»Absolut kein Problem«, murmelte auch der Mann am Kopf des Tisches und steckte seinen Stift zurück in die Tasche.
Diana hob den obersten Stapel hoch und blätterte die hinteren Seiten durch. Sie wurde daran erinnert, warum ihre Vereinbarung auf über dreißig eng bedruckten Seiten festgehalten werden musste. »Das Abkommen führt nicht zu einem Angestelltenverhältnis«, hieß es in einem der Paragraphen, der auf beinahe zwei Seiten ausführte, was das im Einzelnen bedeutete. »Das Abkommen führt nicht zur Gründung einer Firma«, lautete ein anderer Paragraph. Sie las hier und dort einige Zeilen und war entsetzt, wie Menschen freiwillig ihr Leben mit dem Verfassen von so vielen, sinnlosen Paragraphen verbringen konnten.
Sie warf die Unterlagen mit etwas zu viel Schwung zurück auf den Tisch, so dass sie einmal quer über die glatte Oberfläche rutschten. Überrascht musterte Lewitt sie durch seine Schildkrötenbrille, der andere Mann hingegen hatte seinen Blick auf den Anwalt geheftet.
»Frau McManus ...?«
»Das sieht gut aus.«
»Ach so, ja. Gut! Dann kommen jetzt die Unterschriften ...«
Diana nahm den schweren, kalten Stift in ihre Rechte, blätterte mit der Linken zu den Seiten mit den markierten Zeilen. Unter der einen stand Diana McManus, Generalsekretärin Serve Earth , unter der anderen der nichtssagende Name des zweiten Mannes am Tisch sowie der Name der Firma von den Cayman-Inseln, die er vertrat.
»Ist Ihr Titel so richtig geschrieben?«, fragte Lewitt.
»Ja, Generalsekretärin.«
Sie blätterte mit dem Daumen die Seiten von hinten durch, von den unwichtigen Bemerkungen am Ende bis zu den bedeutungsvolleren im vorderen Teil. »Die Parteien sind sich darüber einig, dass Serve Earth ...« Zuerst las sie die einzelnen Passagen genauso sorgfältig wie beim ersten Mal, ging dann aber dazu über, die Zeilen schnell zu überfliegen, um festzustellen, dass nichts Bedeutsames verändert worden war. Dann schlug sie die Seite für die Unterschriften wieder auf und unterschrieb schwungvoll.
»Und das zweite Exemplar ...« Lewitt legte die Kopie mit der Handbewegung eines Croupiers auf den Tisch, Diana drehte an dem Stift.
Sie beobachtete, wie der andere Mann eine Vollmacht aus der Jacke holte, Lewitt aber hatte kein Interesse daran, diese genauer zu begutachten, und setzte seine Unterschrift neben die von Diana.
Die eigentlichen Akteure sind heute beide nicht vertreten, dachte sie. Dieser Typ ist doch nur ein Mittelsmann, den ich nicht kennenlernen will oder muss. Der Eindruck eines Stellvertreters verstärkte sich noch, als er einen Scheck herausholte, ihn unterschrieb und ihr reichte, ohne eine Spur von Bedenken, sich von einem Betrag dieser Größenordnung zu trennen. Diana steckte das kleine Stück Papier ins Innenfach ihrer flauschigen Umhängetasche.
»So ... Ja, schön! McManus – schottisch?«, fragte der Anwalt.
»Wahrscheinlich früher mal. Ich bin viel herumgekommen«, antwortete Diana. Das klang neutral, befreite von weiteren Verpflichtungen. Sie hatte keine Lust, Details aus dem turbulenten Leben ihrer Familie preiszugeben, die in aller Herren Länder gezogen war, um die Kampfflugzeuge des Arbeitgebers ihres Vaters zu verkaufen.
»Ich verstehe«, sagte Lewitt, öffnete einen Karton und holte ein klobiges, graues Telefon heraus. »Das hier ist auch Teil der Abmachung, die gerade geschlossen wurde«, sagte er und reichte ihr den Apparat. »Das Telefon muss unter freiem Himmel benutzt werden, es darf sich kein Hindernis zwischen Antenne und Satellit befinden.« Diana nickte stumm und ließ das Gerät in ihre Tasche gleiten, spürte sein Gewicht, wie das einer Prothese, von der man sich nicht befreien kann.
