1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Und am andern Morgen schon hat’s Fürtüchel am Fenstersims gehangen und zwei Stunden später ist der Wastl den Weg emporgestiegen! Und im besten Fall hätte es ihn doch erst zum Osterfest erwartet, und dabei sei er schon am Gründonnerstag dagewesen!
Nur das liebe gute Hieronymusl hätt’ das zuweg’ gebracht, denn der Wastl wisse auch darum und hat gesagt, eh er nur was vom Tüchel gewusst hat: „Weisst, Roseli, ich bet’ jetzt nur mehr zum heiligen Hieronymus. Das ist einer! Der kann’s!“
Die Zirblerin war ganz blass geworden und seufzte tief auf.
„Du liebe Zeit, wenn man so einen Patron doch auch haben könnt’!“
Der heilige Ambrosius, zu dem sie nun schon von Kindesbeinen an betete, — der war gar lau und flau und hatte zumeist taube Ohren und blinde Augen, und nur zweimal im Leben war er ihr zu Hilfe gekommen.
Alt und überständig mag er wohl geworden sein und hat’s satt, und mit dem Überdruss, alleweil nur dazusitzen und auf den Menschen ihr Gebet zu lauern, — ja, wenn man auch so einen eifrigen, fixen Hieronymus haben könnt’! Sie hat sowieso recht viel auf dem Herzen, was sie bitten möcht’!
Die gelbe Henne, die alleweil die beste Eierlegerin gewesen, ist mit einem Male gar träg und ungut geworden und schafft nix mehr, und in dem Keller sind wieder Mäuse, und ihr Gepflanztes im Garten will nicht so kommen, wie’s sich gehört, — nun, und dem Bübli muss sie ein leichtes Zahnen und dem Susei noch eine gute Freizeit ausbeten, — — aber der Ambrosius fragt nix mehr danach, und der Hieronymus ist dem Hiesel sein Patron.
„Du, Roseli, was meinst?“ fragte sie endlich ganz zaghaft, „ob ich nit einmal an dein’ Bildstöckel hinknien und den Heiligen auch so recht dringlich um eine Gutheit bitten kann?“
„Niederknien und bitten könnt’ Ihr schon,“ sagte das Dirnei und zuckte die runden Schultern, „ob’s aber was helfen wird? Schaut’s, Frau, wenn der Hiesel sein’ Patron herschenkt, so tut’s der Heilige alleweil nur dem Hiesel zulieb’, wenn er sich zu mir wendet. Und darum lasst Euch ein Bildstöckel von ihm schenken, dann habt’s auch Ihr allemal einen Treffer!“
Von der Stund’ an dachte die Zirblerin darüber nach, wie sie’s wohl anfangen möcht’, den alten Starrkopf zum ersten Wörtel zu bringen, denn sie als Weibsleut konnt’ doch nit anfangen — das stand bolzenfest. —
Dem Wastl sein Urlaub war abgelaufen.
Er hatte von dem Roseli Abschied genommen und geheimnisvoll gesagt: „Bet’ zum heiligen Hieronymus! Ich denk’, er bewirkt’s, dass ich im Herbst schon frei komm’.“
„Selb ist ja gar nit möglich, sagt der Schill“, schluchzte das Dirnei. „Drei Jahr’ ist das Allergenauste, was der König seinen Soldaten abverlangt.“
Wastl zog die Brauen zusammen. „Was ein richtiger Schutzpatron ist, der kann alles“, beharrte er. „Lass nur nit nach, ihn gut zu stimmen.“
Und abends, als das Roseli noch bei der Zirblerin im Garten war, und das Leinen auf der Bleiche goss, da kraxelte es wieder am Spalier vor des Roseli Fenster, und des Wastl’s Kopf taucht auf und lugt in das leere Stübchen.
Ein Mondstrahl fällt just auf das Bildstöckel, und des Burschen scharfer Blick haftet darauf und er murmelt:
„Alsdann ich sag’ dir, pfüat Gott, liebes, heiliges Hieronymusle, und ich tät dich noch einmal gemahnen an unsern Vertrag, den wir miteinander hab’n. Das Tüchel hab’ ich dir zu Ehren her’geben, und ich mein’, eine Lieb’ ist die andre wert. Ich bitt’ dich darum gar vielmal, lass mich jetzt nit im Stich, sonst werd’ ich falsch und blamier’ dich vor dem Dirnei, und sag’ ihr, woher das Tüch’l kommen ist. Gelt, liebes, heiliges Mannerl, du denkst auf dein Versprechen und schaffst mich frei!“ Und der Wastl heftete den Blick starr auf das Bild, halb demütig bittend, halb trotzig und herausfordernd.
Da kamen die Dackeln zur Haustür herausgekläfft, und der Wastl schwang sich behend zurück und sprang ab von der hölzernen Galerie, die rings um das Forsthaus lief.
Durch den Garten huschte er, hinter den knospenden Holunderstauden durch, nach dem angrenzenden Wald. Dort stand er still und lüftete die Mütze, die er fest eingedrückt hatte, und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn.
