1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Es fiel ihm schwer, seine Gedanken von ihr loszureißen. Erst als er in die Harthauserstraße einbog, wurde ihm klar, daß er besser daran täte, seine Gedanken auf das bevorstehende Gespräch mit seinen Eltern zu konzentrieren.
Er parkte vor der Einfahrt. Die Villa seiner Eltern, ein mächtiger weißer Würfel, lag inmitten eines parkartigen Gartens. Die Aktentasche mit den Unterlagen in der Hand, lief Peter um das Haus herum, die Stufen zur Terrasse hinauf. Er klopfte gegen das Glas der offenen Flügeltür und rief: „Hallo! Hier bin ich! Guten Morgen!“
Die Eltern saßen am Frühstückstisch. Gerda Hartmann sprang hastig auf, der Tisch kam ins Schwanken, Kaffeetassen klirrten. „Peter!“ rief sie. „Wir haben uns gestern abend solche Sorgen um dich gemacht!“
Er küßte seine Mutter zärtlich auf die Wange. „Lieb von euch, aber absolut unnötig! ’n Morgen, Papa!“
„Was war los gestern abend?“ fragte Paul Hartmann energisch. „Hast du eine Panne gehabt?“
„Nein . . . wir sind mit dem Aufzug steckengeblieben!“
„Wer wir?“ fragte Herr Hartmann.
„Eine Sekretärin von Dr. Brettschneider und ich. Die Alarmanlage hat auch nicht funktioniert. Wir haben gewartet und gewartet, aber niemand kümmerte sich um uns. Schließlich wurde es mir zu dumm, und ich bin hinausgeklettert.“
„Und das Mädchen?“ schaltete sich Frau Hartmann ein.
„Habe ich natürlich auch herausgeholt.“
„Und dann“, fragte Frau Hartmann, „seid ihr zusammen etwas trinken gegangen, um euch von dem Schreck zu erholen, ja? Ich verstehe das alles, Peter, aber ich finde doch, du hättest gleich anrufen sollen!“
„Tut mir leid, Mama, aber . . .“
Herr Hartmann unterbrach ungnädig. „Hast du die Unterlagen?“
„Ja. Hier.“ Er klopfte auf die Aktentasche, die er noch immer in der Hand hielt. „Dr. Brettschneider hat den Vertrag vorbereitet.“
„Das Gespräch mit den Chemieleuten ist auf heute vertagt.“
„Waren die Herren sehr ungehalten?“ fragte Peter lächelnd. Aber er fühlte sich etwas unsicher. Die Ruhe seines Vaters kam ihm nicht ganz geheuer vor.
„Ich habe die Chemieleute mit einer Flasche französischem Kognak und ein paar guten Zigarren bei Stimmung gehalten. Die Auslagen dafür ziehe ich dir vom nächsten Gehalt ab.“
„Papa meint es nicht so, Peter“, sagte Frau Hartmann rasch. „Das ist nur wieder einer seiner Witze. Wir sind ja beide froh, daß dir nichts passiert ist. Auch Gisela war ganz besorgt, als ich ihr von deinem Verschwinden erzählte!“
Peter Hartmann setzte sich an den Frühstückstisch und goß sich Kaffee ein. „Wie kommst du eigentlich dazu, ihr irgend etwas über mich zu erzählen?“
„Aber Peter, wir wußten doch nicht, wo du warst!“
Peter Hartmann lachte. „Mama, da hast du mich ausgerechnet bei Gisela vermutet?“
„Ja! Als wenn das so abwegig wäre! Schließlich ist Gisela ein reizendes Mädchen und . . .“
Peter legte das Wurstbrot auf den Teller zurück. „Sag mal, Mama, wann wirst du endlich aufhören, mich verkuppeln zu wollen! Meine Freundinnen habe ich mir bisher immer selbst ausgesucht. Und auch die Frau fürs Leben werde ich allein finden . . .“
„Ich hoffe nur“, sagte Frau Hartmann, „sie wird aus unseren Kreisen sein!“
„Zu was für einem Kreis gehören wir denn, Mama?“ fragte Peter hitzig. „Was unterscheidet uns deiner Meinung nach von anderen Menschen? Papa ist reich, das ist alles. Ich finde es vorteilhaft, Geld zu haben, aber das gibt uns doch nicht das Recht . . .“
„Schluß der Debatte“, erklärte Herr Hartmann. Er stand auf.
