Die Dämmerung machte aller Arbeit ein Ende. Als beim Abendmahl die Frage der Nächtigung beraten wurde, vers uchte Franzel mit seinem Vorschlag durch- zudringen: „Wir schlafen im Heustadel.“ Der Heger aber blieb dabei, sie sollten auf dem Hausboden schlafen. Zwei Strohsäcke wurden mit Heu gefüllt und auf dem Boden mit Kisten s o umstellt, dass ein wind- geschützter Winkel entstand. Überdies befestigte der Heger einen alten Bilderrahmen s amt Glas mittels Reiberschrauben s o vor der Giebelluke, dass ei n ge- schloss enes F enster, entstand. Mit F ederpolstern unter den Köpfen, Sepperl mit einer Tuchent1 , Franzel mit des Hegers altem Pelz zugedeckt, schliefen die Brüder vor Müdigkeit, dass sie das Rascheln und Knuspern der Mäuse am Korn nicht hörten. Nicht einmal das Miauen der Hauskatze, die vor dem ungewohnterweise geschlossenen Dachfenster Einlass begehrte, weckte die Schläfer. Schon frühmorgens stand der Heger mit den Knaben an der Hobelbank im Holzschuppen. Er bezeichnete die Schnittlinien der Bretter und Querlatten, aus denen die Tür gefertigt werden sollte, und unterwies die Knaben im Gebrauch des Hobels. Aber nur Bertel und Sepperl teilten sich in die Herstellung der Tür. Franzels Aufgabe war, aus alten Fassreifen die Angelbänder für die Tür herzustellen. Er hatte in den Hammerwerken an der Erlaf den Schmieden genug abgeguckt und vom Vater viel Bastlervorteile erlernt, dass er sich zu helfen wusste. Mitten im Hof entzündete er zwischen Ziegeln ein Holzfeuer, das zum Anglühen eines alten, drei Finger breiten Fassreifens dienen follte. Und Franzel begann seine Schmiedearbeit. Er schleppte sich den Hackstock ins Freie und legte den an einer Stelle angeglühten Fassreifen darauf. Während ihm Liesel denselben mit der Zange hielt, setzte er einen Breitmeissel an und schlug mit dem Hammer darauf, dass der Reifen zerschnitten wurde. So zerlegte er ihn geschickt in sechs Bänder von halber Armlänge. Diese erhitzte er in der Mitte und bog sie so um, dass jeder im Umbug einen federstieldicken Eisennagel umklammern konnte. Er glühte die aufeinandergelegten Hälften eines Bandes an, setzte den Nagel mit der Spitze darauf und schlug ein Loch durch beide Bandhälften. So brachte er in jedem der drei Bänder je drei durchgehende Löcher an. Zwei dieser Angelbänder wurden in der Nähe des oberen Randes der Tür, zwei unten an die Tür geschraubt, und zwar so, dass zwischen je zwei Bandbügen ein dritter Raum hatte. Das dritte Band aber wurde nach genauer Einpassung der Türe in den Rahmen so an den rechten Türständer angeschraubt, dass der Umbug als Nagelöse genau zwischen die Ösen der Türbänder passte. Dann steckte Bertel durch die oberen drei Ösen den Nagel und einen zweiten durch die unteren drei. Und jetzt war die Freude gross! Die Türe liess sich richtig in ihren Angeln drehen, sie ging auf und zu, auf und zu! — Das war eine Freud’!
Nun aber galt es, die Türe verschliessbar zu machen, wenn auch nur, um dem Luftzug den Weg zu verlegen. Franzel kramte im Eisenvorrat des Hegers, fand aber keinen Riegel, keine Klinke, nichts, was zum Gebrauch fertig gewesen wäre. — Da half er sich mit einem Holzriegel: In eine zwei Spannen lange Latte aus Hartholz schnitt er auf einer Schmalseite seichte Kerbe ein. Er brachte an der Tür und am Eckständer winkelig gebogene Bänder an, zwischen denen und der Tür der Riegel leicht hin und her geschoben werden konnte. Eine Handbreite über der Mitte des Riegels bohrte er ein Loch in die Türe. Jetzt galt es, einen Haken herzustellen, der, von aussen durchs Loch gesteckt, den Riegel schieben sollte. Dazu taugte wohl ein rechtwinkelig gebogener starker Draht, den Franzel mit einer ringförmigen Handhabe versah. Mit dem so entstandenen Hakenschlüssel waren vom Loche aus die Zähne des Riegels erreichbar. Aber es ging nicht, wie der kleine Erfinder wollte. Zwar schob der Haken den Riegel einen Zahn weit, dann aber spielte er in der Luft. Nun beguckten die vier Kinder ziemlich ratlos das offenbar misslungene Schloss. „Jetzt stehn m’r da wie die Eseln am Berg,“1 meinte Bertel. Da griff Liesel nach dem Schlüsselhaken, zog ihn heraus, steckte ihn hinein und drehte ihn spielend herum. Und siehe da: Bei der zweiten Umdrehung schob er den zweiten Zahn, bei der dritten den dritten; und der Riegel bewegte sich weiter. Und ebenso liess er sich zurückschieben. Da gingen die drei Buben in die Kammer, um zu beobachten; und Liesel blieb draussen, um das Zu- und Aufsperren auszuproben. Der Riegel griff hinter den Eckständer, die Tür war verschlossen. Dann sperrte sie auf. „Es geht, es geht!