1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 „Schrei doch nicht so . . .“, erwiderte Erich träge. „Ist es denn was Ernstes?“
„Es könnte ernst werden.“
„Seit wann kennst du sie denn?“
„Seit gestern.“
Erich Krüger gähnte wieder. „O diese Jugend!“
„Erich, hör zu! Du gehst also hin und entschuldigst mich. Sag ihr, ich werde mich morgen bei ihr melden, zu Hause. Oder ich hole sie vom Büro ab.“
„Und wie sieht sie aus? Das mußt du mir schon verraten, denn sonst kann ich sie ja nicht erkennen.“
„Sie hat wunderschönes aschblondes Haar, schulterlang, ein schmales Gesicht, große blaue Augen, eine schlanke biegsame Figur, das reizendste Lächeln von der Welt . . .“
„Du, Peter, dich scheint es aber ganz schön erwischt zu haben. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen.“ Erich wurde munter.
Peter Hartmann lachte. „Junge! Hände weg von Sabine! Und vielen Dank. Gib mir bitte telefonisch Bescheid, ob es geklappt hat . . .“ Peter legte auf. Erich ist doch ein netter Kerl, dachte er. Er wird Sabine den Fall erklären und ansonsten die Finger von ihr lassen . . .
Sabine Kortner erwachte an diesem Morgen in rosigster Laune. Sie ahnte nicht, welch eine Enttäuschung ihr dieser Tag noch bringen sollte.
Natürlich entging den Kolleginnen in der Kanzlei nicht die Veränderung, die mit Sabine vorgegangen war. Man stellte lauernde Fragen, Sabine lächelte nur und schwieg. Aber sie nützte die erste günstige Gelegenheit, um mit ihrem Chef zu sprechen.
„Herr Doktor“, sagte sie, „darf ich Sie bitten, mich heute pünktlich nach Hause zu lassen?“
Rechtsanwalt Dr. Brettschneider betrachtete sie mit einem Lächeln. „Wenn Sie Angst haben, noch einmal im Aufzug steckenzubleiben, können Sie ja die Treppe benutzen, Sabine.“
„Das ist es nicht, Herr Doktor . . .“
„Hm . . . Sie haben wohl eine Verabredung?“
Sabine schwieg.
„Es geht mich zwar nichts an . . .“ Brettschneider runzelte die Stirn. „Aber falls es der junge Hartmann ist, auf den Sie ihre hübschen Augen geworfen haben, so möchte ich Sie warnen.“
„Warnen?“ Sabine fühlte einen Stich im Herzen.
„Sie sind meine tüchtigste Kraft, Fräulein Kortner, das wissen Sie. Es wäre mir sehr unangenehm, wenn . . .“ Dr. Brettschneider unterbrach sich. „Na ja, Sie sind alt genug, um auf sich aufzupassen. Also gehen Sie heute pünktlich. Ich werde mich dann mit Trudi begnügen müssen.“
„Mit Trudi habe ich schon gesprochen.“
„Das war sehr umsichtig von Ihnen. Viel Spaß dann, Sabine!“
„Danke, Herr Doktor!“ sagte sie strahlend.
Punkt fünf Uhr verließ Sabine Kortner die Kanzlei und fuhr geradewegs nach Hause. Sie wusch sich das Haar, aß ein Butterbrot, während sie das nasse Haar mit einem Fön trocknete. Dann machte sie sich sehr sorgfältig zurecht. Sie wählte für das erste Rendezvous mit Peter Hartmann ein leuchtend blaues Leinenkleid mit leicht ausgestelltem Rock, großem, weißem Kragen und dekorativen weißen Knöpfen. Es betonte ihre jugendliche Anmut.
„Laß dich anschauen“, sagte Frau Kortner, als Sabine sich verabschiedete. „Gut siehst du aus!“
Sabine gab ihrer Mutter einen leichten Kuß. „Ich habe getan, was ich konnte“, sagte sie lächelnd.
„Ich hoffe nur, daß sich der Aufwand auch lohnt.“
„Hör auf zu unken, Mutti . . . Es wird heute wieder herrlich werden!“
„Hoffentlich!“ Frau Kortner hob die Stimme. „Ach, Kind, noch etwas. Wir sprachen doch gestern abend über Tante Emmy, meine Schwester. Und wenn man vom Teufel spricht . . .“
„Mutti!“
„Ja, also meine Schwester hat mir einen Brief geschrieben. Er kam heute mit der Post. Sie bittet darum, daß ich ihr eine Bescheinigung beschaffe, in der bestätigt wird, daß sie damals in dem Mütterheim, wo sie ihr uneheliches Kind zur Welt brachte, auch gearbeitet hat. Sie braucht sie für die Rentenversicherung.“
„Das kannst du doch wirklich für Tante Emmy tun“, sagte Sabine und sah ungeduldig auf die Uhr.
