Marie Louise Fischer - Alle Liebe dieser Welt

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Elen Krone ist Geschworene im Mordprozess gegen Carola Groß, die die Geliebte ihres Mannes Heinrich – Annabelle Müller – vergiftet haben soll. In einem alten Fotoalbum stößt die frisch verheiratete Ellen zufällig auf ein Bild, das ihren Mann Peter mit der schönen und verführerischen Annabelle zeigt. Schlagartig wird ihr bewusst, dass Peter mehr über Annabelles Mord weiß, als er zugeben will, und dass Carola Groß wahrscheinlich zu Unrecht auf der Anklagebank sitzt. Aber was bedeuten diese Überlegungen für ihre Ehe mit Peter? Wie geht Ellen mi diesen Zweifeln Peter gegenüber um?Marie Louise Fischer wurde 1922 in Düsseldorf geboren. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Lektorin bei der Prag-Film. Da sie die Goldene Stadt nicht rechtzeitig verlassen konnte, wurde sie 1945 interniert und musste über eineinhalb Jahre Zwangsarbeit leisten. Mit dem Kriminalroman «Zerfetzte Segel» hatte sie 1951 ihren ersten großen Erfolg. Von da an entwickelte sich Marie Louise Fischer zu einer überaus erfolgreichen Unterhaltungs- und Jugendschriftstellerin. Ihre über 100 Romane und Krimis und ihre mehr als 50 Kinder- und Jugendbücher wurden in 23 Sprachen übersetzt und erreichten allein in Deutschland eine Gesamtauflage von über 70 Millionen Exemplaren. 82-jährig verstarb die beliebte Schriftstellerin am 2. April 2005 in Prien am Chiemsee.-

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Marie Louise Fischer

Alle Liebe dieser Welt

Roman

SAGA Egmont

Alle Liebe dieser Welt

Alle Liebe dieser Welt (Die Geschworene)

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S

Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, ( www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de)

Originally published 1965 by Lichtenberg Verlag, Germany

All rights reserved

ISBN: 9788711718377

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.comund Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

1

Der Himmel über München war bedeckt. Dicke graue Wolken schoben sich träge vorwärts. Auf der Zuschauerterrasse des Flughafens wehte ein scharfer Wind, riß an Mänteln, Röcken, Kopftüchern.

Ellen Krone zog den Knoten ihres goldfarbenen Seidentuches fester, schlug den Kragen ihres braunen Wildledermantels hoch. Sie warf einen besorgten Blick auf ihre Armbanduhr. Die Maschine aus Tokio-Hongkong-Karachi-Kairo-Rom hatte jetzt schon nahezu zwanzig Minuten Verspätung. Aber das mußte nichts zu bedeuten haben.

Obwohl Ellen Krone sich das wieder und immer wieder sagte, konnte sie nicht verhindern, daß ihr Herz heftig, fast schmerzhaft gegen die Rippen schlug. Sie grub die Zähne in die volle Unterlippe, ihre tiefblauen Augen waren weit und angstvoll geöffnet, die Hände, die sie in die Taschen ihres Mantels geschoben hatte, fest geballt.

Seit drei Wochen hatte sie ihren Mann jetzt nicht mehr gesehen, nicht einmal mehr gesprochen, denn die Telefonverbindungen mit Karachi waren schlecht; jede Anmeldung mit tausend Umständlichkeiten verbunden. Es war die erste Trennung in ihrer jungen Ehe gewesen, und Ellen Krone hatte darunter gelitten. Aber niemals so sehr wie in diesen letzten Minuten, da das Wiedersehen endlich in erreichbare Nähe gerückt war.

Sie holte tief Atem, es war ihr, als könnte sie dies quälende Warten, diese angstvolle Erwartung nun keine Sekunde länger ertragen. Vielleicht war es doch besser, sie ging nach unten, kaufte eine Zeitung, versuchte sich abzulenken.

Aber gerade in diesem Augenblick durchbrach ein Jet, noch winzig klein und sehr weit entfernt, die Wolkendecke, näherte sich in einem riesigen Bogen den Rollbahnen.

Das ist die Maschine, durchfuhr es Ellen Krone, das muß sie sein! Sie drängte sich nach vorn, ihre Hände umfaßten krampfhaft das eiserne Gitter.

Dann hatte das Flugzeug aufgesetzt, rollte auf das Flughafengebäude zu, kam zum Stillstand. Die Treppen wurden herangefahren, die Türen geöffnet. Peter Krone war unter den ersten, die die Maschine verließen.

»Peter!« rief Ellen Krone. »Peter!« – Sie wußte, daß der Wind ihr die Worte vom Mund riß, daß ihr Ruf vom Lärm der Motoren übertönt wurde, aber sie konnte sich nicht zurückhalten, mußte ihren Gefühlen Luft machen. Sie riß sich den seidenen Schal von ihrem dunklen, glänzenden Haar und winkte damit.

Aber ihr Mann sah sie nicht. Breitschultrig und aufrecht, eine sehr männliche Erscheinung in seinem kurzen, eng gegürteten Trenchcoat, schritt er in der Gruppe der Passagiere, die von einer Stewardeß angeführt wurde, über den betonierten Platz auf das Fluggebäude zu, das kantige Kinn vorgeschoben, das blonde Haar vom Wind zerzaust.

