„Na ja, — was haben aber die Frauenzimmer mit der Fohlenkoppel zu thun?“ —
„Ei! sie bewohnen dieselbe sogar; — Isolde ist eine Dame!“ —
Kronstadt lachte so laut auf, wie es in diesen Räumen gestattet war. „Brillant, mein gnädiges Fräulein! Vortrefflich! — Gegen diese Thatsache kämpfen Götter selbst vergebens!“ —
„Ränke und Schliche! — Gott soll einen vor den Diplomaten im Weiberrock bewahren!“ schüttelte Eberhard voll gutmütiger Entrüstung den Kopf. „Sie sehen, Kronstadt, wie sie ihrem leiblichen Bruder das Fell über die Ohren zieht — und mit der wollen Sie sich in Pferdehändel einlassen?“
„Ich riskiere es, und vertraue diesen liebenswürdigen Händen so sehr, dass ich ihnen sogar den Hasen im Sack abkaufe!“ —
„Donnerwetter! — Hör mal, Altes, du könntest von jetzt ab meine Pferdegeschäfte auch übernehmen! Ich habe zu Hause noch einen spatlahmen, alten Schinder auf Gnadenbrot gestellt, — den stopp ihm mit deinen liebenswürdigen Händen in den Sack hinein!“ —
Allgemeines Gelächter, — der Sprecher wandte sich zur Seite, um einem Kammerherrn, welcher ihm im Vorüberschreiten jovial die Schulter klopfte, mit biederem Druck die Hand zu schütteln, und Kronstadt wies auf den verlassenen Platz und scherzte: „Nehmen wir doch noch einen Augenblick auf diesem westöstlichen Diwan Platz, mein gnädiges Fräulein, und gestatten Sie es nachsichtig, wenn ich mich voll begreiflichen Interesses noch ein wenig über meine zukünftige Isolde informieren möchte! Ist es ungalant, nach dem Alter der jungen Dame zu fragen?“
Resi hatte das unbestimmte Gefühl, als hätten sich alle Himmelsthüren sperrangelweit vor ihr aufgethan, sie mit einer Flut strahlenden Lichtes zu blenden und ihr junges Herz in den Tiefen der Seligkeit versinken zu lassen. Wachte sie denn wirklich, oder war alles nur ein schöner Traum, aus welchem sie im nächsten Augenblick Dörtes Klopfen wecken musste?
Er hatte mit ihr tanzen wollen! Er setzte sich an ihre Seite, um in heiterster und liebenswürdigster Weise zu plaudern, so lebhaft und interessiert; als habe er die schönste, gefeiertste Dame vor sich, — nicht aber eine Resi Wieders, vor deren Spiegelbild die gute Dörte beinahe die Hände gerungen vor Jammer und Mitleid!
Und hatte schon vorher die bescheidene und dankbare Freude über ihr ganzes Gesicht gelacht, so verklärte die Glückseligkeit nunmehr ihr Antlitz, Geist und Witz sprühte aus ihren Augen und gestaltete die Unterhaltung immer lebhafter und lustiger!
Kronstadt gehörte zu den Menschen, welche sehr der Anregung bedürfen, um sich zu amüsieren. Sein stilles, reserviertes Wesen gab ihm leicht einen Beigeschmack der Langweiligkeit, und da die meisten jungen Mädchen mehr amüsiert sein wollen, als dass sie selber amüsieren, so hatte der Ulan bislang wenig animierte Ballunterhaltungen kennen gelernt. Phrasenhaftes Courmachen lag nicht in seinem Wesen, — er „schwang“ sich wohl hie und da zu einer Artigkeit auf, aber er war zu ehrenhaft und streng denkend, um Hoffnungen zu erwecken, welche er nicht zu erfüllen gedachte, oder lediglich mit Gefühlen zu spielen, welche ihm fern lagen.
So war ihm die harmlos vergnügte Art Resis neu und fesselte ihn, — es lag so nichts in ihrer ganzen Art, was irgendwie lyrischen Beigeschmack hatte, man sprach über Dinge, welche weitab von dem Gebiet jedweder schmachtenden oder pikanten Sentimentalität lagen, und doch amüsierte er sich, wie selten zuvor.
Eberhard ward nach seiner flüchtigen Begrüssung mit dem Kammerherrn von zwei bekannten Damen angeredet und hörte andächtig, mit seinem so unverbrüchlich ernsten Gesicht, aus dessen Augen es desto humorvoller wetterleuchtete, zu, was man ihm zu sagen hatte. Er dienerte und klappte mit den Sporen, und die Damen plauderten weiter und er dachte sich sein Teil dazu, und als die einseitige Unterhaltung zur rechten Zeit durch eine Gegenströmung der zum Souper strebenden alten Junggesellen, welche nie die Zeit erwarten können, bis sich die Flügelthüren öffnen und schon zehn Minuten zu früh in deren Umkreis Posto fassten — unterbrochen wurde, strich der Kürassier leise stöhnend mit dem Battisttuch über die Stirn und schaute sich nach seiner Schwester um.
