Miriam Rieger - Die mechanischen Katzen

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Privatdetektiv Mortimer Bender, ein gefallener Engel, bekommt einen höchst ungewöhnlichen Auftrag. Zwei mechanische Katzen sind verschwunden. Dekorative Spielzeuge, weiter nichts, wie der Besitzer Hellthal versichert. Aber würde er wirklich für bloßes Spielzeug einen Detektiv anheuern? Und wieso soll einer der Diebe ausgerechnet ein Mann sein, dessen Geld ausreicht, um mindestens zehn dieser Tiere zu kaufen und die Ausgabe als Taschengeld zu verbuchen?
Auch Benders Freund, der Polizist Hartmann, steht vor einem Rätsel. Eines, das nicht geringer wird, als – rein zufällig? – auch noch eine schöne Unbekannte mitmischt.
Fast zu spät wird Bender bewusst, dass dieser Auftrag mehrere Nummern größer und gefährlicher ist als gedacht.

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Die mechanischen Katzen

Miriam Rieger

Buch 10 der Katzenreihe

Für Marion und Tom

In Erinnerung an Ben

Miriam Rieger 2020 Machandel Verlag Haselünne Charlotte Erpenbeck CoverBild - фото 1

©Miriam Rieger 2020

Machandel Verlag Haselünne

Charlotte Erpenbeck

Cover-Bild: und Illustration:bluedarkart / shutterstock.com

1. Auflage 2020

ISBN 978-3-95959-260-4

1. Kapitel

Ein Schnauben ertönte, gefolgt von einem Pfeifton, einem ohrenbetäubenden Zischen und einem Stampfen. Das Glas auf dem wackeligen Tisch fing zu zittern an.

Mortimer Bender schaute überrascht von seinen Unterlagen auf. Er kannte das Geräusch, doch war dies der letzte Ort, an dem er es vermutet hätte. Es dauerte nicht lange, und es gesellten sich weitere Laute hinzu. Trampelnde Schritte, aufgeregte Rufe, zuschlagende Türen, Gejohle. Was sich draußen abspielte, war offenbar für alle in der Nachbarschaft eine Sensation. Nun erhob sich Bender und trat ans Fenster. Wie erwartet drängten sich etliche Menschen auf den Hof, hin und her gerissen zwischen Faszination und Furcht. Verständlich, wie oft verirrte sich schon solch ein Gefährt in diese Gegend? Bender vermutete, dass dies eine Premiere war. Schwarz funkelnd mit faustdicken silbernen Nieten erhob sich das Fahrzeug vor den Schaulustigen, ein wahres Ungetüm, das unter weiterem Schnauben graue Wölkchen gen Himmel jagte. Ein Kuhfänger prangte direkt davor und musste bei jedem die Frage aufkommen lassen, ob damit andere, als zu langsam empfundene Fahrzeuge von der Straße gedrängt werden sollten. Gewundert hätte es Mortimer Bender nicht. Dies war kein normales Dampfmobil. Das Fahrzeug sah aus, als wäre bei der Konstruktion ein folgenschwerer Fehler passiert, der dafür gesorgt hatte, dass die geplante Lokomotive nicht auf den Schienen fahren durfte und stattdessen Reifen erhalten hatte.

Was mochte jemand, der sich ein solches Gefährt leisten konnte, in dieser Gegend suchen? Bender musste sich nicht umblicken, um des Kontrastes gewahr zu werden. Das Prunkfahrzeug stand inmitten einer Gegend, deren Wohnungen nicht immer über Strom verfügten und in denen es oftmals nur bei schlechtem Wetter fließendes Wasser gab, wenn der Regen über die undichten Dächer oder Fenster in die Wohnungen tröpfelte und an den Wänden herabfloss.

In dem Moment kletterte der Fahrer aus der Möchtegernlokomotive und bahnte sich seinen Weg durch die Menge, ohne diese eines Blickes zu würdigen. Der hochgewachsene Mann trug einen teuer aussehenden Mantel und hatte sich die schwarzen Haare streng nach hinten gekämmt. Dennoch ließ sich Bender vom ersten Eindruck nicht täuschen. Dieser Mann wirkte wohlhabend, war aber vermutlich nur der Chauffeur des tatsächlichen Fahrzeugbesitzers. Lange musste Bender darüber nicht sinnieren, denn kaum eine Minute später ertönte ein Klopfen an der Haustür. Ein energisches Klopfen, das sofortigen Einlass forderte.

Mit einer gewissen Neugierde öffnete er die Tür und sah sich ebenjenem Herrn gegenüber, der mit seinem Auftritt für die Sensation des Tages gesorgt hatte. Bender sah sich in seiner Vermutung bestätigt: Die Schuhe waren leicht verschlissen, auch der Mantel zeigte bei genauerem Hinsehen Gebrauchsspuren.

„Sie sind Mortimer Bender?“ Es war Frage und Antwort in einem, in militärischem Ton vorgebracht, dessen Effekt allerdings durch den nur mühsam kaschierten Dialekt verpuffte. Bender kannte diese Mundart. Hier wurde sie gesprochen, in diesen Vierteln. Er war sich so gut wie sicher, dass der Kerl sie von früher kannte – als er noch ohne Straßenlokomotive unterwegs gewesen sein musste.

