»Du kannst mich nicht einfach auf die Straße setzen!«, hatte die freie Frau geschrien.
»Ich kann«, hatte er sie nüchtern belehrt.
»Aber ich bin eine freie Frau aus Vonda«, entgegnete sie. »Ein Mitglied der Konföderation.«
»Und ich bin der Besitzer einer Taverne«, erwiderte er. »Meine Politik ist die des Kassenbuchs und des Silbers.«
Während ich der Unterhaltung lauschte, hatte ich meinen Sulbrei geschlürft.
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum goreanische Männer gelegentlich zu Masken greifen. Oneander aus Ar, so wie die anderen Männer im Plündererlager, hatten aus Angst vor der Wut der Männer aus Ar wegen des Handelsversuchs mit Lara eine Maske getragen und zweifellos auch, um die Scham des Fehlschlages zu verbergen. Einige Männer in dieser Taverne trugen ihre Masken wahrscheinlich, um ihre Identität zu verbergen, aus welchem Grund auch immer. Die Zeiten waren nun einmal nicht rosig. Es würde ihnen momentan nichts nutzen, wenn sie beispielsweise als wohlhabende Männer oder Männer in hohen Positionen erkannt werden würden. Einige würden daraufhin vielleicht ergriffen werden, um Lösegeld von ihnen zu erpressen. Andere wollten vielleicht aufgrund der Scham, dass sie aus Vonda hatten fliehen müssen, nicht in Lara erkannt werden. Masken werden manchmal auch von Männern getragen, die in Ungnade gefallen sind oder die unerkannt reisen wollen. Ich erinnerte mich an Lady Florence. Ohne Zweifel hatten die jungen Männer aus Vonda und die der umliegenden Höfe Masken getragen, als sie ihre geheime Auktion besucht hatten. Sie wusste nicht, wer sie gekauft hatte, bis sie als seine Sklavin vor ihm kniete, am Fuße seiner Couch.
Ich hingegen trug die Maske, weil ich nicht wünschte, in Lara erkannt zu werden. Denn in Lara befanden sich zurzeit viele Flüchtlinge aus Vonda und dem Umland. Einige hatten mich vielleicht bei den Stallkämpfen gesehen. Ich glaubte nicht, dass meine Aufgaben gefördert oder erleichtert werden würden, wenn ich als ehemaliger Kampfsklave erkannt würde. Jetzt war ich ebenfalls froh, eine Maske zu tragen, denn manchmal, zufälligerweise, tragen junge Männer Masken und fangen eine freie Frau. Sie nehmen ihr die Kleidung weg und verlangen von ihr, dass sie ihnen als Sklavin dient. Danach wird sie üblicherweise wieder freigelassen. Später, wenn sie auf die jungen Männer trifft, weiß sie natürlich nicht, wer von ihnen sie gezwungen hat, ihm als Sklavin zu dienen. Solche Frauen fangen dann an, Risiken einzugehen, die sich für freie Frauen nicht ziemen. Sie werden früher oder später gefangen und versklavt. Wie sie es sich insgeheim gewünscht haben, werden sie anschließend verkauft und wirklich einen Halsreif tragen. Vielleicht wird einer der jungen Männer sie sogar kaufen und behalten.
»Ich bin eine freie Frau!«, schrie die Frau am Tresen zum wiederholten Male.
»Dieser Zustand könnte sich nur als vorübergehend erweisen«, sagte der Besitzer der Taverne grinsend.
»Ich kann doch nirgendwo hingehen«, sagte sie verzweifelt. »Hier bin ich sicher. Flusspiraten befinden sich vielleicht noch immer innerhalb dieser Stadt. Es ist für mich nicht sicher, vor die Tür gesetzt zu werden.«
»Du schuldest mir aber einen Silbertarsk für die gestrige Übernachtung«, erklärte er. »Außerdem musst du einen weiteren Tarsk zahlen, wenn du noch eine Nacht bleiben willst.«
»Ich habe das Geld aber nicht«, erwiderte sie mit weinerlicher Stimme.
»Dann musst du gehen«, entgegnete er.
»Nimm mein Gepäck«, schlug sie vor. »Meine Truhen!«
»Ich will sie aber nicht.«
Mein Plan war es, morgen früh einen Transfer flussabwärts zu bekommen. Denn mein Anliegen lag nicht in Lara, sondern weiter westlich auf dem Fluss. Vielleicht waren die Flüchtlinge gar nicht in Lara geblieben. Es war für sie bestimmt zu nahe an der Kriegsgrenze, da sie von einer Tarnkavallerie wie jener, die die Felder und Hügel von Vonda in Schutt und Asche gelegt hatte, angegriffen werden könnten. Kleine Schiffe, die kamen und gingen, machten immer noch ihre Runden zwischen Lara und den näher gelegenen Städten flussabwärts, wie White Water und Tancreds Landing.
