Manfred Eisner - Leise Musik aus der Ferne

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n einer Hamburger Kneipe treffen wir auf einen südamerikanischen Schriftsteller, der uns eines seiner Werke vorliest: einen ursprünglich Anfang der 30er Jahre in Brasilien spielenden Roman, den er zwischenzeitlich vom Portugiesischen in die deutsche Sprache übersetzt hatte. Als Ort der Handlung für seine nunmehr hiesigen Akteure wählte er eine imaginäre Kleinstadt in Schleswig-Holstein. Im humorvoll beschriebenen, typisch norddeutschen Kleinstadtmilieu jener Zeit und vor der geschichtlichen Zeitkulisse der schwindenden Weimarer Republik nebst den düsteren Vorboten derer üblen Nachfolger erlebt die junge Grundschullehrerin Clarissa von Steinberg den stetigen finanziellen und moralischen Verfall ihrer vormals so wohlhabenden und einflussreichen Familie, begleitet von besonderem Unbehagen über die sich zunehmend zuspitzende politische Lage. Missverstandene Tradition, Hochmut und Vorurteile versperren ihren Eltern und nahen Verwandten die Sicht für die trübe Realität und ihre desolate Lage. In der jungen Frau keimen Zweifel und Fragen auf, die sie gelegentlich – mangels eines dienlichen Gesprächspartners – ihrem Tagebuch anvertraut und im Dialog mit diesem zu beantworten sucht. Liebe, die noch keine genauen Formen angenommen hat, erklingt wie leise Musik aus der Ferne, hat sie im Gedichtsband ihres Lieblingsautors gelesen. Dieser Vers beschäftigt sie, weil sie ihn – noch nicht – zu begreifen vermag. Ihr Vetter Heiko, ein Sonderling, der zudem als schwarzes Schaf der Familie gilt, ist ihr anfänglich ein unbegreifliches Rätsel, dessen Lösung sich ihr erst erschließt, als es zu einer plötzlichen Begebenheit kommt, die alles auf den Kopf stellt. Der Autor: Manfred Eisner, Jahrgang 1935, geboren in München, erlebte Kindheit und Jugend als Emigrant in Südamerika und kehrte erst 1957 nach Deutschland zurück. Er studierte Lebensmitteltechnologie im damaligen West-Berlin und war in diesem Beruf bis 1988 als Angestellter und noch bis 2009 freiberuflich als Industrieberater tätig. Er hielt weltweit Vorträge und schrieb zahlreiche Artikel, die – ebenso wie sein bekanntes Fachbuch – in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seit 1981 wohnt er mit Ehefrau Anke in einer denkmalgeschützten Kate am Elbdeich in Schleswig-Holstein.

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Manfred Eisner

Leise Musik aus der Ferne

Roman

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2013

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.deabrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel Manfred Eisner Leise Musik aus der Ferne Roman Engelsdorfer Verlag Leipzig 2013

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar. Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de

Über den Autor Der Autor Manfred Eisner, Jahrgang 1935, geboren in München, erlebte Kindheit und Jugend als Emigrant in Südamerika und kehrte erst 1957 nach Deutschland zurück. Er studierte Lebensmitteltechnologie im damaligen West-Berlin und war in diesem Beruf bis 1998 als Angestellter und noch bis 2009 freiberuflich als Industrieberater tätig. Er hielt weltweit Vorträge und schrieb zahlreiche Artikel, die – ebenso wie sein bekanntes Fachbuch – in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seit 1981 wohnt er mit Ehefrau Anke in einer denkmalgeschützten Kate am Elbdeich in Schleswig-Holstein.

Danksagung Lieber Leser, es gibt, zweifelsohne, unzählige Liebesgeschichten. Diese hier möchte ich aber erzählen, weil mir sehr daran gelegen ist, dass deren Zeitkulisse noch mal in Erinnerung gebracht wird. Wir erleben leider eine Zeit, in der offensichtlicher Fremdenhass gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern abermals ausbricht. Haben wir denn aus der Geschichte wirklich nichts gelernt? Mein verbindlicher Dank an meine Familie sowie an alle gleichgesinnten Freunde.

Wie der Zufall so spielt

1. Clarissa

2. Erinnerungen

3. Geisterstunde

4. Alltag

5. Sonntag

6. Gedanken

7. Eintönigkeit

8. Buß- und Bettag

9. Sonnabend

10. Der Ball

11. Tante Alexandra

12. Hausmusik

13. Familiendünkel

14. Aus Clarissas Tagebuch

15. Das Idol

16. Gildefest

17. Abstieg

18. Heiko

19. Aussprache

20. Onkel Suhl

21. Frühling

22. Elend

23. Das Testament

24. Neuanfang

25. Musik aus der Ferne

26. Epilog

Der Autor

Manfred Eisner, Jahrgang 1935, geboren in München, erlebte Kindheit und Jugend als Emigrant in Südamerika und kehrte erst 1957 nach Deutschland zurück. Er studierte Lebensmitteltechnologie im damaligen West-Berlin und war in diesem Beruf bis 1998 als Angestellter und noch bis 2009 freiberuflich als Industrieberater tätig. Er hielt weltweit Vorträge und schrieb zahlreiche Artikel, die – ebenso wie sein bekanntes Fachbuch – in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seit 1981 wohnt er mit Ehefrau Anke in einer denkmalgeschützten Kate am Elbdeich in Schleswig-Holstein.

