»So viel nötig ist«, erwiderte sie in gereiztem Ton, weil ich überhaupt gefragt hatte.
Ich ließ mich also wieder in den Schalensitz meines El-Camino-Transporters zu einer langen Belagerung auf Rädern sinken, folgte Trahearne von Bar zu Bar, auf allen Straßen, die seine Laune ihm eingab. Ich wieselte dahin wie ein aufgeregter junger Jagdhund, nur um seine Witterung nicht zu verlieren, folgte ihm, während er weiterzog, einem Sturmwind zugewandt, den nur er spürte, sein Ohr gespitzt, um die Melodie eines fernen Liedes zu vernehmen, das nur er hörte.
Bis zur Mitte der zweiten Woche hatte ich dasselbe hohe, einsam-scharfe Pfeifen in der Brust, und hätte ich das Geld nicht so dringend gebraucht, ich hätte Abraham Trahearne vielleicht zum Teufel fahren lassen, eine Willie-Nelson-Kassette in den Rekorder gesteckt und versucht, in einem eigenen Whiskey-Strom zu ertrinken. Aber ich werde dafür bezahlt, Leute zu finden, nicht dafür, mich zu verlieren; deshalb hielt ich seine Spur wie ein alter Jagdhund, der hinter letzten Waschbären her ist.
Und es machte mich noch verrückter als Trahearne. Ich sah mich Gespenster über graue Bergpässe verfolgen und hinab durch grüne Täler, die gesprenkelt waren mit Spätfrühlingsschnee. Ich fing an, in denselben Motelbetten zu schlafen, die er benutzt hatte, bemüht, ihn im Traum heraufzubeschwören, fing an, mich in denselben Bars zu betrinken, in der Hoffnung auf eine Whiskey-Vision. Sie kamen auch, diese tristen Motelträume, die Whiskey-Visionen, aber sie stammten aus meiner eigenen verwehten Vergangenheit. Was Trahearne anging, hatte ich keinen Anhaltspunkt.
Einmal bumste ich sogar dieselbe traurige junge Hure auf einem Wohnwagenplatz draußen in der Wüste von Nevada. Sie war ein zerbrechliches, mageres kleines Ding aus Cincinnati und hatte ihre Goldmine hinaus in den Westen geschafft, damit diese dort vielleicht mehr bringe, aber ihr Schacht war eingestürzt, ihre Adern erschöpften sich, und die Kanülenspuren an ihren dünnen Armen sahen aus, als stammten sie von einem rostigen Pickel. Nachdem ich zu viele Nächte zielloser Barhocker-Begierde inmitten ihrer Glieder gestillt hatte, fragte ich sie noch einmal nach Trahearne. Sie sagte zuerst gar nichts, sondern lag nur auf ihrem zerdrückten Bettzeug, rauchte Hasch und starrte durch die Aludecke in die kalte Wüstennacht.
»Glaubst du, dass wir wirklich auf dem Mond gewesen sind?«, fragte sie ernsthaft.
»Weiß ich nicht.«
»Ich auch nicht«, flüsterte sie in den Rauch hinein.
Ich knöpfte meine Levi’s zu und floh in die Wüste hinaus, in eine von Mondlicht und Schatten zersprengte Landschaft.
In Reno verlor ich dann die Fährte, musste die Stadt in immer größer werdenden Schleifen umkreisen, mit Barmännern und Tankwarten reden, bis ich in Truckee einen fand, der sich erinnerte, dass der große Mann in seinem Cadillac-Cabrio nach den Schlammbädern von Calistoga gefragt hatte. Der Schlick war noch warm, als ich hinkam, aber seine Fährte so kalt wie die Augen der alten Leute, die rund um die Thermalbäder starben.
Als ich Trahearnes Ex-Frau anrief, um mein Scheitern einzugestehen, erklärte sie mir, sie hätte eine Ansichtskarte mit der Golden Gate Bridge und einem rätselhaften Spruch von ihm bekommen. Als bester Freund des Mannes gilt der Hund, doch kennt sein Durst kein Ende, seine Tasche keinen Grund.
»Trahearne hat eine seltsame Zuneigung zu Hunden«, erzählte sie, »vor allem zu solchen, die nicht nur Kunststücke können, sondern auch trinken. Einmal hat er drei Wochen in Frenchtown, Montana, verbracht, um mit einem Köter zu trinken, der eine winzige verbeulte Offiziersmütze, Sonnenbrille und eine Maiskolbenpfeife trug. Trahearne sagte, sie hätten bei Brombeerlikör den Feldzug im Pazifik besprochen.«
Ich antwortete, es sei ihr Geld, und wenn sie wünsche, dass ich in der Bay Area herumwanderte und nach einem saufenden Barhund suche, würde ich das gern tun. Das wolle sie, sagte sie, also hängte ich ein und fuhr nach San Francisco, ein schlauer Detektiv, einem trinkenden Barköter dicht auf den Fersen, ein Narr im Auftrag einer Verrückten.