„Aber Paul“, rief seine Frau, „bist du nicht auch der Meinung . . .“
„Da du schon danach fragst: Ich gestehe Peter jedes Recht zu, sich zu amüsieren, solange seine Arbeit nicht darunter leidet. Man ist nur einmal jung. Kein vernünftiger Mann sollte an Heirat denken, bevor er dreißig ist.“
„Aber Papa“, wandte Peter ein, „das gilt doch nicht für jeden. Ich zum Beispiel . . .“
„Mein Sohn“, unterbrach Herr Hartmann, „laß dir eines sagen: Jedes Mädel, das sich in dich verliebt – egal, ob aus einem armen oder einem reichen Haus –, meint nicht nur dich, sondern auch die Millionen deines Vaters. Deshalb bin ich unbedingt dafür, daß du mit einer festen Bindung wartest, bis du genügend Menschenkenntnis besitzt, um Schein und Sein zu unterscheiden.“ Herr Hartmann schlug seinem Sohn kameradschaftlich auf die Schulter: „So, Junge, jetzt kennst du meine Einstellung!“ Er sah auf die Uhr. „Zeit, daß wir ins Büro kommen. Übrigens, zu deiner Information: Die Vertragsbesprechung mit den Herren vom Chemiekonzern findet um sechs Uhr statt.“
Peter erschrak. Ihm fiel seine Verabredung mit Sabine ein. „Muß ich dabeisein?“ fragte er vorsichtig.
„Ich lege sogar größten Wert darauf. Oder hast du etwas Wichtiges vor?“
„Nein...“, antwortete Peter zögernd und dachte: Was mache ich bloß mit Sabine?
„Na also!“ brummte Paul Hartmann und ließ sich von dem Dienstmädchen Hut, Mantel und Aktentasche bringen. „Ich werde nämlich ungemütlich, wenn wieder zufällig ein Fahrstuhl stekkenbleibt. Ich hoffe, wir verstehen uns, mein Sohn.“
„Ja, Papa.“ Peter stand nachdenklich vom Tisch auf. Ich kann Sabine nicht stundenlang am Nationaltheater stehen lassen, überlegte er. Sie muß Bescheid wissen. In der Anwaltskanzlei anrufen? Nein, geht nicht! Das gibt Ärger mit Brettschneider, und überhaupt . . . Bleibt nur eins: Erich muß das erledigen.
Das erste, was Peter im Büro tat – er rief seinen Freund Erich Krüger an. Er mußte gut drei Minuten warten, bis Erich, der ein möbliertes Zimmer bei einem alten kinderlosen Ehepaar gemietet hatte, an den Apparat kam.
„Na endlich!“ sagte Peter Hartmann. „Wie geht’s dir, alter Junge?“
Erich Krüger gähnte kräftig in den Telefonhörer hinein. „Verdammt früh . . .“
Peter lachte. „Du hast wohl wieder mal die ganze Nacht lang gesoffen.“
„Die halbe Nacht!“ verteidigte Erich sich. „Und ich hatte auch einen Grund zum Saufen . . . Mein alter Herr hat mir einen wüsten Brief geschrieben. Wenn ich nicht bis Semesterschluß meine Prüfungen mache, will er mir den Wechsel streichen.“
„Und warum machst du sie nicht? Schließlich studierst du schon lange genug. Wir fingen doch zusammen an. Und ich bin schon seit einem guten Jahr fertig.“
„Vor einem Jahr“, behauptete Erich Krüger, „hätte ich die Prüfungen auch machen können. Sogar mit Leichtigkeit. Aber damals hatte ich keine Lust. Warum sollte ich mich beeilen? Das hätte doch nur den Effekt gehabt, daß ich München verlassen und ins heimatliche Kaff hätte zurückkehren müssen. Also hab’ ich mir Zeit gelassen. Und jetzt habe ich das meiste, was ich gelernt habe, wieder vergessen.“
„Ach, das wird dir schon alles wieder einfallen, wenn du dich richtig dahinterklemmst. Bis zum Frühjahr gibt dir dein alter Herr bestimmt eine Gnadenfrist.“
„In diesem Sinn habe ich meinem alten Herrn auch schon geschrieben.“
„Na also.“ Peter Hartmann wollte nun endlich von seiner eigenen Sorge sprechen. „Übrigens, falls du im Augenblick nicht allzu tief in der Arbeit steckst . . .“
„Noch nicht.“
„Sehr gut. Dann könntest du mir einen Gefallen tun. Ich habe mich mit einem Mädchen verabredet . . .“
„Und jetzt willst du sie abschieben?“
„Im Gegenteil. Ich bin geschäftlich verhindert, und ich möchte sie nicht vergeblich warten lassen. Wir sind für heute abend um sieben vor dem Nationaltheater verabredet.“
„Und warum rufst du die Kleine nicht einfach an?“
„Sie hat kein Telefon.“
„Pech. Und jetzt soll ich dich wohl vertreten?“
„Mach keinen Quatsch!“ Peters Stimme wurde plötzlich laut. „Laß die Finger von diesem Mädchen!“
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