Ich versuchte, das Abendessen zu genießen. Unter anderen Umständen hätte ich in dem seltenen Luxus, der mich umgab, geschwelgt und jeden Bissen des ausgezeichneten Menüs auf der Zunge zergehen lassen.
Aber jetzt schmeckten die teuersten Delikatessen wie Stroh, und ich trank den Wein, als käme er aus der billigen Zweiliterflasche, die abends bei Beatrice und mir auf dem Tisch stand.
Hinterher versuchte ich, mich zu einem Entschluß durchzuringen.
„Bring mich nach Hause“, bat ich.
„Das war meine Absicht.“
„Du verstehst mich nicht! Bring mich nach Hause und verschwinde!“
„Du bist verrückt“, sagte er knapp.
„Laß mir Zeit. Ein paar Wochen wenigstens. Damit ich Klarheit gewinne. Ich weiß jetzt selber nicht, was ich will.“
Er schüttelte den Kopf und sah mich an, wie man ein Kind ansieht, dem man einen unsinnigen Gedanken ausreden muß.
„So kenne ich dich gar nicht, Janka. Seit wann bist du so labil? Und wie kannst du dir einbilden, ich ließe dich wochenlang in den Klauen dieser Beatrice, die dich offensichtlich um den Finger zu wickeln vermag?
Nein, nein, daraus wird nichts. Wenn sie den Kampf will – bitte, sie kann ihn haben. Aber auf keinen Fall ziehe ich mich still zurück.“
Er parkte den Wagen in einer Seitenstraße, da vor unserem Haus kein Platz war. Auf dem Rückweg legte er einen Arm um meine Schulter. Die Berührung tat gut. Sie nahm mir ein klein wenig von meiner Unsicherheit.
„Also doch!“ sagte Beatrice, als wir die Wohnung betraten. Sie stand unter der Wohnzimmertür und sah Bruno feindselig an.
„Was haben Sie erwartet?“ fragte er grinsend.
„Daß Sie begreifen und sich zum Teufel scheren!“
Ich hatte nicht die Kraft, mich in die Auseinandersetzung einzumischen.
Meinetwegen sollen sie sich um mich prügeln, dachte ich. „Die Idee mit dem Hotel war nicht schlecht“, sagte Bruno und grinste noch stärker. „Ich hatte Sie offenbar unterschätzt.“
„Okay“, sagte Beatrice. „Die nächste Runde geht an Sie. Aber ich gebe nicht auf.“
Bruno öffnete die Tür zu meinem Schlafzimmer und wartete darauf, daß ich an ihm vorbeiging. Ich wagte Beatrice nicht anzusehen.
„Du machst es dir unnötig schwer, Kleines“, sagte er leise, als wir allein waren.
Dabei streichelte er meine Wange mit dem Handrücken. Ich lehnte mich gegen ihn und bettete meine Stirn an seine Schulter.
„Laß uns zu Bett gehen“, schlug er vor.
Ich nickte und ließ mich von ihm ausziehen wie ein Kind. Er ist einen Kopf größer als ich und bestimmt doppelt so schwer. Seine geschickten Hände schälten mich aus den Kleidern. Ich fühlte mich geborgen und wurde ruhiger. Er hatte das richtige Rezept gefunden. Als er mir den Slip vom Leib gestreift hatte, hob er mich auf und legte mich auf mein Bett. Ich sah ihm beim Ausziehen zu.
Früher, wenn er sich in meiner Gegenwart entkleidet hatte, war er unsicher gewesen. Er hatte einen roten Kopf bekommen und sich umgedreht.
Aber in den sieben Jahren, die zwischen damals und heute lagen, war aus dem großen Jungen ein Mann geworden.
Ein Mann, von dem viele Frauen ihr Leben lang nur träumen.
„Wie wär’s mit einem Drink?“ fragte er.
Ich wollte aufstehen, aber er wehrte ab und sah sich suchend um. Grinsend zog er meinen Bademantel über, der ihm natürlich viel zu klein und zu eng war und nur eben dazu taugte, seine Blöße zu bedecken.
„Damit deine Freundin keinen Schock bekommt“, sagte er. „Wo finde ich Flasche und Gläser?“
„Im Schränkchen neben der Bücherwand.“
Er ging hinaus und ließ die Tür offen. Als er das Wohnzimmer betrat, sah Beatrice ihn an. Sie saß auf der Couch und hatte die Beine hochgezogen.
„Was wollen Sie?“ Ihre Stimme klang spröde und viel zu laut.
„Nichts von Ihnen, Verehrteste. Wir haben Durst.“
Sie schien sich wieder ihrem Buch zu widmen, aber ich war sicher, daß ihr keine Bewegung Brunos entging.
