Die Panikstörung tritt selten vor der Adoleszenz auf. Es scheint jedoch eine enge Verbindung zwischen der Störung mit Trennungsangst im Kindesalter und der Panikstörung zu geben. Die Panikstörung beeinträchtigt das Leben der Jugendlichen meist in erheblichem Maße. Entsprechend oft suchen sie nach therapeutischer Hilfe. Kurz vor Beginn der Panikstörung ist bei vielen Patienten (bei rund 80 %) ein schwerwiegendes Lebensereignis wie der Tod oder eine plötzliche, schwere Erkrankung von nahen Angehörigen oder Freunden sowie eine Erkrankung des Patienten selbst festzustellen.
Lea, 16 Jahre, besucht die neunte Klasse eines Gymnasiums. Die Eltern berichten, dass Lea über große Ängste klage, wenn sie mit der Straßenbahn oder mit einem Bus fahren solle. Sie habe einmal in einem überfüllten Bus Angstzustände erlebt und gefürchtet, keine Luft mehr zu bekommen und den Bus nicht schnell genug verlassen zu können. Seitdem verweigere sie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, weil sie fürchte, die Straßenbahn oder der Bus könnte einen Unfall haben. Inzwischen meide sie beim Einkaufen Geschäfte, in denen sich viele Menschen aufhalten. Sie äußere die Befürchtung, dann beim Auftreten von Ängsten nicht schnell genug das Geschäft verlassen zu können. Lea sei schon immer ein ängstliches Kind gewesen. Zu Beginn des Grundschulbesuchs habe sie heftige Trennungsängste gezeigt, derentwegen die Familie eine Beratungsstelle aufgesucht habe. Die Mutter selbst berichtet, dass sie an gelegentlich auftretenden Panikattacken leide. Die Situation in der Familie sei aufgrund von Leas Verhalten sehr schwierig geworden. Gemeinsame Familienunternehmungen seien kaum noch möglich. Lea müsse jeden Tag zur Schule gefahren und wieder abgeholt werden. Die Kontakte zu ihren Freundinnen seien fast alle abgebrochen.
Etymologisch setzt sich das Wort »Agoraphobie« aus den griechischen Wörtern agora (»öffentlicher Platz«) und phobos (»Furcht«) zusammen. In der Literatur des 19. Jahrhunderts taucht die Agoraphobie unter dem Begriff »Platzschwindel«, in späteren Zeiten als »Platzangst« auf.
Die Agoraphobie ist gekennzeichnet durch die Tendenz, bestimmten Situationen auszuweichen, in denen Flucht oder Vermeidung nicht möglich oder Hilfe im Fall des Auftretens von Paniksymptomen nicht verfügbar ist. Charakteristisch ist die Angst vor dem Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln, vor dem Besuch von Räumen, in denen viele Menschen sind (Kaufhäusern, Kinos und Restaurants), sowie vor dem Autofahren oder dem Benutzen von Fahrstühlen. Die Jugendlichen fürchten beispielsweise, dass der Aufzug stecken bleiben oder im Kaufhaus ein Feuer ausbrechen könnte und sie dann nicht aus der Situation entkommen könnten. Parallel besteht die Neigung, aktiv Situationen aufzusuchen, die ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Letztlich werden die Situationen als bedrohlich erlebt, die eine Entfernung von einem »sicheren Ort« (meistens dem Zuhause) oder eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit bedeuten – bildlich gesprochen, die Situationen, bei denen sie »in der Falle sitzen«. Eine solche Angst führt im Allgemeinen zu einer anhaltenden Vermeidung vieler Situationen, wodurch die Fähigkeit, zur Schule zu gehen und an Aktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen, beeinträchtigt wird. In manchen Fällen können die Betroffenen die Situationen nur in Begleitung einer anderen Person durchstehen.
Die Agoraphobie ist eine Angststörung, die im Kindes- und Jugendalter sehr selten auftritt und erst im jungen Erwachsenenalter einen ersten Auftretensgipfel erreicht. Erst im DSM-III wurde sie als eigenständige phobische Störung aufgeführt, die mit oder ohne Panikattacken einhergehen kann.