„Nein!“ stieß Frau Kortner hervor. „Keine zehn Pferde bringen mich in dieses Mütterheim!“
„Mutti, du bist voreingenommen. Ein Mütterheim ist doch eine gute soziale Einrichtung . . . Weißt du was? Ich werde hingehen und die Bescheinigung besorgen!“
„Ja, geh nur hin!“ rief Frau Kortner aus. „Sieh es dir genau an! Damit es dir zur Warnung dient! Damit du alles vermeidest, was dich selbst dorthin bringen könnte! Ich meine, wenn du . . .“
Sabine lächelte. „Beruhige dich doch. Und denk daran, was du mir versprochen hast. Du wolltest mich nie mehr bevormunden . . .“ Und dann sagte sie etwas, was sie früher nicht gewagt hätte: „Ich weiß nicht, wann ich heute nach Hause kommen werde. Mach dir also keine Sorgen. Und bitte, warte auch nicht auf mich . . .“
Sie hörte den tiefen Seufzer, den ihre Mutter ausstieß, und zog schnell die Wohnungstür hinter sich zu.
Fünf Minuten vor der verabredeten Zeit war Sabine vor dem Nationaltheater. Es war wieder ein schöner, warmer Spätsommerabend. Von Peter war weit und breit nichts zu sehen, aber das beunruhigte sie nicht. Sie stieg die flachen Stufen hinauf und stellte sich an eine der Säulen, so daß sie den weiten Platz gut überschauen konnte.
Sie sah plötzlich einen blonden jungen Mann in tadellos sitzendem grauen Anzug auf sich zukommen. Aber im nächsten Augenblick sah sie schon über ihn hinweg. Sie wollte sich nicht ansprechen lassen. Erst als sie aus den Augenwinkeln sah, daß der fremde junge Mann sie anlächelte, wurde sie stutzig. Sie drehte den Kopf demonstrativ zur Seite.
Da sprach er sie an. „Fräulein Kortner? Sabine Kortner?“
Langsam wandte sie sich ihm zu. „Ja, so heiße ich“, sagte sie abweisend. „Was wollen Sie von mir?“
„Ich bin Erich Krüger. Ein Freund von Peter!“
Die Enttäuschung traf sie wie ein Schlag. Ihre Hände verkrampften sich. „Er kommt nicht?“ fragte sie heiser.
„Genau!“ bestätigte Erich Krüger lächelnd. „Er hat mich quasi als Ersatz geschickt.“
„Reizend von ihm“, sagte Sabine eisig. Sie hatte sich gefangen und wandte sich zum Gehen.
Erich Krüger blieb an ihrer Seite. „Sie dürfen das nicht so tragisch nehmen“, sagte er unbekümmert. „Wenn Sie Wert auf Peters Freundschaft legen, müssen Sie sich an solche Zwischenfälle gewöhnen. Er ist nun mal ein vielbeschäftigter Knabe.“
Sabine ging schweigend weiter über den Theaterplatz.
„Er war sehr besorgt, wie Sie’s auffassen würden . . .“ Erich Krüger folgte ihr. „Deshalb hat er ja mich geschickt. Ich bin für solche Fälle zuständig, wissen Sie.“
Sabine blieb stehen und musterte ihn. Erich Krüger war ein gutaussehender junger Mann. Er hätte noch besser ausgesehen, wenn seine Züge nicht etwas weichlich und verschwommen gewirkt hätten. Er hatte eine gerade Nase, graue, leicht ins Grünliche gehende Augen, ein schwaches, fliehendes Kinn. Und ein Zug von Verbitterung war in die Mundwinkel eingekerbt.
„Herr Krüger“, stieß sie hervor. „Ich danke Ihnen für Ihre schonende Eröffnung. Bestellen Sie Herrn Hartmann einen schönen Gruß von mir und sagen Sie ihm, daß ich . . . daß ich . . .“
Sie verhaspelte sich und wurde rot vor Verlegenheit.
„Aber!“ Erich Krüger grinste. „Schönes Fräulein, warum so böse? Immerhin, der gute Peter hätte Sie ja auch einfach warten lassen können – bis Sie Schimmel angesetzt hätten!“
„Ich weiß diese überwältigende Rücksichtnahme sehr wohl zu schätzen, Herr Krüger.“ Sie sagte es, weil sie diesen blonden Playboytyp nicht mochte. Sie wollte ihn loswerden. „Leben Sie wohl!“
„Aber wo wollen Sie denn hin?“ rief Erich überrascht. „Hören Sie mal, Sabine. Sie reagieren ganz falsch. Peter hat sie geärgert – warum ärgern Sie ihn nicht wieder? Kommen Sie! Der Abend ist doch viel zu schön, um zu Hause zu sitzen und Trübsal zu blasen. Das hat Peter bestimmt nicht verdient. Ich kenn’ doch meinen Freund Peter! Mädchen sind für den nur Spielzeug. Aber ich . . .“ Er faßte Sabine am Arm. „Ich weiß da ein nettes Gartenlokal in Schwabing . . .“
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