„Da war Whisky und Gin“, sagte er, als er zurückkam. „Ich habe den Scotch genommen. Recht so?“
Ich stand auf. Aus der Küche holte ich Eis und Wasser. Ich beeilte mich und gab mir Mühe, keinen Lärm zu machen. Es wäre mir nicht recht gewesen, Beatrice plötzlich gegenüberzustehen.
Bruno hatte meinen Bademantel ausgezogen, als ich zurückkam. Nackt saß er auf meinem Bett, ein Glas in der Hand. Das andere stand auf dem Tischchen. Ich gab ein Stück Eis und etwas Wasser hinein. Er lachte mich aus. „Warum trinkst du nicht gleich Limonade?“
Ich schüttelte nur den Kopf. Zum Abendessen hatte ich viel zuviel Wein getrunken. Und ich wollte nicht betrunken werden.
„Komm zu mir“, sagte Bruno weich und streckte eine Hand aus.
Ich nahm sie und ließ mich aufs Bett ziehen. Wir streckten uns nebeneinander aus. Bruno hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und betrachtete meinen nackten Körper.
„Du weißt nicht, wie oft ich in all den Jahren an dich gedacht habe.“
„Wirklich?“ Meine Stimme klang atemlos.
„Und wie ich an dich gedacht habe.“
Er machte eine lange Pause; ich zweifelte schon daran, daß er das Thema weiter verfolgen würde.
„In der ersten Zeit hat es so wehgetan, daß ich immer tagelang außer Gefecht gesetzt war. In jeder Beziehung. Ich konnte nicht arbeiten. Nicht essen. Ich suchte mir Frauen, aber nichts ging. Ich war regelrecht impotent.“ „Ich glaube dir kein Wort“, sagte ich mit belegter Stimme. „Bitte, spiel mir kein schlechtes Theater vor, Bruno!“ Sein Blick war ernst. Meine Ungläubigkeit schien ihn nicht zu kränken.
„Es war so“, sagte er nur.
„Aber du hast nie versucht, mich zu finden und zurückzuholen.“
„Nein. Denn ich war sicher, bei dir für immer und ewig verspielt zu haben. Vor allem, als ich dich dann mit einem anderen Mann sah.“
„Du hast mich gesehen?“ fragte ich überrascht.
„Ja. In Düsseldorf. Es war ein Zufall. Ich hatte geschäftlich dort zu tun. Plötzlich fiel mir ein Mädchen auf, das vor mir herging. Neben einem baumlangen Kerl, der seine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. Das Mädchen warst du.“
Er runzelte die Stirn und schien nachzudenken.
„Es sah lächerlich aus“, sagte er dann.
Ich dachte an die Zeit in Düsseldorf. O ja, ich wußte, mit wem Bruno mich gesehen hatte! Ich wußte es nur zu gut. Ob ich ihm davon erzählen sollte?
Aber da sprach er bereits weiter. Jetzt war seine Stimme wieder weich und zärtlich.
„Später habe ich alle unschönen Erinnerungen gestrichen und nur das in meinem Gemächtnis behalten, was unsere Zeit so wunderbar gemacht hat. Ich sah dich dann vor mir, wie du jetzt hier liegst: Nackt in einem breiten Bett.“ „Nackt im Bett?“ fragte ich zweifelnd.
Er begriff den Einwand.
„Vielleicht sind wir tatsächlich auseinandergegangen, weil das damals nicht geklappt hat. Aber für meine Erinnerungen war es belanglos. – Weißt du, was ich immer besonders deutlich vor mir gesehen habe? So intensiv, daß ich die Hand ausstreckte, um es zu berühren?“
„Was?“ fragte ich gebannt.
„Dein Schamhaar“, sagte er mit einem kleinen zärtlichen Lachen. „Ich habe nie eine andere Frau gekannt, die solches Schamhaar hat. Dicht und kraus und lackschwarz. Wirklich, es glänzt, als wäre es mit Lack behandelt, deine helle Haut läßt es noch besser zur Geltung kommen.“ Seine Hand strich behutsam über meinen hohen Schamhügel. Ich spürte seine Fingernägel, die durch das dichte Haar bis zur Haut drangen. Als er sich hinabbeugte, hielt ich den Atem an. Meine Schenkel zitterten. Ich mußte mich zusammennehmen, um sie nicht zu spreizen. Brunos Lippen berührten mich sehr sanft. Er hielt ganz still, und ich vibrierte und ballte die Hände zu Fäusten, um mich nicht zu verraten: Mein Verlangen nach intensiveren Liebkosungen, das längst geweckt war.
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