Briefe aus der Ferne

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Ein weltweites Projekt Mit dem Anliegen, eingreifende feministische Politik zu entwerfen, wandte sich Frigga Haug an Frauen in aller Welt. Ihr Aufruf erhielt ein starkes Echo und aktivierte politische Energie rund um den Globus: 49 Feministinnen aus 13 Ländern auf 6 Kontinenten meldeten sich zu Wort. Die Briefe aus der Ferne zeigen, wie global diese Welt auch den Feminismus gemacht hat. Die Beiträge variieren von sachlichen Bestandsaufnahmen der politischen Lage an verschiedenen Orten über theoretische Erörterungen möglicher Politikformen bis zu flammenden Postulaten für Bündnisse gegen den globalen Kapitalismus. Die Orientierung über den jeweils eigenen Tellerrand hinaus, vielerorts schon vollzogen, anderswo noch Vision, lässt das Projekt über den Hier-und-jetzt-Bezug hinaus in die Zukunft weisen. Jede Politik, die heute gemacht wird, betrifft das Soziale. So gut wie alles hat globale Folgen. Eine feministische Einmischung ist im Gang.

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Frigga Haug (Hg.)

Briefe aus der Ferne

Anforderungen an ein feministisches Projekt heute

Argument

Argument Sonderband Neue Folge AS 304

Übersetzungen von Ulrike Behrens,

Daniel Fastner, Sylvester Fraundorf, Frigga Haug,

Iris Konopik, Else Laudan, Christine Lehmann,

Anja Lieb, Sabine Plonz, Sabine Zürn

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© Argument Verlag 2010

Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg

Telefon 040 / 4018000 – Fax 040 / 40180020

www.argument.de

Umschlaggestaltung: Martin Grundmann, Hamburg,

unter Verwendung einer Grafik von © James Steidl - Fotolia.com

Satz: Iris Konopik

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

ISBN 9783867549523

Erste Auflage 2010

Inhalt

Cover

Titel Frigga Haug (Hg.) Briefe aus der Ferne Anforderungen an ein feministisches Projekt heute Argument

Impressum Argument Sonderband Neue Folge AS 304 Übersetzungen von Ulrike Behrens, Daniel Fastner, Sylvester Fraundorf, Frigga Haug, Iris Konopik, Else Laudan, Christine Lehmann, Anja Lieb, Sabine Plonz, Sabine Zürn Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten © Argument Verlag 2010 Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg Telefon 040 / 4018000 – Fax 040 / 40180020 www.argument.de Umschlaggestaltung: Martin Grundmann, Hamburg, unter Verwendung einer Grafik von © James Steidl - Fotolia.com Satz: Iris Konopik 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013 ISBN 9783867549523 Erste Auflage 2010

Frigga Haug: Einleitung

Die Briefe

Mari Paz Balibrea

Linker Feminismus heute

Abigail Bray

Toni Brinkmann

Wie könnte eine linke feministische Bildungspolitik aussehen?

Christel Buchinger

Fragen an ein linkes feministisches Projekt

Judith Butler

In Prozesse der Prekarisierung eingreifen

Gabriela Cañas

Von Klamotten und Silikon

Cynthia Cockburn

Die feministische Agenda in die Linke tragen – geht das?

Bronwyn Davies und Susanne Gannon

Feminismus und Poststrukturalismus

Gabriele Dietrich

Bündnisse für eine Gesellschaft des Lebens

Hester Eisenstein

Judith Ezekiel

Linker Feminismus und ein Feminismus für die Linke: eine franko-amerikanische Sicht

Rose Baaba Folson

»Ohne Frauen ist kein Programm zu machen«

Harriet Fraad

Eine marxistisch-feministische politische Plattform

Montserrat Galcerán

Was kann linker Feminismus heute bedeuten?

Ingrid Galster

Thesen zu einem linken feministischen Projekt heute

Lena Gunnarsson

Bereit für die Liebe?

Frigga Haug

Feminismus – wer versteht was darunter und was bedeutet er uns?

Rosemary Hennessy

Maria Joó

Nach der Befreiung der Frau. Butler oder Beauvoir in der postsozialistischen Situation?

Larissa Krainer

Praktischer Feminismus – feministische Praxis

Birge Krondorfer

Eine gute Partie?

Jo Labanyi

Die Ethik der Rechte durch eine Ethik der Sorge ersetzen

Christine Lehmann

Überlegungen zu einem modernen Feminismus

Elisabeth List

Links oder sozialistisch?

