„Es tut mir so leid. Einer meiner Mitarbeiter hat Mist gebaut und ein komplettes Alarmanlagensystem bei einer großen Firma lahmgelegt. Der Kunde ist stinksauer und will nur noch mit dem Chef, also mit mir, arbeiten. Ich muss da leider hin und das wieder ausbügeln. Ich weiß, ich wollte dir heute meine Wohnung zeigen, aber das holen wir nach. Versprochen. Ich melde mich bei dir, vielleicht können wir uns ja heut Abend noch sehen. Hast du Zeit?“
Ich überlege kurz, mein vorletzter freier Abend, ja, ich habe Zeit. Und die möchte ich mit ihm verbringen. Mit der Verlegerin bin ich bis heute Abend durch.
„Ja, klar. Melde dich einfach, wenn du fertig bist.“
„Okay, danke. Entschuldige nochmal. Ich habe mir den Tag irgendwie anders vorgestellt.“
Ja, ich auch … Aber er kann ja nichts dafür. Das ist wohl der Preis, den man zahlen muss, wenn man so erfolgreich ist. Er küsst mich noch einmal zum Abschied, leidenschaftlicher und länger, als es sich morgens mitten auf der Promenade gehört. Seine Zunge spielt mit meiner, bis mir die Knie weich werden und ich mich an ihn lehnen muss. Dann löst er sich widerwillig von mir.
„Damit du mich nicht vergisst …“, flüstert er noch atemlos und merklich aufgewühlt, bevor er davongeht.
Und was mache ich jetzt? Irgendwie kommt mir der Tag auf einmal nicht mehr so schön vor. Ich fühle mich leer, als hätte Colin einen Teil von mir mitgenommen. Er fehlt mir jetzt schon. Komisch, vor einer Woche noch kannte ich ihn nicht – na ja, mal abgesehen von jener Nacht – und jetzt weiß ich ohne ihn nichts mit mir anzufangen.
Ich bummele noch ein bisschen ziellos herum und mache mich dann auch auf den Weg nach Hause. Dort setze ich mich an den Computer und checke das erste Mal seit dem Wochenende meine E-Mails. Jules, meine beste Freundin, hat aus Japan geschrieben. Wir kennen uns schon seit unserem Studium in Boston und waren vom ersten Moment an die besten Freunde. Mittlerweile ist sie für mich, und auch für meinen Bruder Chris, fast wie eine Schwester. Und jetzt hat sie fast schon eine Vermisstenanzeige aufgegeben, weil ich mich so lange nicht gemeldet habe. Normalerweise schreiben wir uns mehrmals die Woche und wissen immer, was die Andere gerade macht. Trotzdem vermisse ich sie sehr und freue mich darauf, wenn sie im Herbst endlich wieder hier ist. Es ist einfach nicht dasselbe, nur per E-Mail in Kontakt zu stehen, mit seiner besten Freundin muss man reden können und sich sehen.
Jules weiß noch nichts von Colin und unserem Wiedersehen. Ich schreibe ihr eine lange Mail und versuche, die letzten Tage irgendwie in Worte zu fassen. Sie ist eine der Wenigen, der ich von der Nacht vor vier Jahren und somit von Colin, wenn auch ohne Namen, erzählt habe. Jules weiß auch alles, was danach passiert ist, deshalb hoffe ich, dass sie meine Situation jetzt versteht und mir einen Rat geben kann, was ich machen soll. Nachdem ich die E-Mail endlich abgeschickt habe, mache ich mich fertig und gehe zum Treffen mit meiner Verlegerin.
Sie ist begeistert. Ich freue mich jedes Mal wieder, wenn sie meine Ideen und Umsetzungen gut findet. Ich weiß zwar durch den Verkauf meiner Bücher, dass ich anscheinend wirklich schreiben kann, aber irgendwie bleibt immer eine kleine Unsicherheit, wenn ich etwas Neues anfange. Gutgelaunt fahre ich nach Hause, mit einem Kopf voller Ideen, wie mein Buch weitergehen soll. Kaum angekommen piept mein Handy. Eine Nachricht von Colin. Er schafft es heute leider nicht mehr, aber bis morgen Mittag ist er durch, schreibt er. Ob ich ihn um zwölf Uhr am Coffeeshop treffen will, er hätte eine Überraschung für mich. Klar will ich! Schade, dass er heute Abend keine Zeit mehr hat, aber auf der anderen Seite kann ich so gleich alle meine neuen Ideen zu Papier beziehungsweise Notebook bringen, ohne weitere Ablenkung. Ich verliere mich so in meiner Geschichte, dass ich erst spät in der Nacht meinen Computer herunterfahre und todmüde, mit brennenden Augen ins Bett torkele.
Am nächsten Morgen mache ich mich gutgelaunt auf den Weg zu meiner Koffeindosis. Als mir klar wird, dass dies der erste Kaffee dieser Woche wird, den ich allein trinke, dämpft das meine Stimmung ein bisschen. Na ja, heute Mittag sehe ich ihn wieder.
