1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 Viele Männer in der Taverne trugen Masken. Ich stellte den Sulbrei wieder auf den Tisch. Er war zwar nicht gut, aber wenigstens heiß.
»Ich bin eine freie Frau aus Vonda!«, schrie die Frau am Tresen erneut. »Du kannst mich nicht einfach vor die Tür setzen!«
Oneander aus Ar, der Salz- und Lederhändler, und einige andere, hatten im Plündererlager außerhalb Vondas Masken getragen. Er war wahrscheinlich gut damit beraten gewesen, dies zu tun, denn er hatte vorgehabt, mit Lara, einer Stadt der Salerianischen Konföderation, Handel zu betreiben. Das würde ihn in Ar und auf den Ländereien Ars nicht besonders beliebt machen. Auch war er, wie ich in Erfahrung gebracht hatte, am südlichen Ufer des Olni von Flusspiraten angegriffen und eingekesselt worden. Oneander hatte um sein Leben und das seiner Männer gefeilscht, indem er seine Waren und Sklaven an die Angreifer ausgeliefert hatte. Daher war es nicht besonders verwunderlich, dass er sich dazu entschlossen hatte, sein Gesicht zu verdecken. Er wollte bestimmt nicht die Wut der Männer aus Ar auf sich ziehen und wünschte sich zweifellos, seinen Ärger und seine Scham über den kläglichen Ausgang seiner Geschäftsreise in den Norden gut verbergen zu können.
Ich hatte vor dem Essenszelt des Plündererlagers auf ihn gewartet. Der Himmel im Westen war aufgrund der Flammen in Vonda noch immer hell erleuchtet gewesen.
»Bist du Oneander aus Ar?«, hatte ich den Mann gefragt, der in diesem Moment aus dem Zelt gekommen war.
»Nein«, erwiderte er hastig.
»Ich denke doch, dass du Oneander aus Ar bist«, hatte ich zu ihm gesagt.
»Rede nicht so laut, du Narr!«, hatte er wütend geantwortet und sich ängstlich umgesehen.
Ich hatte ihn daraufhin an seiner Tunika gepackt und ihn zu mir gezogen.
»Nimm deine Maske ab!«, befahl ich ihm.
»Gibt es denn hier niemanden, der mich beschützt?«, rief er erschrocken.
»Was geht hier vor?«, fragte ein Wächter.
»Ich denke, dass dies Oneander aus Ar ist«, erklärte ich dem Mann.
»Ich hörte, dass er im Lager ist«, erwiderte der Wächter. »Bist du es wirklich?«
»Ja«, gab der Mann nun zögernd und wütend zu.
»Nimm deine Maske ab«, sagte ich, »oder ich werde es für dich tun!«
Widerstrebend zog er die Maske herunter.
»Es ist tatsächlich Oneander«, stellte der Wächter nicht sonderlich erfreut fest.
»Lass mich nicht mit ihm hier allein!«, rief Oneander aus Ar panisch.
Doch der Wächter hatte sich bereits umgedreht und war gegangen.
»Wer bist du?«, fragte Oneander aus Ar besorgt.
»Ich war einst ein Seidensklave«, entgegnete ich. »Du magst dich vielleicht noch an mich erinnern … vor einigen Monaten, in der Nähe des Geschäftes von Philebus, auf den Straßen von Ar. Du hast zwei Sklaven auf mich gehetzt.«
»Bitte, töte mich nicht!«, flüsterte er.
»Ich habe gehört, dass du in der Nähe von Lara umzingelt wurdest und all deine Sklaven und Waren aushändigen musstest«, sagte ich.
»An dem südlichen Ufer des Olni«, erwiderte er. »Ja, das ist die Wahrheit.«
»Du hast gut daran getan, das Leben der Männer und dein eigenes zu retten«, entgegnete ich.
»Ich habe viel verloren!«
»Was ist deine Vermutung? Was wird mit deinen Waren und Sklaven passieren?«, wollte ich wissen.
»Sie gehören mir nun nicht mehr«, erwiderte er. »Sie sind jetzt das Eigentum der Flusspiraten.«
»Das ist wahr«, stimmte ich zu. »Aber was vermutest du, wird mit ihnen geschehen?«
»Es ist eher unwahrscheinlich, dass sie die Waren in Lara oder weiter nördlich verkaufen«, mutmaßte er. »Normalerweise verkaufen die Flusspiraten ihren Fang entlang des Flusses in einer der zahlreichen Flussstädte.«
»Welchen Städten?«, wollte ich wissen.
