„Danke; ich lasse ihn als ‚Anstand‘ auf der Schlüssel liegen!“ — erwiderte Fräulein von Wieders energisch, und Tante Auguste zuckte spöttisch die Achseln und blickte auf ihren Teller, wo ein halber Apfel sehr ostensibel „aufgebaut“ lag.
„Der ‚Anstand‘ liegt auf dem Teller — wie bei mir! Alles andere ist taktlos!“ —
„Eberhard!“ rief Resi mit kirschrotem Kopf. „Ich bitte dich, entscheide! Wer hat recht?!“
„Eberhard, ich bitte dich ebenfalls, entscheide!!“ gebot auch die Pflegemutter mit dem würdigsten Ton, welcher ihr zu Gebote stand, und Leutnant von Wieders richtete sich mit wohligem Stöhnen vollster Sättigung auf, wischte sich die fleischigen Lippen mit der Serviette und blickte die beiden Damen abwechselnd sehr ernst an. Und dann nahm er die Schüssel mit dem Punschküchlein und schob dasselbe sehr gelassen in den Mund, und griff gleicherzeit nach dem Apfel auf Tantchens Teller und begann ihn eifrig zu schälen.
„Wer recht hat von euch beiden?“ fragte er kauend, und sah aus, so klug und so weise und majestätisch wie König Salomo, wenn er Gerichtstag hielt: „Das will ich euch sagen: Keine! denn der sogenannte ‚Anstand‘ ist erstens ein ganz veralteter Zopf und zweitens ein Provinzialismus, spricht also in der gebildeten, neutralen Welt gar nicht mehr mit!“ — Und damit schob er die Apfelscheibe zwischen die weissen, kräftigen Zähne: „So, meine Damen! Sie sehen: beide ‚Anstands‘ hat der Deiwel geholt, und wo nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren!“ —
Resi lachte Thränen vor Amüsement über diese verblüffende Wendung, und es fiel ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen, warum der Schalk den Wortkrieg heraufbeschworen, — er gebrauchte eben seine Unterhaltung bei Tisch! — Tante Auguste aber war schwer indigniert und hat dem bösen Neffen diese „Roheit“ drei Tage lang nicht vergessen, bis Eberhard am vierten mit Logenbillets zum Opernhause erschien — „Norma“! — ach, die liebe, alte Oper! Tante sehnte sich lange nach einem Wiedersehen mit ihr — und so verzieh sie und fuhr mit. — Ja! daran musste der junge Offizier gerade recht innig vergnügt denken und blickte ganz erstaunt von seinem Crêmeteller auf, als Resis und Kronstadts Unterhaltung plötzlich neben ihm verstummte und beide ihre Plätze verliessen.
„Na, Wieders?“ lachte der Ulan und klopfte Eberhard auf die Schulter: „Die Souperstunde hat ausgeschlagen, oder wollen Sie gleich zu den Resten hier bleiben?!“ —
„Alle Donnerwetter! — lass dich halten, goldne Stunde! — Lakai! schnell noch ein Abschiedsglas!“ —
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