Frigga Haug (Hg.)
Briefe aus der Ferne
Anforderungen an ein feministisches Projekt heute
Argument
Argument Sonderband Neue Folge AS 304
Übersetzungen von Ulrike Behrens,
Daniel Fastner, Sylvester Fraundorf, Frigga Haug,
Iris Konopik, Else Laudan, Christine Lehmann,
Anja Lieb, Sabine Plonz, Sabine Zürn
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© Argument Verlag 2010
Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg
Telefon 040 / 4018000 – Fax 040 / 40180020
www.argument.de
Umschlaggestaltung: Martin Grundmann, Hamburg,
unter Verwendung einer Grafik von © James Steidl - Fotolia.com
Satz: Iris Konopik
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013
ISBN 9783867549523
Erste Auflage 2010
Cover
Titel Frigga Haug (Hg.) Briefe aus der Ferne Anforderungen an ein feministisches Projekt heute Argument
Impressum Argument Sonderband Neue Folge AS 304 Übersetzungen von Ulrike Behrens, Daniel Fastner, Sylvester Fraundorf, Frigga Haug, Iris Konopik, Else Laudan, Christine Lehmann, Anja Lieb, Sabine Plonz, Sabine Zürn Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten © Argument Verlag 2010 Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg Telefon 040 / 4018000 – Fax 040 / 40180020 www.argument.de Umschlaggestaltung: Martin Grundmann, Hamburg, unter Verwendung einer Grafik von © James Steidl - Fotolia.com Satz: Iris Konopik 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013 ISBN 9783867549523 Erste Auflage 2010
Frigga Haug: Einleitung
Die Briefe
Mari Paz Balibrea
Linker Feminismus heute
Abigail Bray
Toni Brinkmann
Wie könnte eine linke feministische Bildungspolitik aussehen?
Christel Buchinger
Fragen an ein linkes feministisches Projekt
Judith Butler
In Prozesse der Prekarisierung eingreifen
Gabriela Cañas
Von Klamotten und Silikon
Cynthia Cockburn
Die feministische Agenda in die Linke tragen – geht das?
Bronwyn Davies und Susanne Gannon
Feminismus und Poststrukturalismus
Gabriele Dietrich
Bündnisse für eine Gesellschaft des Lebens
Hester Eisenstein
Judith Ezekiel
Linker Feminismus und ein Feminismus für die Linke: eine franko-amerikanische Sicht
Rose Baaba Folson
»Ohne Frauen ist kein Programm zu machen«
Harriet Fraad
Eine marxistisch-feministische politische Plattform
Montserrat Galcerán
Was kann linker Feminismus heute bedeuten?
Ingrid Galster
Thesen zu einem linken feministischen Projekt heute
Lena Gunnarsson
Bereit für die Liebe?
Frigga Haug
Feminismus – wer versteht was darunter und was bedeutet er uns?
Rosemary Hennessy
Maria Joó
Nach der Befreiung der Frau. Butler oder Beauvoir in der postsozialistischen Situation?
Larissa Krainer
Praktischer Feminismus – feministische Praxis
Birge Krondorfer
Eine gute Partie?
Jo Labanyi
Die Ethik der Rechte durch eine Ethik der Sorge ersetzen
Christine Lehmann
Überlegungen zu einem modernen Feminismus
Elisabeth List
Links oder sozialistisch?
Isabel Loureiro
Susanne Maurer
»Soziale Phantasie« – Feminismus und Herrschaftskritik heute
Sara Mills
Liv Mjelde
Neue Herausforderungen und neue Anforderungen an die Geschlechterfrage
Maxine Molyneux
Gisela Notz
Zukunft und Visionen für eine feministische Arbeitspolitik
Claudia Pinl
Was heißt feministische Politik heute?
Nora Räthzel
Maria da Consolação Rocha
Die Auswirkungen der neoliberalen Politik auf das Leben der brasilianischen Arbeiterinnen seit den 1990er Jahren
María Ruido und Virginia Villaplana
Notizen zur Debatte um Beziehungen zwischen Kunst und Politik
Helke Sander
Birgit Sauer
Femifest. Ein feministisches Manifest?