Ben, der die Klasse 5 besucht, wird vorgestellt, da er seit einem Jahr vor jeder Klassenarbeit schon morgens über Bauch- und Kopfschmerzen klagt und dann halb trotzig, halb jammernd die Eltern bittet, ihm eine Entschuldigung zu schreiben, damit er zu Hause bleiben kann. Die Nächte vor einer Klassenarbeit, so berichtet er, habe er kein Auge zugetan und immer an die Klassenarbeit denken müssen. Die letzten Arbeiten seien sehr schlecht ausgefallen, auch dann, wenn die Eltern sich zuvor überzeugt hätten, dass er den Schulstoff beherrsche. Ben berichtet weiter, dass er bei Klassenarbeiten in letzter Zeit oft vor dem Heft sitze und »ein Brett vor dem Kopf« habe, dass er »gar nichts denke« oder dass ihm ständig dieselben Gedanken durch den Kopf gehen würden, wie: »Du schaffst das sowieso nicht!« »Jetzt habe ich alles vergessen!« »Die Aufgaben sind viel zu schwer!« »Wäre ich doch nur zu Hause geblieben!« In der letzten Zeit habe Ben immer häufiger geklagt, er wolle gar nicht mehr zur Schule gehen, er sei ein Versager.
Prüfungsangst ist nach Federer (2004, S. 346 f.) ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt, das die individuelle Bereitschaft beschreibt, auf Prüfungssituationen mit einem Übermaß von Sorge, mit physiologischer Erregung, mit mentaler Desorganisation und mit als unkontrollierbar erlebten, selbstwertbedrohlichen Gedanken zu reagieren. Die Prüfungsangst kann zur Vermeidung von schulischen Tests führen, die bis zum Schuleschwänzen gehen kann. Anders als bei anderen Ängsten wird die angstauslösende Situation aber eher selten vermieden. Die Konfrontation mit der Prüfungssituation bewirkt jedoch nicht eine Reduktion der Angst, wie das wegen der Exposition zu erwarten wäre. Denn die Folgen der Prüfungsangst führen zu schlechten Prüfungsleistungen und damit zwar nicht zu der befürchteten Katastrophe, aber doch teilweise zum Eintreffen der befürchteten Konsequenzen.
In den Diagnosesystemen DSM und ICD wird die Prüfungsangst nicht genau zugeordnet. Sie kann ein Symptom der sozialen Phobie sein. »Soziale Phobie« beschreibt aber grundsätzlich eine Angststörung, bei welcher zahlreiche Situationen des zwischenmenschlichen Kontakts als Prüfungssituation wahrgenommen werden. Dabei steht die Angst, man könnte ein unpassendes Verhalten zeigen, mit dem man sich blamieren könnte und vor anderen als dumm, unbeholfen und schwach dastehen würde, im Vordergrund. Schneider (2004c) empfiehlt, die Prüfungsangst der Diagnose der spezifischen Phobie im Sinne einer Phobie vor schulischen Bewertungssituationen zuzuordnen. Als mögliche Alternative verweist sie auf die Diagnose der generalisierten Angststörungen, falls eine intensive und übermäßige Sorge und furchtsame Erwartung bezüglich mehrerer Ereignisse oder alltäglicher Tätigkeiten und Sachverhalte wie Pünktlichkeit, Hausaufgaben, Schulnoten, schulischer Erfolg und die eigene Zukunft im Vordergrund stehen.
Prüfungsangst ist ein weit verbreitetes Problem, über das von der Hälfte aller Kinder und Jugendlichen berichtet wird. Kinder mit Prüfungsangst weisen signifikant schlechtere schulische Leistungen auf als ihre Altersgenossen ohne Prüfungsangst. Darüber hinaus betrachten sie sich selbst als weniger sozial kompetent, haben eine geringere Selbstachtung und sorgen sich mehr als andere Kinder. Ungefähr die Hälfte der Kinder mit Prüfungsangst erfüllen die Kriterien einer Angststörung.
Leonie, fünf Jahre, wird morgens um 4:00 Uhr in der Frühe wach, schreit, ist nass geschwitzt und weiß nicht, wo sie ist, bis ihre Mutter oder ihr Vater das Licht anmacht. Sie drängt ins Bett der Eltern. Dort auf ihren Traum angesprochen, erinnert sie sich: Sie musste um ihr Leben rennen, wurde verfolgt von einer Gestalt, die sie in ein dunkles Tuch wickeln und wegtragen wollte. Leonie stolperte, fiel zu Boden, fühlte schon die Hand des unheimlichen Mannes – und wachte auf.
Der Begriff »Albtraum« kommt von Alb oder Alben. Alben (Elfen) waren in der germanischen Mythologie für die (schlechten) Träume zuständig. Man stellte sich bildlich die Alben meist in menschenähnlicher Gestalt auf der Brust des Schlafenden hockend vor, was ein unangenehmes Druckgefühl auslöste, daher auch die ältere Bezeichnung Alb druck .
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