„Womit kann ich behilflich sein?“

„Kommen Sie mit. Es wird zu Ihrem Schaden nicht sein.“

„Wohin und warum?“

Der Kerl warf Bender einen verächtlichen Blick zu. „Ihre Mama hat Ihnen wohl beigebracht, nicht zu fremden Männern ins Dampfmobil zu steigen?“

„Meine Mutter brachte mir vor allem bei, mich von Dampfplauderern, pardon, Fahrern nicht unnötig beeindrucken zu lassen.“

Ein finsterer Blick war die erwartete Folge, doch die Faust, die der Kerl bedrohlich hatte schwingen wollen, ließ er wieder sinken. „Sie sollten Ihre Zunge zügeln.“

„Sie sollten dasselbe mit Ihrer Faust machen und auch Ihr Arbeitgeber könnte die Art seiner Kontaktaufnahme überdenken. Zudem ist Ihnen wohl entgangen, dass es sich zum guten Ton gehört, sich vor einem Gespräch dieser Art vorzustellen?“

Der Fahrer ließ einen abschätzigen Blick durch den Raum gleiten. Bender musste ihm nicht folgen, er wusste, worauf sein Gegenüber hinaus wollte. Er war sich dessen bewusst, dass seine kleine Wohnung nur spärlich eingerichtet war. Es war klar gewesen, dass das Thema Geld eher früher als später zur Sprache kommen würde, um ihn zu überzeugen. Dennoch ließ er die Litanei über sich ergehen, dass der Besuch für ihn finanziell sicher von Vorteil sei, habe der Besitzer der Straßenlokomotive doch einen fulminanten Auftrag für ihn.

Es war eine Lüge zu behaupten, dass Bender kein pekuniär orientiertes Interesse hatte, aber tatsächlich war die Neugierde in diesem speziellen Fall der größere Reiz. Wem gehörte dieses Monstrum und vor allem: Was wollte derjenige von ihm, Bender? Was mochte ein so dringendes Anliegen sein, dass jemand, der sicher ein von hohen Mauern umzingeltes Anwesen sein Eigen nannte und womöglich über einen Horizont verfügte, der ebenso begrenzt war, ihn aus seiner Wohnung abholen ließ?

Bender stieg so nonchalant ein, als wäre eine Fahrt mit diesem Monstrum für ihn eine Selbstverständlichkeit. Stimmen folgten ihm wie erwartet. Aufgeregte Rufe, ausgestreckte Arme, die auf ihn zeigten. Köpfe, die zusammengesteckt wurden und bestimmt mutmaßten, was Bender in dem Gefährt sollte. Das Getuschel und die Gerüchte würden den Schaulustigen noch viele Stunden Unterhaltung geben.

Mit einer Neugierde, die Bender kaum verhehlen konnte, blickte er sich um. Von innen wirkte das Monstrum überraschend klein. Eine edle Sitzbank bot zwei Fahrgästen Platz. Ausstrecken konnte man die Beine nur, wenn man den Meter Körpergröße nicht überschritt. Dafür war eine komplizierte Apparatur vorhanden, die Bender erst auf den vierten Blick als Getränkespender erkannte. Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Was auch immer es war, es handelte sich um eine hochprozentige Angelegenheit, die so schmeckte, als wäre sie ursprünglich dazu gedacht gewesen, Fahrzeuge anzutreiben.

Mit Schnauben und Stampfen erwachte das Ungetüm zum Leben. Die Sitzbank begann zu vibrieren, Lärm füllte das Innere des Wagens, und dann setzte sich das Ungetüm in Bewegung. Ein heftiger Ruck drückte Bender in den Sitz. Zuerst langsam, dann immer schneller fuhr es die Straßen entlang. Die Schlaglöcher, von denen Bender sehr genau wusste, dass es sie gab und die in Fiakern und Dampfmobilen jedermanns Hintern schmerzhaft zu spüren bekam, waren wie inexistent. Bender wünschte sich, einen Blick nach draußen erhaschen zu können, doch befand sich im Fahrgastbereich kein Fenster. So versuchte er nur, anhand der Richtungswechsel den Weg zu erahnen. Vor seinem geistigen Auge breitete er einen Stadtplan aus. Nach kurzer Zeit erklomm das Dampfmobil unter lautem Schnauben spürbar einen Hügel. Bender folgerte, dass sie die Untere Stadt verließen und Richtung Marktplatz fuhren, wo sie bestimmt alle Blicke auf sich zogen. Doch wohin ging es weiter? Gen Saline? Richtung Bahnhof? Bender rechnete eher mit dem Zweiten, aber lag er mit seiner Vermutung richtig? Tatsache war, dass er für alles gewappnet sein musste.

2. Kapitel

„Wir sind angekommen“, ertönte eine dumpfe Stimme, kurz nachdem das Schnauben und Stampfen des Ungetüms verstummt war.

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