Antje Schuhmann
Nation, Staat, Partei: Leerstellen feministischer Veränderung?
Sarah Schulman
Terri Seddon
An einer »Politik des Wir« arbeiten
Lynne Segal
Erneuerungen des Feminismus
Ruth Seifert
Geschlecht und Klasse und der »liberale Friede« in der Nachkriegsrekonstruktion
Gayatri Chakravorty Spivak
Sybille Stamm
Anforderungen an ein linkes feministisches Projekt und die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt
Janna Thompson
Gedanken zu einer feministischen Politik
Renate Ullrich
Neuer Feminismus?
Christa Wichterich
Das Projekt linker Feminismus im 21. Jahrhundert. Eine Skizze
Nira Yuval-Davis
Toni Brinkmann: Erste Eindrücke
Frigga Haug: Kein Abschluss
Frigga Haug: Anhang
Fußnoten
Veröffentlichungen von Frigga Haug bei Argument
Einleitung
Gespräch mit Lenin
Warum sollte man ein Buch mit internationalen Stimmen zu einem aktuellen linken feministischen Projekt ausgerechnet mit Lenin beginnen? Soweit man heute überhaupt noch von ihm weiß, so, dass er mit Gewalt und Terror zusammenzudenken ist. Man mag sich noch an seine umstürzende Rolle in der russischen Revolution erinnern, aber auch da wohl kaum an eine besondere Verbindung zur Frauenfrage. Lenin soll zwar gesagt haben, die »Köchin soll den Staat regieren«1, aber genügt dies, dass wir unser Buch über den internationalen politischen Feminismus mit Gedanken über ihn eröffnen?
Zunächst faszinierte mich der Titel »Briefe aus der Ferne«, wie einige seiner Texte zusammenfassend heißen. Ich wollte ihn unbedingt für unser internationales Projekt übernehmen, um so auch den Briefcharakter, den die Texte zumeist haben, hervorzuheben und das Echo einer unklaren Sehnsucht anklingen zu lassen. Da dies aber von Lenin entwendet war, musste ich es extra begründen und machte mich also daran, seine Briefe zu lesen, immer auch mit der Möglichkeit, von meinem Vorhaben abzulassen. Hier aber fand ich Unerwartetes, das die Titelwahl ganz anders fundiert und unsere fertigen Vorurteile herausfordert.
»Wunder gibt es weder in der Natur noch in der Geschichte, aber jede schroffe Wendung der Geschichte, darunter auch jede Revolution, offenbart einen solchen Reichtum an Inhalt, entfaltet so unerwartet eigenartige Kombinationen der Kampfformen und der Kräfteverhältnisse der Kämpfenden, dass dem spießbürgerlichen Verstand vieles als Wunder erscheinen muss.« (7) So schrieb Lenin im März 1917 aus dem Schweizer Exil in ein Russland, in dem soeben eine Revolution ausgebrochen war. Er durchforschte fieberhaft die internationalen Zeitungen, suchte nach Nachrichten über die Vorgänge in Russland, entwarf Ratschläge, ja Anweisungen, die er Briefe aus der Ferne nannte2. Sie mussten »diese verfluchte Ferne« (35) überbrücken, in der er nicht vor Ort der Geschehnisse sein konnte.
Wiewohl unsere Briefe aus der Ferne weder in einer revolutionären Situation geschrieben sind, noch die Schreibenden unbedingt vor Ort sein wollen, geht es auch in unserem Projekt um Ratschläge, diesmal für die Neuaufnahme des feministischen Projekts in Deutschland in einer Gestalt, die allgemein politisch eingreifen will. Dafür sucht es internationalen Rückhalt. Aus je anderer Lage schreiben Frauen aus vielen Teilen der Welt, wie von ihrem Standpunkt betrachtet diese Neuaufnahme heute aussehen müsste. Dass sie sich aufgerufen fühlen und Antwort geben, ist in hohem Maße erstaunlich. Zeugt es doch von einem feministischen Internationalismus, wie er seit Abklingen der zweiten Frauenbewegung kaum mehr möglich schien.
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