»Es gibt Dutzende«, erklärte er. »Vielleicht in Ven, Port Cos, Iskander, Tafa … Wer weiß das schon.«
»Wie hieß der Piratenkapitän, der dich angegriffen hat?«
»Es gibt so viele Banden von Flusspiraten«, erwiderte er vage.
»Wer war es?«, fragte ich erneut.
»Kliomenes, einer von Policrates‘ Leutnants.«
»In welcher Stadt verkauft dieser normalerweise seine Waren?«, fragte ich.
»Es könnte jede der ein Dutzend Städte sein«, meinte Oneander. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Ich packte ihn an seiner Tunika und schüttelte ihn unsanft.
»Ich weiß es nicht«, sagte er ängstlich. »Ich weiß es wirklich nicht.«
Doch ich hielt ihn weiterhin fest.
»Bitte, töte mich nicht!«, flüsterte er.
»Nun gut«, sagte ich und ließ ihn wieder los. Ich hatte mich umgedreht und war zu den Tarngehegen gegangen in der Hoffnung, dort eine Transportmöglichkeit in den Umkreis von Lara organisieren zu können.
Das Mädchen bewegte sich erneut in der Ecke des Raumes. Sie rollte sich auf den Rücken und hob ein Knie an. Sie war so unglaublich sinnlich in ihrem Sklavenfetzen und dem Halsreif. Sie bewegte ihren Kopf von einer Seite zur anderen, gab leise Geräusche von sich, öffnete und schloss ihre kleine Hand. Ich fragte mich, ob sie sich des rauen Materials der Matte an ihrem Rücken bewusst war. Ich nahm es nicht an, zumindest noch nicht.
»Ich bin eine freie Frau aus Vonda!«, hatte die Frau am Tresen letzte Nacht geschrien. »Du kannst mich nicht einfach vor die Tür setzen!«
»Du wirst bezahlen oder hinausgeworfen«, hatte Strobius ihr daraufhin erklärt.
»Du kannst mich nicht auf die Straße setzen!«, hatte sie wütend wiederholt.
Ich hatte daraufhin noch mehr Sulbrei zu mir genommen.
Die Frau am Tresen war, wie es für goreanische Frauen aus höheren Kasten und Städten üblich ist, verschleiert gewesen. Viele goreanische Frauen ziehen es in ihrer Überheblichkeit und ihrem Stolz vor, ihr Gesicht zu verbergen. Sie sind sich zu fein und zu nobel, um vom einfachen Volk betrachtet zu werden. Dementsprechend spiegeln die verschleierten Gewänder der goreanischen Frauen diese Empfindungen wider. Andererseits ist das Verhüllen in einer Kultur, in der Gefangennahmen, Ketten und Peitschen nicht unbekannt sind, keine unpraktische Sittsamkeit. Eine Begründung, die für das Verschleiern und die verhüllenden Gewänder spricht, ist, dass diese einen gewissen Schutz davor bieten, entführt und geraubt zu werden. Wer möchte schon sein Leben riskieren für eine Frau, die sich, wenn sie nackt an einen Baum gefesselt ist, als hässliches Tharlarion erweist? Im Gegensatz dazu ist es Sklavinnen so gut wie nie gestattet, einen Schleier zu tragen. Dementsprechend sind sie normalerweise so gekleidet, dass ihre Reize für jeden sofort offensichtlich sind. Dies dient den Mädchen als Erinnerung daran, dass sie vollkommene Sklavinnen sind und jedem Mann, der sie ansieht, Vergnügen bereiten müssen. Und dass sie, im Gegensatz zu freien Frauen, das begehrte Objekt von Gefangennahmen und Inbesitznahmen sind. Ich denke, es spricht einiges für diese Theorie, da es, statistisch gesehen, immer Sklavinnen und nicht ihre freien Schwestern sind, die gefangen genommen werden und sich den Sklavenhändlern ausgeliefert sehen.
Andererseits, ungeachtet dieser Theorie, sind freie Frauen bestimmt nicht immun gegen das Schicksal der Gefangennahme und der Versklavung. Viele Männer, ungeachtet der Theorien in diesen Angelegenheiten, akzeptieren die involvierten Risiken und finden Freude daran, freie Frauen zu rauben. Einige Sklavenhändler sind sogar auf die Gefangennahme von freien Frauen spezialisiert. Bestimmt liegt es daran, dass eine gewisse Würze mit dem Fang einhergeht, und auch das Interesse daran besteht herauszufinden, was man sich da eingefangen hat. Außerdem wird behauptet, dass es ein großes Vergnügen ist, sie zuerst zu ihrem Entsetzen und dann zu ihrer Freude an den Halsreif zu gewöhnen, auch wenn es natürlich einiges an Arbeit und Geduld kostet.
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