Ernst Gusenbauer
„Krieg, Seuchen und kein Stück Brot“
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ISBN 978-3-7065-6114-3
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Satz und Umschlag: Studienverlag/Maria Strobl • www.gestro.at
Umschlagbild: Kriegsgefangenenlager Marchtrenk. Archiv der Stadt Wels, Sammlung Kriegsgefangenenlager Marchtrenk
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Prolog
Allgemeine Betrachtungen zu Krieg und Kriegsgefangenschaft
Entwicklungslinien der Weltkriegsforschung
Kriegsbeginn, Lagerbau und Lebenswelten
Gründe für die Standortwahl anhand exemplarischer Beispiele
Die Aktivierung der Lager: Anspruch und Wirklichkeit
Die Kriegsgefangenenlager als Wirtschaftsfaktor
Innenansichten der Lager
Zivilbevölkerung und Lager
Von tanzenden Russen, renitenten Serben und mutigen Soldaten …
Das Seuchenjahr 1915 am Beispiel des Kriegsgefangenenlagers Mauthausen
Das „Seuchenlager Mauthausen“ im Blickpunkt der Öffentlichkeit
Seuchengefahr für die Zivilbevölkerung
Erkrankung und Tod des Linzer Bischofs als mediales Ereignis
Die Ärztekommission aus Wien in Mauthausen
Das „Seuchenlager“ Mauthausen erregt internationales Aufsehen
Vom schwierigen Umgang mit offiziellen Zahlen
Kriegswirtschaft: Hunger, Not und Spekulation
Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen und verbotene Kulturkontakte
Auflösung und Nachwirkungen
Sachdemobilisierungskommission und Treuhandgesellschaften
Epilog
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Personenregister
So trivial es auch klingen mag, eine der vornehmlichsten Aufgaben des Historikers besteht darin, Themenbereiche der Vergangenheit zum Gegenstand der geschichtswissenschaftlichen Forschung zu machen. In diesem Zusammenhang muss aber sein Ehrgeiz mehr sein, als die bloße Erinnerung an historische Räume und Begebenheiten wachzuhalten, zählt diese doch „zu den flüchtigsten und unzuverlässigsten“ 1 menschlichen Fähigkeiten überhaupt. Gefragt sind vielmehr spezifische Fragestellungen, die zu kritischer Reflexion anregen und gleichzeitig Bezugspunkte zur Gegenwart herstellen können.
Das Jahr 2014 war zweifellos ein magisches Datum, wurde doch in einem bislang unbekannten medialen Ausmaß an die 100-jährige Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erinnert. Dies geschah gewiss nicht nur in Österreich und Europa, sondern nahezu auf der ganzen Welt. Doch auch danach beschäftigte uns dieses Ereignis, denn im Jahr 2018 rückte der Erste Weltkrieg neuerlich in den Blickpunkt der Betrachtung, zumal nunmehr seines Endes und seiner Folgen gedacht wurde.
Lenkt man indes den Blick von der übergeordneten großen Staatenebene auf einen regional und lokal vertrauten Raum, so wird man sehen, dass bei genauerer Betrachtung auch hier mühelos eindrückliche Spuren aus dieser bewegenden Zeit zu finden sind.
So verbindet man mit dem Namen Mauthausen zunächst das berüchtigte nationalsozialistische Konzentrationslager aus dem Zweiten Weltkrieg. Weniger bekannt ist hingegen die Tatsache, dass dieser alte Donaumarkt während des Ersten Weltkrieges Standort eines großen Kriegsgefangenenlagers war. Vor allem der internationale Lagerfriedhof hält die Erinnerung an ein weit ausgedehntes Barackenlager wach. Das Zentrum der Anlage bildet ein imposantes und weithin sichtbares Denkmal aus weißem Carrara-Marmor. Es wurde 1920 von der italienischen Regierung in Auftrag gegeben, zwei Jahre später von Paolo Boldrini fertiggestellt und in einer feierlichen Zeremonie der österreichischen Regierung übergeben.
Der Verfasser erkundete bereits in Jugendjahren diesen Ort der Erinnerung und Versöhnung. Dadurch wurde das Interesse an der Thematik Kriegsgefangenschaft und Erster Weltkrieg nachhaltig geweckt.
Im Laufe des Studiums führte dieses anhaltende Interesse dazu, sich in Form einer Seminararbeit unter dem Titel „Klein-Serbien an der Heimatfront“ dem Themenkomplex Kriegsgefangenenlager und Zivilbevölkerung anzunähern.
Erste, freilich nur überblicksmäßig getroffene Einsichten in den Lageraufbau, den Lageralltag, aber auch in den Einfluss auf das Leben der Zivilbevölkerung konnten dabei gewonnen werden. Damals reifte der Entschluss heran, eine vertiefende und perspektivisch ausgereifte Studie im Rahmen einer Dissertation zu verfassen.
Als räumlicher bzw. geographischer Schwerpunkt wurde Oberösterreich gewählt. Dies hat zwei handfeste Gründe: Einerseits befand sich hier eine Reihe großer Kriegsgefangenenlager. Diese Tatsache findet in der einschlägigen Forschungsliteratur ihren Niederschlag, wo häufig Querverweise und detaillierte Bezüge zu dieser Region festzustellen sind. 2 Andererseits erscheint es durchaus verständlich, dass eine gesamtösterreichische Darstellung unter den gewählten Forschungsaspekten eindeutig den Rahmen der geplanten Arbeit gesprengt hätte.
Die Gewichtung der geographischen Standorte variiert je nach Themenschwerpunkt. Dies erforderte der jeweils verfügbare, mehr oder weniger ausführliche Quellenbestand. Daraus ergab sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die Einbeziehung bestimmter Lagerstandorte in erster Linie von einer ausreichenden Quellenlage abhängig zu machen.
In der vorliegenden Studie geht es keineswegs um eine „Erzählung“ des Lagerlebens und seiner Eigentümlichkeiten. Diesen narrativen Weg haben vorrangig jene Publikationen beschritten, die seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in Österreich dazu erschienen sind. 3
Vielmehr stehen jene Aspekte im Zentrum, die den Alltag in den Lagern und der sie umgebenden Zivilbevölkerung entscheidend zu prägen und verändern vermochten. Der Perspektivenwechsel zwischen der Innensicht, hier aus dem Blickwinkel der Kriegsgefangenenlager und ihrer Akteure, sowie der Außensicht, den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, gilt hierbei als entscheidende Komponente. Somit kann mit einiger Berechtigung durchaus von einem neuen Forschungsansatz gesprochen werden und dafür wurden fünf zentrale Begriffe, sogenannte Elementarereignisse, herangezogen: Kriegsausbruch und Lagerbau – Kulturaustausch oder besser Kulturkontakt – Seuchen – Hunger – Demobilisierung.
Überdies wurde ein übergreifender Forschungsaspekt miteinbezogen. Den Schwerpunkt bildet dabei die veröffentlichte Meinung. Aufgrund der vorhandenen Quellen umfasst sie praktisch das gesamte Spektrum der Zeitungen, die damals in Oberösterreich veröffentlicht wurden. 4
Allerdings wurden in der vorliegenden Fassung vor allem die Einleitungsthemen erheblich gestrafft. Verzichtet wurde auf die im Original ausführlich dargestellten Themenbereiche der österreichischen Verwaltungsstruktur, des Systems der Kriegswirtschaft, der Haager Landkriegsordnung sowie des österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenenwesens. Jedoch werden diese an sich wichtigen Themenbereiche später so eingebaut, dass sie als begleitende Information zum allgemeinen Verständnis der jeweiligen Kapitel beitragen können.
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