Bitte was? Ich habe das dringende Bedürfnis, den Kopf zwischen die Beine zu stecken, bevor ich hier zusammenklappe und Colin mich mal wieder auffangen muss. Aber ich bleibe tapfer sitzen und starre ihn mit großen Augen und offenem Mund an.
„Was hast du gerade gesagt?“, flüstere ich ungläubig.
„Ich habe gesagt, dass ich euch liebe. Ich liebe dich, Annie. Mehr als ich dir sagen kann. Wahrscheinlich habe ich dich vom ersten Augenblick vor vier Jahren an geliebt.“
Mein Herzschlag setzt einen Moment aus, bevor er mit doppeltem Tempo wieder einsetzt. Aber ich kann seinen Worten noch nicht trauen, ich muss mir erst sicher sein.
„Warum dann diese Klage?“
Ich kann nicht fassen, was er gerade gesagt hat. Er liebt mich? Oder ist das ein Trick? Aber was könnte er damit bezwecken? Ich bin völlig ratlos.
„Als wir den Test gemacht haben, war ich so furchtbar sauer und verletzt, das habe ich dir ja schon erzählt. Ich dachte wirklich, dass du mir nichts von Lilly gesagt hattest, um sie mir vorzuenthalten. Ich habe Dr. Mollardt angewiesen, eine Ausfertigung des Testergebnisses direkt an meinen Anwalt zu schicken und ihn schon diese blöde Klage vorbereiten lassen. Wenn das Ergebnis positiv sein sollte, sollte er die Klage sofort einreichen. Ich habe sie dann in dem ganzen Trubel einfach vergessen. Erst als du neulich morgen auf mich eingeprügelt hast, ist es mir wieder eingefallen.“
Er schaut wirklich zerknirscht aus.
„Warum hast du sie nicht einfach zurückgezogen?“
Er zuckt traurig mit den Schultern.
„Du hast nicht mehr mit mir gesprochen und ich dachte, dass ich mit dieser finanziellen Erklärung eine Möglichkeit hätte, mit dir zu reden. Ich wollte dir alles erklären und dir sagen, wie sehr ich dich und Lilly liebe, aber wenn du mich schon nicht heiraten willst, dann nimm bitte wenigstens dieses verdammte Geld, damit ich weiß, dass ihr zumindest finanziell versorgt seid.“
Moment mal, heiraten? Mir geht das hier gerade ein bisschen zu schnell. Eben sagt er, dass er mich liebt und jetzt will er heiraten?
„Heiraten?“, frage ich tonlos.
Er hat es geschafft, er hat mich mit seinen Worten weichgekocht und in mir steigen schon wieder die Schmetterlinge auf. Ich liebe ihn immer noch.
Colin zieht etwas aus der Hosentasche, geht vor mir auf die Knie und nimmt meine zitternde Hand in seine. In der anderen hält er eine kleine Schmuckschatulle, die er vorsichtig öffnet. Auf dunkelrotem Samt liegt ein wunderschöner Platinring mit vielen kleinen, glitzernden Diamanten darauf.
„Natürlich will ich dich heiraten, Annie. Warum sonst, sollte ich diesen Ring mit mir herumschleppen. Ich habe ihn an dem Morgen gekauft, an dem du den Brief bekommen hast und hatte somit keine Gelegenheit, dich um deine Hand zu bitten. Annie, ich liebe dich mehr als mein Leben, ich möchte dich festhalten und nie wieder loslassen. Ich möchte, dass ihr meinen Namen tragt und wir eine richtige Familie sind. Du, Lilly und ich. Ich möchte rund um die Uhr Lillys Daddy sein“, er grinst mich an und legt vorsichtig eine Hand auf meinen Bauch.
„Und wenn mich nicht alles täuscht, auch noch für einen kleinen Wurm, der in deinem Bauch heranwächst.“
Was meint er denn jetzt schon wieder? Er muss mir meine Verwirrung angesehen haben, denn er spricht weiter.
„Ich glaube nicht, dass du etwas Falsches gegessen hast, Annie. Kann es sein, dass etwas anderes an deiner Übelkeit schuld ist?“
Oh! Langsam dämmert es mir. Das vergessene Kondom … Das ist über zwei Wochen her und ich glaube, ich bin tatsächlich überfällig. Nach dem Stress der letzten Zeit, habe ich das total verdrängt. Mir steigen die Tränen in die Augen, als ich langsam und unsicher nicke um Colins Frage zu beantworten und meine Hand sich automatisch auf meinem Bauch auf seine legt. Bin ich wirklich schwanger?
„Hey, Baby, nicht weinen.“
Colin zieht mich hoch und nimmt mich zärtlich in die Arme.