Ich verbringe den Vormittag mit Einkaufen und Hausarbeit. Ab morgen ändert sich mein Leben, wie ich es diese Woche hatte, wieder schlagartig. Ich freue mich darauf, habe aber auch ein schlechtes Gewissen, weil ich Colin noch nichts von dieser weiteren Person in meinem Leben erzählt habe, die ab morgen wieder eine Menge Wirbel hier veranstalten wird. Später, denke ich mir und nehme mir ganz fest vor, es ihm heute endlich zu sagen.
Um Punkt zwölf stehe ich vor dem Coffeeshop. Colin ist schon da und gibt mir zur Begrüßung einen seiner heißen Küsse, bei denen die Schmetterlinge in meinem Bauch Cha Cha Cha tanzen.
„Hallo mein Sonnenschein. Lust auf eine kleine Ausfahrt?“
Er führt mich zu einem alten Mustang Cabriolet. Ein wunderschöner, dunkelroter Oldtimer mit cremefarbenen Ledersitzen und offenem Verdeck. Mir bleibt vor Staunen der Mund offen stehen.
„Atmen Süße, es ist nur ein Auto.“
Nur ein Auto? Ja, in einer Welt wie der Seinen, sicher. In meiner Welt ist so etwas ein unbezahlbarer Traum! Und ich darf darin mitfahren. Voller Ehrfurcht steige ich in das Schmuckstück, ich liebe alte Wagen.
Wir fahren über die Serpentinen an den Klippen entlang, hoch zu dem Leuchtturm, den wir neulich – ist es wirklich erst zwei Tage her? – aus der Ferne blitzen gesehen haben. Oben angekommen parkt Colin den Mustang im Schatten und wir steigen aus. Er nimmt einen großen Korb vom Rücksitz, der mir bisher gar nicht aufgefallen ist und dann gehen wir ein paar Schritte durch den Wald, der hinter dem Leuchtturm ist. Nach ein paar Minuten kommen wir an eine Lichtung. Von hier aus hat man einen wahnsinnigen Blick über das Meer und die Bucht. Kleine Schiffe und beeindruckende Yachten schaukeln träge in der Mittagssonne auf dem Meer. Fischerboote ziehen in der Ferne ihre Netze durch die ruhige See. Ich genieße den atemberaubenden Ausblick bis Colin hinter mich tritt und seine Arme um meinen Bauch schlingt.
„Na, mein Schmetterling, gefällt es dir?“
„Oh Colin, es ist wunderschön. Ich wusste gar nicht, dass es hier so verwunschene Plätze gibt. Es kommt mir vor, wie ein Traum.“
„Nein, du träumst nicht. Komm, es ist angerichtet“, sagt er, nimmt meine Hand und dreht mich um. Während ich den Ausblick bewundert habe, hat Colin ein köstlich aussehendes Picknick vorbereitet. Gebratene Hähnchenschenkel, knackige Salate, duftendes, frisches Brot, eingelegte Oliven, eine Käseplatte mit Weintrauben und sogar eine Flasche Weißwein in einem Kühler warten auf einer karierten Decke auf uns.
„Ich hoffe du hast Hunger. Ich glaube, ich habe mal wieder ein bisschen viel gemacht“, sagt er und küsst mich auf den Hals.
Ich merke erst jetzt, dass mein Magen tatsächlich knurrt, ich habe heute Morgen ganz vergessen zu frühstücken. Ich könnte, glaube ich, ein halbes Schwein verdrücken. Während wir das Essen genießen, albern wir ausgelassen herum und stecken uns gegenseitig kleine Häppchen in den Mund. Irgendwann werden unsere Albereien eindeutiger und wir füttern uns gegenseitig mit Stückchen, die wir zwischen unsere Lippen nehmen, was natürlich zu heißen Küssen führt. Ich habe mich schon ewig nicht mehr so ausgelassen und sorglos gefühlt. Und so begehrt. Nachdem wir satt sind, räumen wir die Reste wieder in den Korb und strecken uns auf der Decke in der Sonne aus. Colin zieht mich in seine Arme und ich lege meinen Kopf auf seine Schulter, mein Bein über seins und döse vor mich hin. Eine intime Pose, aber irgendwie fühlt es sich richtig an.
Ich muss eingeschlafen sein. Im Dämmerzustand merke ich seine Hand, wie sie träge meinen Rücken streichelt. Er küsst sanft mein Haar. Ich schaue schläfrig zu ihm auf und sehe, wie er mich intensiv mustert. Die Schatten sind länger geworden, seine Augen sehen jetzt fast schwarz aus. Er wirkt ein bisschen gefährlich, aber ich habe keine Angst vor ihm. Nicht mehr. Er rollt mich auf den Rücken, eine Hand auf meinem Bauch, und beugt sich über mich. Dann küsst er mich, seine Zunge teilt fast sofort meine Lippen und dringt in meinen Mund ein. Ich höre, wie er leise aufstöhnt. Seine Hand wandert streichelnd nach oben. Er fährt mit dem Handrücken über meinen Busen. Meine Brustwarzen richten sich unter der Berührung auf und mich durchfährt die Lust nach mehr. Ich seufze auf, als er eine Hand unter mein T-Shirt schiebt, meinen Bauch streichelt und sich wieder auf den Weg zu meinen Brüsten macht.
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