Lieber Leser,

es gibt, zweifelsohne, unzählige Liebesgeschichten. Diese hier möchte ich aber erzählen, weil mir sehr daran gelegen ist, dass deren Zeitkulisse noch mal in Erinnerung gebracht wird. Wir erleben leider eine Zeit, in der offensichtlicher Fremdenhass gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern abermals ausbricht. Haben wir denn aus der Geschichte wirklich nichts gelernt?

Mein verbindlicher Dank an meine Familie sowie an alle gleichgesinnten Freunde.

Wie der Zufall so spielt

An jenem kaltfeuchten und nebligen, späten Herbstnachmittag war ich in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofes mit hochgeschlagenem Regenmantelkragen neugierig vor einem Plakat am Deutschen Schauspielhaus stehen geblieben, um mir die Übersicht des Spielplans anzusehen. Ganz plötzlich begann es heftig zu regnen und ich suchte rasch Unterschlupf in der ersten offenen Tür, die sich mir in der Nähe bot.

Die feuchte Kneipenwärme schlug sich augenblicklich auf meine Brillengläser nieder. Während ich die Brille mit dem Taschentuch reinigte, sah ich mich in dem von Rauch benebelten Lokal um. Sämtliche Tische waren besetzt und auch an der Theke herrschte reger Andrang. Lesend saß ein einsamer Gast an einem Ecktisch im Hintergrund vor einem halbvollen Bierglas. Ich trat an ihn heran und fragte, ob ich an seinem Tisch Platz nehmen dürfe. Er blickte von dem abgegriffenen, dicken Heft auf und nickte mir freundlich zu.

Ich hängte meinen nassen Regenmantel an einen Garderobenhaken und setzte mich an seinen Tisch. Bei dem schwitzenden Kellner, der gerade eilig vorbeihuschte, bestellte ich ein Alsterwasser. Danach wandte ich mich meinem Tischnachbarn zu, der sich inzwischen wieder seiner Lektüre widmete. Es war ein älterer, grauhaariger Mann. Seine leicht gebräunte Haut ließ den Südländer vermuten. Als ich ihn vorher angesprochen hatte, waren mir die dunklen Augen aufgefallen, die mich mit einem lebhaften Blick unter seinen buschigen, ebenfalls ergrauten Augenbrauen aufmerksam gemustert hatten. Er hatte ein von den Jahren gegerbtes, interessant wirkendes Gesicht und seine Stirn war von tiefen Falten zerfurcht. Diese verliefen so gleichmäßig wie mit einem Pflug auf dem Acker gezogene Gräben. Trotz der muffigen Wärme im Lokal trug er einen leger um den Hals geschlungenen roten Wollschal und einen ziemlich abgetragenen grünen Lodenjanker, unter dem ein dunkelgrüner Rollkragenpullover zum Vorschein kam.

Der Kellner brachte mir das Alsterwasser. Der Mann blickte von seiner Lektüre auf und ich prostete ihm zu. Freundlich lächelnd griff er nach seinem Bierglas und hob es mir entgegen. Hastig trank ich einen langen Schluck.

„Haben Sie großen Durst?“, fragte er mit verständnisvollem Schmunzeln. Seine Stimme war tief und männlich und klang sehr melodisch. Obwohl seine Aussprache durchaus korrekt war, hörte ich einen unverkennbar ausländischen Akzent heraus.

„Oh, ja, sogar einen riesigen!“, gab ich aufrichtig zu und stellte mein Glas auf dem Bierdeckel ab. „Leben Sie schon lange in Deutschland?“

„Schon seit fast fünf Jahren“, erwiderte er, indem er sein Heft zuklappte und es auf den Tisch legte, wohl als freundliches Zeichen dafür, dass er sich gern mit mir unterhalten wollte.

„Sie sprechen sehr gut deutsch“, stellte ich der Höflichkeit halber fest.

„Wissen Sie, ich komme aus Brasilien, aus dem Staate Rio Grande do Sul, wo es schon seit vielen Generationen eine Menge deutschstämmiger Brasilianer gibt. Ich bin dort in einer der kleineren Städte geboren und aufgewachsen, besuchte aber im Ort eine Schule, in der die deutsche Sprache als Wahlfach bis zum Abitur belegt werden konnte. Dafür hat mein Vater gesorgt, denn er hatte eine besondere Vorliebe für deutsche Komponisten und Schriftsteller. Er gab mir sogar einen deutschen, na ja, sagen wir eher, einen fast deutschen Vornamen. Da wir schon bei diesem Thema angelangt sind“, sagte er, indem er sich förmlich erhob und mir seine Hand entgegenhielt, „darf ich mich doch vorstellen: Érico Veríssimo.“

„Welch ein Zufall!“, entgegnete ich vergnügt und ergriff die dargebotene Hand. „Mein Vater hieß ebenfalls Erich.“ Ich stellte mich vor.

„Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich weiß, hier sagt den Leuten mein Name nicht viel. Ich bin Schriftsteller, und in meiner Heimat sogar ein ziemlich bekannter“, sagte er, nicht ohne einen gewissen Stolz.

„Ach“, sagte ich, „das ist ja sehr interessant. Es ist doch für einen Schriftsteller sicherlich sehr beschwerlich, außerhalb seines heimatlichen Sprachgebietes zu wirken. In diesem Zusammenhang fällt mir gerade Stefan Zweig ein. Kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis und dem Anschluss Österreichs zog er es vor, Deutschland zu verlassen und fand Zuflucht in Brasilien. Obwohl er dort sein wunderbares Werk ‚Brasil‘ schrieb, als Dank an Ihr Land, das ihm so gastfreundlich Asyl gewährte, konnte er die Trennung von seinem eigenen sprachlichen Umfeld nie verwinden, war voller Heimweh und nahm sich schließlich das Leben.“

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