Isabel Loureiro

Susanne Maurer

»Soziale Phantasie« – Feminismus und Herrschaftskritik heute

Sara Mills

Liv Mjelde

Neue Herausforderungen und neue Anforderungen an die Geschlechterfrage

Maxine Molyneux

Gisela Notz

Zukunft und Visionen für eine feministische Arbeitspolitik

Claudia Pinl

Was heißt feministische Politik heute?

Nora Räthzel

Maria da Consolação Rocha

Die Auswirkungen der neoliberalen Politik auf das Leben der brasilianischen Arbeiterinnen seit den 1990er Jahren

María Ruido und Virginia Villaplana

Notizen zur Debatte um Beziehungen zwischen Kunst und Politik

Helke Sander

Birgit Sauer

Femifest. Ein feministisches Manifest?

Antje Schuhmann

Nation, Staat, Partei: Leerstellen feministischer Veränderung?

Sarah Schulman

Terri Seddon

An einer »Politik des Wir« arbeiten

Lynne Segal

Erneuerungen des Feminismus

Ruth Seifert

Geschlecht und Klasse und der »liberale Friede« in der Nachkriegsrekonstruktion

Gayatri Chakravorty Spivak

Sybille Stamm

Anforderungen an ein linkes feministisches Projekt und die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt

Janna Thompson

Gedanken zu einer feministischen Politik

Renate Ullrich

Neuer Feminismus?

Christa Wichterich

Das Projekt linker Feminismus im 21. Jahrhundert. Eine Skizze

Nira Yuval-Davis

Toni Brinkmann: Erste Eindrücke

Frigga Haug: Kein Abschluss

Frigga Haug: Anhang

Fußnoten

Veröffentlichungen von Frigga Haug bei Argument

Einleitung

Gespräch mit Lenin

Warum sollte man ein Buch mit internationalen Stimmen zu einem aktuellen linken feministischen Projekt ausgerechnet mit Lenin beginnen? Soweit man heute überhaupt noch von ihm weiß, so, dass er mit Gewalt und Terror zusammenzudenken ist. Man mag sich noch an seine umstürzende Rolle in der russischen Revolution erinnern, aber auch da wohl kaum an eine besondere Verbindung zur Frauenfrage. Lenin soll zwar gesagt haben, die »Köchin soll den Staat regieren«1, aber genügt dies, dass wir unser Buch über den internationalen politischen Feminismus mit Gedanken über ihn eröffnen?

Zunächst faszinierte mich der Titel »Briefe aus der Ferne«, wie einige seiner Texte zusammenfassend heißen. Ich wollte ihn unbedingt für unser internationales Projekt übernehmen, um so auch den Briefcharakter, den die Texte zumeist haben, hervorzuheben und das Echo einer unklaren Sehnsucht anklingen zu lassen. Da dies aber von Lenin entwendet war, musste ich es extra begründen und machte mich also daran, seine Briefe zu lesen, immer auch mit der Möglichkeit, von meinem Vorhaben abzulassen. Hier aber fand ich Unerwartetes, das die Titelwahl ganz anders fundiert und unsere fertigen Vorurteile herausfordert.

»Wunder gibt es weder in der Natur noch in der Geschichte, aber jede schroffe Wendung der Geschichte, darunter auch jede Revolution, offenbart einen solchen Reichtum an Inhalt, entfaltet so unerwartet eigenartige Kombinationen der Kampfformen und der Kräfteverhältnisse der Kämpfenden, dass dem spießbürgerlichen Verstand vieles als Wunder erscheinen muss.« (7) So schrieb Lenin im März 1917 aus dem Schweizer Exil in ein Russland, in dem soeben eine Revolution ausgebrochen war. Er durchforschte fieberhaft die internationalen Zeitungen, suchte nach Nachrichten über die Vorgänge in Russland, entwarf Ratschläge, ja Anweisungen, die er Briefe aus der Ferne nannte2. Sie mussten »diese verfluchte Ferne« (35) überbrücken, in der er nicht vor Ort der Geschehnisse sein konnte.

Wiewohl unsere Briefe aus der Ferne weder in einer revolutionären Situation geschrieben sind, noch die Schreibenden unbedingt vor Ort sein wollen, geht es auch in unserem Projekt um Ratschläge, diesmal für die Neuaufnahme des feministischen Projekts in Deutschland in einer Gestalt, die allgemein politisch eingreifen will. Dafür sucht es internatio­nalen Rückhalt. Aus je anderer Lage schreiben Frauen aus vielen Teilen der Welt, wie von ihrem Standpunkt betrachtet diese Neuaufnahme heute aussehen müsste. Dass sie sich aufgerufen fühlen und Antwort geben, ist in hohem Maße erstaunlich. Zeugt es doch von ­einem feministischen Internationalismus, wie er seit Abklingen der zweiten Frauen­bewegung kaum mehr möglich schien.

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