„War mir doch, als hätt’ das heilige Mannerl mit dem Kopf genickt, wie ich fort bin. O mein, ich glaub’s jetzt schon selber, dass es Wort halten wird.“
Und ein fröhliches Liedchen pfeifend, schritt der Bursch’ rüstig zu Tal, blieb an dem Tannenhügel noch einmal stehen und schickte dem Roseli den letzten Juhschrei zurück.
Der Frühling war gegangen und der Sommer gekommen, und in dem Forsthaus hatte sich wenig oder nichts verändert. Die Zirblerin und der Hiesel waren nach wie vor „verkeit“, aber das war nicht die Schuld der Frau Ambrosia, denn sie legte dem Hiesel nichts in den Weg, hielt ihn gut und gab ihm manchmal schier das Wort in den Mund, das der Alte nur auszusprechen brauchte, um wieder den Frieden herzustellen.
Aber der Hiesel sprach’s nicht, denn er war seit jeher ein „Grantiger“ gewesen, und selbst die Tränen der Zirblerin, die sie just einmal geweint hatte, als er ihren Weg kreuzte, hatten ihn nicht zu einer teilnehmenden Frage hingerissen.
Der Frau Ambrosia Sehnsucht nach einem „eignen“ Bildstöckel aber ward von Tag zu Tag grösser und machte sie mürbe, so dass sie bereits gewillt war, ihren ganzen Trotz schmelzen zu lassen, nur um des heiligen Hieronymus willen.
Aber ehrenhaft sollte ihr Rückzug sein, sonst lieber an ihrem Herzeleid zugrunde gehen.
Die Zeit rückte immer näher, wo Maria Himmelfahrt im Kalender stand, und das Susei schrieb, sogar um zwei Tage früher käme es schon mit dem Friedel, denn also passe es besser mit der Reise.
Nun waren sie wieder da!
Welch eine Freude, welch eine Aufregung! Das Bübli ward angestaunt und bewundert, wie gross und dick es sei, und es krähte und strampelte vor Lust mit den drallen Beinchen, und tat gar nicht blöde, sondern lachte alle mit den blanken, lustigen Braunaugen an, nur von der Evi Arm wollte es nicht. Das Essen war aufgetragen und hatte der Zirblerin alle Ehre gemacht, und weil das Bübli des Mittags besonders lang geschlafen, trug es die Evi noch ein Stünderl vors Haus, in den köstlich warmen, duftigen Sommerabend hinaus.
Da sassen sie alle im grossen Kreis, und der Hiesel hatte die Zither vor sich und spielte, und Friedel tanzte auf der Mutter Arm und jubelte und spielte über die Schulter hinweg „Kuckuck!“ mit dem Hiesel, aber zu ihm wollte es doch nicht, so oft er auch die Hände nach ihm ausstreckte und mit den Fingern winkte.
„Die Musik lockt’s nit!“ sagte die Zirblerin laut, „nun lasst einmal sehn, ob ich mehr Glück hab’, wie der Hiesel!“ Und sie trat vor das Bübli, griff in die Ledertasche, zog ein goldgelbes Küchlein und hielt es ihm hin.
„Kommst zu mir, Friedel? Guck, — dann kriegst’s!“ Das dralle Bürschlein schien von dem Anblick des leckeren Gebäcks wie elektrisiert, er griff und haschte danach und quiekste hell auf vor Vergnügen, wollte gern hin und hatte doch nicht den Mut dazu, — und die Zirblerin lockte immer dringlicher und hielt ihm den Kuchen ans Mündchen und sprach: „Na, dann leck’ mal — und schmeck’, wie gut es ist — und dann kommst, gelt?“
In dem Augenblick aber stand der Hiesel auf der andern Seite, schnalzte mit der Zunge und hob jäh ein schneeweiss geschnitztes hölzernes Hirschel empor.
„Ein Jager halt’s mit dem Wild! Kommst nit lieber zu mir, mein Hascherl?“ rief er, und der Friedel krähte hell auf, warf das Küchlein, an dem er gierig geleckt, mit allen Zeichen des Unmuts von sich weg und verlangte mit beiden Ärmchen zu dem Alten.
Der griff es schnell, schwang es auf den Armen und liess es tanzen, und der Friedel schlug jubelnd mit dem Hirschchen gegen seine Schulter, packte derb in den Spielhahn vom Grünei und patschte mit den Grübchen-Patscherl, wo’s nur hinkam! Und dann setzte sich sein neuer Spielkamerad mit ihm nieder, und der Kleine drehte das Hirschchen in den Händen, führte es zum Munde und sagte ihm in seiner Sprache viel zärtliche Dinge, die sonst wohl kein andrer verstehen konnte: „Hm—ai—da—da—la—la—“, aber der Hiesel verstand’s doch, und die Freudentränen liefen ihm über die Wangen und der Stolz leuchtete aus seinen Augen.
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