Ernst Gusenbauer - Krieg, Seuchen und kein Stück Brot

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In der historischen Aufarbeitung des Ersten Weltkriegs stand auch in Österreich lange Zeit die militärische Sichtweise im Vordergrund. Diese einseitige Ausrichtung erzeugte aber ein Bild vom Krieg als einem Ereignis, das kaum Auswirkungen auf das Alltagsleben der Menschen fern vom unmittelbaren Kriegsgeschehen hatte. Glücklicherweise hat sich in jüngerer Zeit die Forschungsperspektive erheblich erweitert.
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit einem bisher wenig beachteten Aspekt dieser so genannten «Heimatfront», nämlich dem Bau von Kriegsgefangenenlager in der österreichisch-ungarischen Monarchie und zwar auf oberösterreichischem Boden. Dabei stehen zwei zentrale Fragen im Vordergrund: Welche Auswirkungen hatte die Errichtung eines Lagers auf die umliegende Zivilbevölkerung? Wie veränderte sich dadurch das alltägliche Leben der Menschen? Aus fünf eindrücklichen Blickwinkeln: Lageraufbau, Seuchen, Hunger, Kulturaustausch und Kriegsende will der Autor versuchen, diese Fragen zu beantworten und zugleich einen spannenden Aspekt zur Geschichte des Ersten Weltkriegs näher zu beleuchten.

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Ernst Gusenbauer

„Krieg, Seuchen und kein Stück Brot“

2021 by Studienverlag GesmbH Erlerstraße 10 A6020 Innsbruck EMail - фото 1

© 2021 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: order@studienverlag.at

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN 978-3-7065-6114-3

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Satz und Umschlag: Studienverlag/Maria Strobl • www.gestro.at

Umschlagbild: Kriegsgefangenenlager Marchtrenk. Archiv der Stadt Wels, Sammlung Kriegsgefangenenlager Marchtrenk

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at

Inhalt

Prolog

Allgemeine Betrachtungen zu Krieg und Kriegsgefangenschaft

Entwicklungslinien der Weltkriegsforschung

Kriegsbeginn, Lagerbau und Lebenswelten

Gründe für die Standortwahl anhand exemplarischer Beispiele

Die Aktivierung der Lager: Anspruch und Wirklichkeit

Die Kriegsgefangenenlager als Wirtschaftsfaktor

Innenansichten der Lager

Zivilbevölkerung und Lager

Von tanzenden Russen, renitenten Serben und mutigen Soldaten …

Das Seuchenjahr 1915 am Beispiel des Kriegsgefangenenlagers Mauthausen

Das „Seuchenlager Mauthausen“ im Blickpunkt der Öffentlichkeit

Seuchengefahr für die Zivilbevölkerung

Erkrankung und Tod des Linzer Bischofs als mediales Ereignis

Die Ärztekommission aus Wien in Mauthausen

Das „Seuchenlager“ Mauthausen erregt internationales Aufsehen

Vom schwierigen Umgang mit offiziellen Zahlen

Kriegswirtschaft: Hunger, Not und Spekulation

Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen und verbotene Kulturkontakte

Auflösung und Nachwirkungen

Sachdemobilisierungskommission und Treuhandgesellschaften

Epilog

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Personenregister

Prolog

So trivial es auch klingen mag, eine der vornehmlichsten Aufgaben des Historikers besteht darin, Themenbereiche der Vergangenheit zum Gegenstand der geschichtswissenschaftlichen Forschung zu machen. In diesem Zusammenhang muss aber sein Ehrgeiz mehr sein, als die bloße Erinnerung an historische Räume und Begebenheiten wachzuhalten, zählt diese doch „zu den flüchtigsten und unzuverlässigsten“ 1 menschlichen Fähigkeiten überhaupt. Gefragt sind vielmehr spezifische Fragestellungen, die zu kritischer Reflexion anregen und gleichzeitig Bezugspunkte zur Gegenwart herstellen können.

Das Jahr 2014 war zweifellos ein magisches Datum, wurde doch in einem bislang unbekannten medialen Ausmaß an die 100-jährige Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erinnert. Dies geschah gewiss nicht nur in Österreich und Europa, sondern nahezu auf der ganzen Welt. Doch auch danach beschäftigte uns dieses Ereignis, denn im Jahr 2018 rückte der Erste Weltkrieg neuerlich in den Blickpunkt der Betrachtung, zumal nunmehr seines Endes und seiner Folgen gedacht wurde.

Lenkt man indes den Blick von der übergeordneten großen Staatenebene auf einen regional und lokal vertrauten Raum, so wird man sehen, dass bei genauerer Betrachtung auch hier mühelos eindrückliche Spuren aus dieser bewegenden Zeit zu finden sind.