„Du musst mich nicht heiraten, nur weil wir noch ein Baby bekommen. Nur wenn du wirklich möchtest.“
Möchte ich?
„Ja!“, flüstere ich mit vor Tränen heiserer Stimme.
„Ja, Colin, ich möchte dich heiraten!“
Er drückt mich fest an sich und flüstert mir immer wieder ins Ohr, wie sehr er mich liebt und mich vermisst hat. Wir vergessen alles um uns herum und halten uns aneinander fest, wollen uns nie wieder loslassen.
Ewigkeiten später geht die Tür auf und unsere Anwälte und der Richter schauen misstrauisch in den Raum. Die habe ich ja total vergessen. Colin legt mir seinen Arm um die Schultern und die andere Hand streichelt vorsichtig über meinen Bauch, als er sich zu ihnen umdreht.
„Es ist alles geklärt. Es gibt keine Klage und auch keine finanzielle Erklärung. Meine Verlobte und ich müssen jetzt los – einen Schwangerschaftstest machen.“ Er strahlt in die Runde.
Dann hebt er mich auf seine starken Arme und trägt mich aus dem Raum, während die anderen uns nur sprachlos hinterherschauen.
„Ich liebe dich Annie Briggs, meine Cinderella.“
Hoffnung am Horizont
Das Flugzeug schlingert kurz, als es in ein Luftloch fällt. Oh herrje, ich hasse fliegen. Zum Glück setzen wir gerade zur Landung an. Nach den Turbulenzen der letzten Stunde habe ich das Gefühl, meinen Mageninhalt nicht mehr lange kontrollieren zu können. Das Flugzeug setzt nicht gerade sanft auf dem Rollfeld auf, doch die Passagiere klatschen alle artig. Schließlich hat der Pilot uns unbeschadet durch die Luftlöcher gebracht und wir sind nicht abgestürzt. Ich atme tief durch, als die Anschnallzeichen endlich erlöschen und alle Leute gleichzeitig versuchen, auf die Ausgänge zuzuströmen. Zum Glück habe ich gleich wieder festen Boden unter den Füßen. Noch schnell meine Koffer holen und dann nichts wie ab nach Hause.
An den Gepäckbändern ist wie erwartet ein Riesengedränge. Ich werde von allen Seiten geschubst, Ellenbogen rammen in meine Rippen und eine Frau mit Highheels tritt mir voll auf die Zehe. Das gibt bestimmt einen blauen Fleck. In diesem Tumult schaffe ich es nicht einmal in die Nähe der Bänder. Na ja, dann hole ich mir halt erst einen Gepäckwagen. Suchend schaue ich mich um, während ich durch die Ankunftshalle stolpere. Als ich endlich einen ergattert habe und zurück zum Gepäckband komme, auf dem auch mein Gepäck gleich ankommen dürfte, leert sich die Halle allmählich und ich halte nach meinen Koffern Ausschau. Nur noch wenige fahren auf dem Band im Kreis, aber meine sind leider nicht dabei. Ich warte noch zehn Minuten, aber sie tauchen nicht auf. Oh bitte, nicht das auch noch. Da bin ich froh, nach über dreißig Stunden unterwegs, endlich nach Hause zu kommen und jetzt darf ich mich noch auf die Suche nach meinen Koffern machen. Ich gehe zum Schalter meiner Fluglinie und frage die gelangweilt aussehende Dame dahinter. Erst guckt sie mich sekundenlang nur an, als würden wir nicht dieselbe Sprache sprechen, aber dann kommt sie tatsächlich in Bewegung. Nach einigen Minuten Suche im Computer hat sie die ernüchternde Auskunft „Ist wohl in Toronto hängen geblieben.“
In Toronto??? Okay, da hatte ich einen Zwischenstopp auf dem Weg von Tokio hierher, aber der Zwischenstopp dauerte fünf Stunden! Man sollte doch meinen, das wäre genug Zeit, zwei Koffer umzuladen. Ich bin zu erschöpft, um lange mit ihr zu diskutieren. Bringt sowieso nichts, sie hat ja meine Koffer nicht verschlampt und kann auch nichts für meine schlechte Laune. Nachdem sie mir erklärt hat, dass mir die Koffer nach Hause gebracht werden, sobald sie da sind, mache ich mich auf den Weg zum Taxistand. Nur noch ein Taxi da, jetzt aber schnell. Ich greife schon nach der Tür, als ich unsanft zur Seite geschubst werde und beinahe auf meinem Hintern lande. Ein Typ im Businessanzug sieht aus mindestens 1,95 Meter mit schokobraunen Augen auf mich hinab und zieht spöttisch eine Augenbraue hoch, als ich ihn anblaffe.
Читать дальше