Ellen Krone wünschte so sehr, daß er zu ihr hochschauen, ihren Gruß erwidern würde. Aber er tat es nicht.

Sie schalt sich eine Närrin. Für ihn war eine Auslandsreise nichts Ungewöhnliches. Er benutzte seit Jahren Flugzeuge mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie andere Menschen in Omnibusse steigen. Bestimmt kam er gar nicht auf den Gedanken, daß sie seine Ankunft auf der Zuschauerterrasse erwartet haben könnte.

Jäh wurde sie von der Angst ergriffen, ihn zu verpassen. Sie drehte sich auf dem Absatz um, drängte sich zurück, öffnete die schwere Tür, lief über die Galerie, die Treppe hinunter, durch die Halle, an den Schaltern vorbei und zum Luftsteig A.

Aufatmend stellte sie fest, daß die gläserne Tür zum Zollraum noch geschlossen war. Sie öffnete ihre Handtasche, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel auf ihr vom Wind sanft gerötetes Gesicht, fuhr sich mit dem Kamm durch die dunkelglänzenden Locken. Sie öffnete den Mantel, legte sich den goldfarbenen Schal um den Hals, knöpfte ihn wieder zu.

Als sie die Augen hob, kamen gerade die ersten Gepäckträger aus dem Zollraum, schoben die mit Koffern beladenen eisernen Karren vor sich her, dann folgten zwei Amerikanerinnen, ein Asiate mit gelbem Gesicht, hochstehenden Bakkenknochen, fröstelnd in seinem gutgeschnittenen Mantel – und dann er, ihr Mann, Peter Krone.

Sie sahen sich im gleichen Augenblick. Er blieb stehen, wandte sich ihr zu, lächelnd, braungebrannt, ein wenig erschöpft, mit ausgestreckten Händen. Die Umwelt versank, sie flog in seine Arme, klammerte sich an ihn.

»Endlich«, stammelte sie, »endlich …«

Er legte seine Hand unter ihr Kinn, hob sanft ihr Gesicht zu sich auf. »Sehnsucht gehabt?«

»Und wie!« erwiderte sie lächelnd unter Tränen, die sie nicht zurückhalten konnte.

»Ich auch«, sagte er und zog sie beiseite, um Passagieren und Gepäckträgern den Weg frei zu geben. »Hast du alle meine Briefe bekommen?«

»Viele«, sagte sie, »ob es wirklich alle waren, weiß ich natürlich nicht!« Sie tupfte sich mit ihrem Taschentuch die Tränen aus den Augen. »Ich habe dir jeden Tag geschrieben …«

»Ich weiß!« Er schob seinen Arm unter ihren Ellenbogen. »Und ich habe sie alle aufbewahrt …« Er klopfte mit der linken Hand auf seine Brusttasche. »Damit wir sie später einmal zusammen lesen können. Wenn wir beide alte Leute geworden sind.«

Sie lachte. »Daran denkst du schon heute?«

»Ja, und ich stelle mir das sehr schön vor.«

Sie traten nebeneinander auf den Vorplatz des Flughafengebäudes.

»Wo hast du den Wagen?« fragte er.

»Noch geparkt. Ich hole ihn.« Aber trotz dieses Vorsatzes konnte sie sich nicht so ohne weiteres von ihm trennen, stellte sich, obwohl sie selber durchaus nicht klein war, auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuß auf die Nasenspitze. »Bis gleich!«

Er sah ihr nach, wie sie – sehr rank und sehr schlank – zwischen den Reihen der parkenden Autos hindurchschritt, und seinen Mund umspielte ein leises Lächeln voller Zärtlichkeit.

Der Gepäckträger, der bisher geduldig gewartet hatte, rief ihn nun wieder in die Wirklichkeit zurück. Peter Krone entlohnte den Mann, wartete, bis Ellen vorfuhr, ausstieg und den Kofferraum des Zweisitzers öffnete. Er legte seinen großen Tropenkoffer hinein, auch seine Aktentasche. Ellen schloß ab.

»So, jetzt werde ich fahren«, sagte er, »gib mir die Schlüssel ….«

»Soll ich nicht lieber …?«

»Nein. Erst wenn ich am Steuer meines Wagens sitze, habe ich richtig das Gefühl, wieder zu Hause zu sein!«

Sie stiegen ein.

Als er die Bremse gelöst und in den ersten Gang geschaltet hatte, sagte er: »Übrigens, glaube nur nicht, daß ich mit leeren Händen komme … Ich habe dir etwas Schönes mitgebracht!«

»Was denn?«

»Ich zeig’s dir zu Hause. Versuch nur nicht zu raten. Das bekommst du doch nicht heraus.«

»Ist es so etwas Besonderes?« fragte sie erwartungsvoll.

»Ja und nein.«

Sie hatten den Parkplatz des Flughafengebäudes hinter sich gelassen und die Zufahrtsstraße zur Stadt erreicht.

»Ich habe auch eine Überraschung für dich«, erklärte sie strahlend.

»Ein besonders gutes Essen?«

»Das sowieso.«

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