Ei du Schockbombenelement! — da sitzt ja der Kronstadt so nahe neben ihr, als führe er in der Eisenbahn und wolle nur auf halbem Platz ein Kinderbillet bezahlen, und redet so eifrig auf Resi ein — und sie nickt und lacht, dass alle Schneeglöckchen in ihrem Kranz Sturm läuten, — und dann schwatzt sie wieder und er lacht — und so geht das ohne Unterbrechung, wie bei Müller und Schultze, wenn sie Weltgeschichte machen!
Ist’s möglich! der Kronstadt! und er hatte ihn immer für einen so blasierten, berechnenden Menschen gehalten! —
Und Resi! — In solchem Feuer hat er sie ja noch nie gesehen, — reden thut sie ja immer gern und hat den Mund auf dem rechten Fleck, aber heut liegt etwas ganz Besonderes in ihren Augen, ein Ausdruck ... Wie .. ja wie bei einem, der eine Portion Ragout von Schemelbeinen erwartet hat, und dem plötzlich — für dasselbe Geld — ein Viertel Gänsebraten vorgesetzt worden ist! Eberhard spitzt nachdenklich die vollen, roten Lippen, über welchen es erst so ganz wenig und ganz semmelblond sprosst, und pfeift ganz leise, kaum, dass er es selber hört, etwas sehr Unmusikalisches, welches in keinerlei Zusammenhang mit seinen Gedanken steht.
Er hat sich diese Eroberung Resis am allerletzten träumen lassen, aber sie freute ihn, ganz unbändig sogar, denn er gönnte seinem „Altchen“ alles Gute und ein bischen Vergnügen auf einem Balle ganz besonders.
Nur die Thatsache, dass Kronstadt einen so guten und Resi einen so schlechten Geschmack dabei entwickelt haben, macht ihn gewaltig erstaunen. Seine kluge, gute, lustige Schwester, wenn die Menschen sie auch hässlich nennen, muss jedem gefallen, der auch nur ein einigermassen vernünstiger Kerl ist, aber Achat Kronstadt, dieser eitle, verwöhnte Schlingel, der sich für gewöhnlich nur anschmachten lässt und höchstens mal mit den schönen Augen klimpert, wenn eine Prinzess ihn zum Tanze befiehlt, oder die Frau Regimentskommandeuse ihm Elogen sagt, — wie kann seine Resi so oberflächlich sein und sich so lange Zeit derart „Feuer und Fett!“ mit ihm unterhalten!
Wunderlich! sie hat es aber gezwungen! Der einsilbige Adonis taut auf und spricht so witzige Sachen .... Grundgütiger! wo nur die Menschen alle die Worte hernehmen!! —
Was gibt es nur für zwei wildfremde Leute zu schwatzen? Ihm würden nicht drei Sätze einfallen! Neulich hat er bei einem Diner neben einem kleinen Mädchen gesessen, das wollte auch unterhalten sein, und das war eine verteufelte Sache, denn ihm fiel nichts ein. Er trank in seiner bedrängten Lage ein Glas Rotwein nach dem andern und sah seine Nachbarin freundlich dabei an, und als die Pastetchen kamen, fiel ihm plötzlich seine Unaufmerksamkeit ein: Sie trinken vielleicht auch ein Glas Rotwein, mein gnädiges Fräulein?“ —
„Danke! ich möchte Sie nicht berauben!“ — lächelte sie freundlich zurück.
Da trank er allein weiter.
Als der tote Fisch kam, zermarterte er sein Gehirn um eine Anspielung: „Angeln Sie, gnädiges Fräulein?“ —
„Nicht nach Stockfischen!“ — sie lächelte abermals holdselig wie ein Engel, und er fand ihre Antwort etwas merkwürdig, denn, so viel er wusste, werden die mit Netzen gefangen! —
Was nun weiter? — Er schenkte sich abermals ein und sass wie auf Kohlen; sonst hatte er sich nach der zweiten langen Pause mit scharmantem Diener empfohlen, aber während des Essens konnte er doch nicht den Platz wechseln!
Das Eis erschien in Gestalt einer lieblichen Palme, unter welcher eine Gruppe Gazellen lagerte. „Nun, gnädiges Fräulein, wie denken Sie über Afrika?“ schmunzelte er und freute sich kolossal über seinen guten Einfall.
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