So verbindet man mit dem Namen Mauthausen zunächst das berüchtigte nationalsozialistische Konzentrationslager aus dem Zweiten Weltkrieg. Weniger bekannt ist hingegen die Tatsache, dass dieser alte Donaumarkt während des Ersten Weltkrieges Standort eines großen Kriegsgefangenenlagers war. Vor allem der internationale Lagerfriedhof hält die Erinnerung an ein weit ausgedehntes Barackenlager wach. Das Zentrum der Anlage bildet ein imposantes und weithin sichtbares Denkmal aus weißem Carrara-Marmor. Es wurde 1920 von der italienischen Regierung in Auftrag gegeben, zwei Jahre später von Paolo Boldrini fertiggestellt und in einer feierlichen Zeremonie der österreichischen Regierung übergeben.

Der Verfasser erkundete bereits in Jugendjahren diesen Ort der Erinnerung und Versöhnung. Dadurch wurde das Interesse an der Thematik Kriegsgefangenschaft und Erster Weltkrieg nachhaltig geweckt.

Im Laufe des Studiums führte dieses anhaltende Interesse dazu, sich in Form einer Seminararbeit unter dem Titel „Klein-Serbien an der Heimatfront“ dem Themenkomplex Kriegsgefangenenlager und Zivilbevölkerung anzunähern.

Erste, freilich nur überblicksmäßig getroffene Einsichten in den Lageraufbau, den Lageralltag, aber auch in den Einfluss auf das Leben der Zivilbevölkerung konnten dabei gewonnen werden. Damals reifte der Entschluss heran, eine vertiefende und perspektivisch ausgereifte Studie im Rahmen einer Dissertation zu verfassen.

Als räumlicher bzw. geographischer Schwerpunkt wurde Oberösterreich gewählt. Dies hat zwei handfeste Gründe: Einerseits befand sich hier eine Reihe großer Kriegsgefangenenlager. Diese Tatsache findet in der einschlägigen Forschungsliteratur ihren Niederschlag, wo häufig Querverweise und detaillierte Bezüge zu dieser Region festzustellen sind. 2 Andererseits erscheint es durchaus verständlich, dass eine gesamtösterreichische Darstellung unter den gewählten Forschungsaspekten eindeutig den Rahmen der geplanten Arbeit gesprengt hätte.

Die Gewichtung der geographischen Standorte variiert je nach Themenschwerpunkt. Dies erforderte der jeweils verfügbare, mehr oder weniger ausführliche Quellenbestand. Daraus ergab sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die Einbeziehung bestimmter Lagerstandorte in erster Linie von einer ausreichenden Quellenlage abhängig zu machen.

In der vorliegenden Studie geht es keineswegs um eine „Erzählung“ des Lagerlebens und seiner Eigentümlichkeiten. Diesen narrativen Weg haben vorrangig jene Publikationen beschritten, die seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in Österreich dazu erschienen sind. 3

Vielmehr stehen jene Aspekte im Zentrum, die den Alltag in den Lagern und der sie umgebenden Zivilbevölkerung entscheidend zu prägen und verändern vermochten. Der Perspektivenwechsel zwischen der Innensicht, hier aus dem Blickwinkel der Kriegsgefangenenlager und ihrer Akteure, sowie der Außensicht, den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, gilt hierbei als entscheidende Komponente. Somit kann mit einiger Berechtigung durchaus von einem neuen Forschungsansatz gesprochen werden und dafür wurden fünf zentrale Begriffe, sogenannte Elementarereignisse, herangezogen: Kriegsausbruch und Lagerbau – Kulturaustausch oder besser Kulturkontakt – Seuchen – Hunger – Demobilisierung.

Überdies wurde ein übergreifender Forschungsaspekt miteinbezogen. Den Schwerpunkt bildet dabei die veröffentlichte Meinung. Aufgrund der vorhandenen Quellen umfasst sie praktisch das gesamte Spektrum der Zeitungen, die damals in Oberösterreich veröffentlicht wurden. 4

Allerdings wurden in der vorliegenden Fassung vor allem die Einleitungsthemen erheblich gestrafft. Verzichtet wurde auf die im Original ausführlich dargestellten Themenbereiche der österreichischen Verwaltungsstruktur, des Systems der Kriegswirtschaft, der Haager Landkriegsordnung sowie des österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenenwesens. Jedoch werden diese an sich wichtigen Themenbereiche später so eingebaut, dass sie als begleitende Information zum allgemeinen Verständnis der jeweiligen Kapitel beitragen können.

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