Wir haben heute wieder sehr hart gearbeitet, viel härter als neulich, als Papa hier war. Warum? Weil einige Leute spinnen. Ich möchte mich aber nicht zu Tode arbeiten. Und dann das schäbige bisschen Essen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich nichts kaufen könnte. Aber bis jetzt habe ich noch nicht hungern müssen. Falls ihr mir haltbare Sachen schicken könnt, bitte tut es. Von dem, was ihr mir geschickt habt, habe ich noch nichts gegessen. Ich habe alles noch: die Wurst, das Apfelkraut, den Honig usw. Ihr seht also, ich esse nicht alles auf einmal auf. Falls irgendwann mal der Zeitpunkt kommt, dass nichts mehr verschickt werden darf (und der kommt bestimmt), dann habe ich noch etwas. Heute Abend habe ich sechs Briefe erhalten. Einen von Lies van Emden, von Jo v. Wezel, von Henk, von Henny und einen von Harry. Post bekomme ich also genug.
Also Papa und Mama, ich beende diesen Brief wieder
mit einem dicken Kuss von Flip.
Mir geht es gut.
Schickt mir bitte ein Handtuch, Zucker oder Süßstoff.
Mehr brauche ich, glaube ich, nicht.
Samstag, den 23. Mai 1942
Lieber Papa, liebe Mama!
Ich schicke diesen Brief per Eilboten, damit ihr ihn heute noch bekommt. Zurzeit hören wir um 10.15 Uhr auf, also habe ich genügend Gelegenheit zum Schreiben. Gestern Abend war ich zu müde und bin um 9.00 Uhr ins Bett gegangen.
Wie ihr wahrscheinlich schon gehört habt, hatten wir diese Woche eine Versammlung in der Kantine. Die Vorschriften sind verschärft worden. Es sind natürlich wieder Dinge passiert, wofür das gesamte Lager büßen muss. Nur durch die Dummheit einiger Leute. Wenn man Besuch hatte, durfte man manchmal drei Stunden das Lager verlassen. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Von Besuch wurde dringend abgeraten, deswegen habe ich Karel, Dick und Lilly sofort geschrieben, dass sie lieber nicht kommen sollen. Habe jedoch einen Brief hinterhergeschickt und ihnen gesagt, dass sie als Nichtjuden doch kommen dürfen.
Auch die NSB-ler haben Anstoß daran genommen, dass es so viele Juden in Hardenberg gibt. 13Wir können nicht vorsichtig genug sein. Auch die »Grünen« 14waren wieder da und haben beanstandet, dass es hier so viele Kranke gibt. Sonst ist alles in Ordnung.
Tante Juul und Onkel Karel haben mir ein Päckchen mit tollen Sachen geschickt: Käse, Butter und Eier. Vor allem die Butter konnte ich gut brauchen, da ich ja keine mehr hatte. Auch Frikadellen und ein Glas Marmelade waren drin. Von De Bruin habe ich ein ganzes Roggenbrot bekommen und von Salomonson ein paar Stück herrlichen Butterkuchen. Alles wurde mir gebracht. Die Fotos habe ich auch bekommen, und jetzt brauche ich ziemlich viele Abzüge. Kannst du die erst mal bezahlen, Papa, ich schicke dir dann das Geld, das ich hier bekomme?
Ich habe einen Brief von Onkel Alfred und Tante Jenny 15erhalten. Sie haben mir geschrieben, dass auch sie ein Päckchen für mich bereithalten. Das ist natürlich toll. Auch diese Woche brauche ich also nicht zu hungern. Ich habe noch einige Eier und eine kleine Flasche Tomatensaft gekauft.
Diese Woche haben wir hart gearbeitet und trotzdem wieder nichts verdient. Und es wird noch weniger. Auch der Zuschlag wird im Laufe des Monats gekürzt. Dann kriegen die Frauen in Amsterdam in Zukunft also noch weniger Geld.
Im Augenblick ist das Wetter hier trüb. Überhaupt kein Pfingstwetter, aber das können wir nicht ändern. Diese Woche durften zwei Männer, die mit Christinnen verheiratet sind, nach Hause. Was für ein Glück, oder? Also, Papa und Mama, seid herzlich gegrüßt von
und einen dicken Kuss.
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