»Du kannst mich nicht einfach auf die Straße werfen!«, beharrte sie.
Daraufhin gab Strobius, der Tavernenbesitzer, einem seiner Assistenten genervt einen Wink. Der Kerl trat von hinten an die freie Frau heran, packte sie an ihren Oberarmen und hielt sie so von hinten fest. Sie war nun vollkommen hilflos.
»Wirf sie hinaus!«, wies Strobius ihn an.
»Aber du kannst mich nicht hinauswerfen!«, rief sie entsetzt.
»Freu dich darüber, dass ich dich nicht entkleiden und in die Sklaverei verkaufen lasse«, sagte Strobius.
»Was ist hier los?«, fragte ich, stand auf und ging zu dem Tresen hinüber.
»Wir werfen die Frau hinaus«, erklärte Strobius, »denn sie schuldet mir Geld und kann nicht zahlen.«
»Aber sie ist eine freie Frau«, erwiderte ich.
»Sie kann trotzdem nicht zahlen«, entgegnete er.
»Was schuldet sie dir?«, wollte ich wissen.
»Einen Silbertarsk für gestern Nacht«, entgegnete er. »Und, wenn sie bleiben möchte, noch einen Tarsk für heute, und das im Voraus.«
»Ich glaube, das ist eine angemessene Summe«, meinte ich. Ich legte zwei Silbertarsks auf den Tresen.
»Das ist es wirklich«, stimmte mir Strobius zu. Er schnappte sich die Münzen vom Tresen und steckte sie in seine Schürze.
»Da hast du dein Geld, Wirt«, rief die freie Frau an Strobius gewandt, so hochmütig, wie es ihr gelang, da sie noch immer eine hilflose Gefangene war.
»Ja, Lady«, erwiderte er und verbeugte sich ehrerbietig vor ihr.
»Vielleicht kann mich dieser Grobian jetzt loslassen«, sagte sie und wand sich in dem Griff des Assistenten, der sie eingehend betrachtete.
Sie zitterte. Ihr Heim-Stein war nicht der von Lara, die Zeiten waren problematisch und Strobius war der Herr in dieser Taverne. Außerdem hatte sie ihm für eine gewisse Zeit Geld geschuldet. Würde er sie entkleiden und ihr einen Halsreif anlegen?
»Bitte, gütiger Herr«, sagte sie nun leise. Goreanische Männer können manchmal nur langsam den Griff von den Körpern von Frauen lösen. Sie genießen es nämlich zu sehr, sie zu halten. Sie sind nun einmal Männer.
»Natürlich, Lady«, sagte Strobius lächelnd und verbeugte sich erneut vor ihr. Er gab dem Mann ein Zeichen, sie loszulassen, was dieser auch tat. Sie zog sich daraufhin wütend zurück und strich sich über ihre Gewänder. Dann richtete sie sich auf und kam zu mir hinüber.
»Vielen Dank, Sir«, sagte sie und sah zu mir auf.
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte ich.
»Ich bin dir sehr dankbar«, fuhr sie fort.
»Vielleicht willst du mir ja an meinem Tisch Gesellschaft leisten?«, schlug ich vor. »Es gibt zwar nicht viel mehr als Sulbrei, aber ich könnte eine weitere Schale bestellen«, bot ich an.
»Man muss sich den schweren Umständen nun einmal anpassen«, erwiderte sie.
»Hast du noch Wein?«, fragte ich Strobius.
Er lächelte. »Ja«, erwiderte er.
»Möchtest du auch etwas Wein?«, fragte ich sie.
Ihre Augen leuchteten über ihrem Schleier. Es musste einige Tage her sein, seit sie sich den letzten Wein leisten konnte.
»Ja«, erwiderte sie. »Es würde mir große Freude bereiten, deinen Wein zu trinken.«
»Bitte, geh zum Tisch«, meinte ich und zeigte in die entsprechende Richtung. »Ich werde die Vorkehrungen treffen.«
»Nun gut«, antwortete sie, drehte sich um und ging zum Tisch hinüber.
»Sulbrei kostet zehn Kupfertarsks«, sagte Strobius. »Ich werde außerdem vierzig Kupfertarsks für zwei Becher Wein verlangen.«
»Nun gut«, erklärte ich mich einverstanden.
Einige Augenblicke später brachte ein Bursche ein Tablett mit dem Sulbrei und zwei Bechern Wein an den Tresen. Ich bezahlte ihn und fragte dann: »So nebenbei, hast du auch ein Päckchen Tassapulver?«, wollte ich wissen.
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