“ riefen alle und freuten sich so, als wäre jeder einzelne der Erfinder des Schlosses gewesen. Das war ein Ereignis! Sie brauchten jemand, der ihre Freude teile. Da rief Liesel die Mutter herauf. Die musste alles liegen und stehen lassen und die Erfindung bewundern. Jetzt erst war das Dachstübchen fertig. Die Kinder zappelten schon darauf, es wohnlich einzurichten. Aber es musste noch geweisst werden. Da verdünnte Bertel gelöschten Kalk mit Seifenwasser, band den Maurerpinsel an eine lange Stange und begann damit die Wände zu streichen. Der erste Anstrich war nur ein fahriges Hin und Her von grauen Pinselstrichen; der Grund schimmerte durch. „Oajeh! häst es liaber lass en wia’s war,“ meinte Sepperl verächtlich. Bertel fuhr herum: „Siehst denn nit, dass das erst grundiert ist?“ Die Hegerin rief die Kinder zum Essen: „Werkleuť, kommts, heut’ gibt’s G’selcht’s mit Sauerkraut und Knödeln.“ Die Kinder stürmten die Stiege hinunter. Jetzt erst wussten sie, dass sie Hunger hatten. Vorher war es keinem eingefallen, dass diesmal das zweite Frühstück ausgeblieben war. Da kam auch schon der Heger heim und lobte, was die Kinder gearbeitet hatten. Beim Mittagessen sprach er wohlgelaunt den Pflegekindern seine Anerkennung aus: „Findig seids und d’ Arbeit g’freut euch; da is mir nit bang, dass ihr als richtige Gschaider in d’ Höh’ kommt.“ Bertel und Franzel nahmen die Arbeit früher auf als Liesel und Sepperl, die der Mutter zur Hand gingen. Als sie nach einer Weile den andern auf den Boden folgten, war der zweite Anstrich beinahe fertig. „So bleibt’s?“ fragte Sepperl, noch immer nicht zufrieden. „Schau dir’s in ein paar Tagen an, wann’s trocken is,“ versetzte Bertel etwas gekränkt. „Js ja ’s Malter drunter no feucht.“ Jetzt wurde alles aus der fertigen Stube geräumt, was an Werkzeugen und Geräten herumlag. Liesel fegte den Boden rein. Und die Brüder wollten schon mit ihren Strohsäcken einziehen. Da kam der Heger die Stiege herauf: „Vom Einzieh’n is noch lang ka Red’. Es is no zu viel Feuchtigkeit im Anwurf. Wollts doch nit krank werden?“ Dabei stocherte er mit der Stiefelspitze im brüchigen Lehmbelag des Bodens, dass der Staub aufflog. „Und so kann der Boden nit bleiben; sonst fressen euch die Flöh’!“ „Wie denn das?“ fragte Sepperl. „Aus’n Staub werden doch die Flöh’,“ belehrte ihn Franzel und dachte dabei: „Die Mutter hat’s g’sagt.“ Aber das Gedenken tat ihm so weh, dass er verstummte. „Es is was dran, was der Franzel sagt,“ erklärte der Heger. „In den Staub legen nämlich die Flöh’ ihre Eier.“
Nachdenklich sahen alle den geringen Rest von Brettern an, der noch da war. „Zum Bretterboden langt’s nit,“ äusserte sich Bertel. „Und Zement wär’ jetzt schwer zu haben,“ sagte der Heger. — „Lahm tuats aa und er springt nit, wann m’r an kurzen Kuhmist drunter mischt. I hab’ zuag’schaut, wias beim Pichlbergbauern die Tenn herg’richt’ haben zum Haberndreschen,“ erklärte Franzel. „Dann gehn m’r ’s an,“ riet Bertel. Im selben Trog, der zum Mörtelanmachen gedient hatte, rührte er Lehm mit Wasser an, Sepperl und Franzel brachten in Kübeln Kuhfladen aus dem Stall und dann rührten alle vier Kinder mit Latten den dicklichen Brei sorgfältig durcheinander, bis er zähe und bindig wurde. Der Dachstubenboden wurde mit Wasser besprengt, der Lehmbrei schaffelweis darauf geschüttet, mit den Polierbretteln glattgestrichen, geschlagen und wieder geglättet, bis er schön eben war und fugenlos den Wänden anlag. Indessen war die Dämmerung angebrochen, das Tagwerk war zu Ende.
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