Diana und die beiden Herren erhoben sich, besiegelten ihr Abkommen per Handschlag und beendeten ihr Treffen. Ihr Vertragspartner, der zu Beginn seine Forderungen heruntergerasselt hatte und dann mehr oder weniger in Schweigen verfallen war, streckte ihr die Hand entgegen. Sie war warm und feucht, der Rest des Mannes aber wirkte kalt wie ein Fisch. Dich will ich nie wiedersehen, dachte Diana. Sie hatte genug von mahagonigetäfelten Wänden und Holzverzierungen, die an die Oberfläche einer Ananas erinnerten. Sie hatte dieses verworrene Fachchinesisch der Juristen und den dünnen Tee satt, dem sie die letzten drei Stunden ausgesetzt gewesen war. Drei Stunden auf dem Lederstuhl in einem fensterlosen Konferenzraum im zweiten Stock der Anwaltskanzlei von Thornthorp Lewitt. Sie schüttelte sich bei dem Gedanken, dass sie dieser Welt auch angehört hätte, wenn sie nicht rechtzeitig von der Universität gegangen wäre. Erneut durchfuhr sie ein Schaudern, sie wollte nur schnell von hier verschwinden.
»Möchten Sie kein Vertragsexemplar mitnehmen?«, fragte Lewitt, als sie sich zur Tür wandte. Er klang irritiert.
»Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor.«
»Aber Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass Sie die Verpflichtung haben ...«
»Meine einzige Verpflichtung ist es, ab und zu ein Telefonat zu führen. Trotz all dieser Paragraphen. Das Telefon habe ich, und die Nummer ist notiert.«
»Ja, doch ... Es ist richtig, dass der konkrete Gegenstand der Vertragsabsprache erst während der einzelnen Telefonate formuliert wird, aber wir haben uns doch über eine Vielzahl von Vereinbarungen verständigt – die Rede ist hier von einem vierunddreißigseitigen Vertragstext. Niemand kann sich an so viele Einzelheiten erinnern!« Lewitt nahm die Brille ab, was seine Augen viel kleiner aussehen ließ und auch weniger freundlich als zuvor.
»Ich habe keinen Ort, an dem ich den Vertrag aufbewahren könnte. Und ihn an Bord zu haben, wäre keine gute Idee. Ein anderes Zuhause habe ich im Moment nicht.«
»Und einen eigenen juristischen Beistand sicher auch nicht!«
»Nein, nichts dergleichen.«
Lewitt erklärte sich bereit, die Unterlagen in seiner Akte aufzubewahren. Diana konnte nicht einschätzen, wie selbstlos dieses Angebot war, aber darüber wollte sie sich in diesem Moment keine weiteren Gedanken machen.
Erleichtert stieß sie die Eingangstür auf und verließ das Gebäude. Auf dem kleinen Treppenabsatz blieb sie stehen und hörte die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Sie streckte sich, legte den Kopf in den Nacken und kniff die Augen so fest zu, dass sich feine Fältchen bildeten. Dann öffnete sie die Augen wieder und kniff sie erneut zu, mehrere Male hintereinander.
Im Taxi zur Bank konnte Diana kaum einen zusammenhängenden Gedanken fassen. Der Fahrer hatte auf ihren Wunsch, sie zur nächsten Barclays-Filiale zu bringen, lediglich mit einem Nicken reagiert, das Taxameter angestellt und Gas gegeben. Der Bankangestellte am Schalter war dafür weitaus gesprächiger. Er brachte sie zum Lachen, hell und klingend, eine Seltenheit in dieser Welt aus Panzerglas und Mikrofonen.
»Nein, wirklich nicht«, antwortete sie, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. »Ich bin keine großzügige Spenderin.«
Sie erklärte, sie sei eine Repräsentantin von Serve Earth und wolle den Scheck auf das Konto der Umweltorganisation einzahlen.
»Ich bin die Generalsekretärin. Wollen Sie meine Legitimation sehen?«
Der Schalterbeamte schüttelte energisch den Kopf.
»So etwas benötigen wir nur, wenn Sie Geld abheben. Es wird wohl niemand beim Überweisen eines Vermögens auf das Konto eines anderen betrügen. Nein, es ist alles in Ordnung so. Gleich wissen wir Bescheid, ob der Scheck gedeckt ist ... so, erledigt ... und die Quittung.«
Als Diana wieder auf der Straße stand, wusste sie zunächst nicht, wohin sie gehen sollte. Sie hatte in letzter Zeit wenig in der Gegend westlich von Kensington Garden zu erledigen gehabt, sich immer mehr im Osten der Stadt, in der Nähe des Hafens aufgehalten. Für Mitte April war es schon ungewöhnlich warm, was ihr zuvor nicht aufgefallen war. Jetzt aber hängte sie sich ihre Jacke über die Schulter. Ihre Kleidung hatte sie sorgsam ausgewählt, um den richtigen Eindruck zu vermitteln. Ausreichend seriös, um Vertrauen zu schaffen, und angemessen alternativ, um ihre eigene Sache glaubhaft zu vertreten.
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