Ich hätte mir denken müssen, dass es in der Stadt der Lichter von Barkötern wimmeln würde – tanzende Hunde und singende Hunde, sogar halluzinierende Hunde –, sodass ich erst drei Tage später, während ich mit einem rosaroten Pudel in Sausalito Gimlets trank, von der Bier trinkenden Bulldogge bei Sonoma erfuhr.
Das alte Holzhaus stand fünfzig Meter abseits der Straße nach Petaluma, und Trahearnes roter Cadillac war davor abgestellt. Früher war das einmal eine Tankstelle gewesen. Eine kleine Herde herrenloser Autos stand bis zu den Hälsen im staubigen Sudangras und Unkraut, und die leeren Höhlen der Scheinwerfer träumten von Pegasus und Asphaltflug. Das Lokal hatte nicht einmal einen Namen, nur ein verblasstes, an der windschiefen Veranda hängendes Schild, das BIER versprach. Die alten Benzinpumpen mit ihren Glasaufsätzen waren längst auf und davon – vielleicht nach Sausalito, um einen Antiquitätenladen zu eröffnen –, aber die rostigen Bolzen ihrer Sockel ragten immer noch aus dem Beton wie Fingerknochen aus einem flachen Grab.
Ich hielt neben Trahearnes Caddy, stieg aus, um mir die Meilen aus den Beinen zu schütteln, dann ging ich aus der Frühlingssonne in den staubigen Schatten der Kneipe. Das war der Ort, den ich auf meiner eigenen Wander-Sauftour aufgesucht hätte, um wie eine Murmel in einem Spalt eingeklemmt zu bleiben, eine Zuflucht für Okies aus Kalifornien und Texaner im Exil, ein Heim für Leute vom Land, die erst vor Kurzem enteignet wurden und deren Augen von Hoffnung so entleert waren, dass sie heißen, winddurchfegten Ebenen glichen, kargen, beinahe biblisch weiten, nur vom Rückgrat eines verwaisten Schaukelstuhls unterbrochenen Horizonten. Das hätte ebenso gut mein Heim sein können, eines, wo ein Mann in Langeweile trinken und in Heftigkeit bereuen und um den Preis für ein Glas Bier Vergebung erlangen konnte.
Nachdem ich überlegt hatte, steckte ich meine Münze wieder in die Tasche und ging zur Theke zurück, um noch ein Bier zu bestellen. Ich hatte auf dem ganzen Weg dies oder jenes von Trahearne entdeckt und kam mir vor wie ein alter Freund. Es wäre eine Schande gewesen, ihn nicht zu genießen, nicht ein paar Bier mit ihm zu trinken, bevor ich seine Ex-Frau anrief und der Sache ein Ende machte. Sooft ich jemanden gefunden hatte, war ich immer der Meinung gewesen, ich verdiente als Bezahlung mehr als Geld. Das war immer der traurigste Augenblick der Jagd, das stumme Warten auf die bedauernden Eltern oder das zornige Ehegespons oder die Polizei. Das Verfahren war schön, aber das fertige Produkt immer hässlich. In meinem Beruf braucht man eine moralische Gewissheit, die zu besitzen ich längst nicht einmal mehr behauptete, und jedes Mal, wenn eine Jagd zu Ende ging, wäre ich am liebsten weggegangen.
Aber noch nicht jetzt, nicht diesmal. Ich lehnte mich an die Theke und bestellte noch eine Flasche Bier. Als das Barmädchen sie hinstellte, huschte ein großer schwarzer Kater auf der Theke heran, um die Feuchtigkeit am langen Hals zu beschnuppern.
»Trinkt die Katze auch Bier?«, fragte ich das Barmädchen.
»Schon lange nicht mehr«, antwortete sie mit einem Grinsen, während sie mit dem tropfnassen Thekenlappen nach dem Kater schnalzte. Er sah sie böse an, dann lief er gemächlich die Theke entlang, vorbei an Hund und Trahearne, wobei sein Schwanz über Trahearnes teilnahmsloses Gesicht strich.
»Das Viech hat gesoffen wie’n Fisch, ist aba zu viel Ärger gewor’n. Wie der olle Lester da«, sagte sie und wies mit dem Kinn auf den Baumschatten-Mechaniker mit den meisten Zähnen. »Er verträgt’s nich. Er is so gemein besoffen gewor’n und dahergewankt, dass er überall da, wo’s nich gepasst hat, ’s Rumhur’n anfing.« Das Barmädchen warf dem ollen Lester einen scharfen, vielsagenden Blick zu, dann begann sie freudig zu gackern.
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