jetzt komm, BBW, und schenk deinem Mann ein Glas kalten Weißwein ein.“
Line stand auf und ging in die Küche. Die war ganz neu, mit hellem Laminat, grauen Arbeitsplatten und neuen Armaturen. Und es war ihr Bereich. Jonas kam hier nur rein, um eine neue Flasche Wein zu holen oder am Fenster zu rauchen.
Jonas hatte eine CD von Pearl Jam angemacht, saß auf dem Sofa mit einer Zigarette, die er noch nicht angezündet hatte, und sang Eddie Vedders Lied stumm mit. Er lächelte Line an, als sie mit dem Weinkühler und einem kalifornischen Chardonnay, den sie bereits geöffnet hatte, hereinkam. Line ging an den braungebeizten Barschrank und nahm zwei Weingläser heraus. Sie setzte sich ans andere Ende des Sofas und direkt legte ihr Jonas seine Füße in den Schoß.
„Aahh, magst du mir nicht die Socken ausziehen und ein wenig die Füße massieren, Schatz? Das ist genau das, was ich jetzt brauche.“
So saßen sie da, jeder in seiner Sofaecke mit einem Weinglas in Reichweite und wirkten wie ein glückliches Paar. Aber Line wusste, dass sie bald etwas Drastisches tun musste. Sie hatte schon viele Male versucht, mit ihm über eine Therapie zu reden, aber Jonas war in eine Verteidigungshaltung gegangen und wollte nichts davon hören, dass er ein Problem hatte.
Als die Flasche Weißwein leer war und er aufstand, um eine neue zu holen, war es noch nicht einmal 17.30 Uhr und Line musste mit dem Abendessen beginnen.
„Kannst du nicht ein wenig langsamer machen?“, fragte sie, wohlwissend, dass er genau das nicht konnte.
„Was geht dich das an?“, erwiderte er und sie ging in die Küche, ohne sich auf eine weitere Diskussion einzulassen.
Jonas rümpfte die Nase, als das Essen auf dem Tisch war. Er nahm eine Lammfrikadelle und einen Löffel Tomatensalat. Während er aß, widmete er seinem iPhone seine gesamte Aufmerksamkeit. Als er fertig war, nahm er sein Weinglas und ging in die Küche, um eine zu rauchen. Er schloss die Tür und rief höchstwahrscheinlich Per an, mit dem er es liebte, ein wenig zu schnacken, wenn er etwas getrunken hatte.
Er räumte seinen Teller nicht ab. Aber nein, er konnte ja auch nicht mehr tragen. Weinglas in der einen Hand, Telefon in der anderen. Line ließ die Teller und Schalen mit den Essensresten stehen. Sie griff sich noch eine Frikadelle und setzte sich auf das Sofa um den Rest der Nachrichten zu sehen.
„Lammfrikadellen und Kaninchenfraß! Sowas kann man doch einem Mann nicht servieren. Ich habe den ganzen Tag geschuftet und dann bekomme ich so‘n Weibergericht.“
Jonas teilte seinen Frust mit Per, der ihn am Telefon darin bestätigte, dass das von Line nun nicht sonderlich durchdacht war.
„Immerhin ist sie gut im Bett, eine richtige Milf“, sagte Jonas und warf seine Zigarette, anzüglich über diesen Kosenamen grinsend, aus dem Fenster. Er überlegte, ob er noch eine Flasche Weißwein öffnen oder zu Rotwein übergehen sollte. Es war noch eine Flasche Weißwein übrig, drei rot. Und er hatte keine Lust, dass er morgen keinen Weißwein mehr hatte, also machte er sich einen Roten auf.
„Ich mach´ mal eben den Lautsprecher an und leg dich auf den Tisch, während ich mir eine neue Flasche aufmache. Also halt dich die nächsten Minuten ein wenig zurück.“
Per lachte und Jonas Laune war deutlich besser, als vor einer halben Stunde. So ein bisschen Ruhe und ein Gespräch unter Männern war genau das Richtige. All diese Gefühlsduselei und das Gelaber über alles Mögliche waren so ermüdend. Nee, so ein Gespräch unter Gleichgesinnten, mit einem, der über seine Witze lachte und nicht nörgelte, war das, was er brauchte.
Als Jonas aufgelegt hatte und in die Stube kam, war beinahe eine Stunde vergangen. Jetzt hatte er Rotwein in seinem Glas und seine Augen waren leer. Wenn er nicht so verdammt gut aussähe, fände Line, er wäre bemitleidenswert.
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