Er blieb noch einen Moment mit dem Schlüssel in der Hand stehen, so als habe er sich noch nicht ganz entschieden, was er jetzt tun sollte.
In diesem Augenblick schlug die Kirchturmuhr ein einziges Mal, halb elf, und es gab keinen Grund, noch länger zu warten. Aber die Sache war wirklich eigenartig, äußerst eigenartig. Er runzelte grübelnd die Stirn, während er ein paar Schritte zur Seite ging, sich tastend einen Weg hinter den großen Lorbeerbaum bahnte, der rechts neben der Kirchentür stand, sich mühsam bückte und den losen Stein aus der Mauer herausnestelte. Er legte den Schlüssel in den Hohlraum dahinter und setzte den Stein sorgfältig wieder an seinem Platz ein. Während er dies tat, schmunzelte er ein wenig. Nun hatte der Schlüssel bereits seit vierzig Jahren dort seinen Platz, aber das wussten außer ihm selbst letzten Endes nur eine Hand voll Menschen. Er richtete sich wieder auf und sein Gesicht nahm erneut den gleichen grübelnden, halb ärgerlichen, halb beunruhigten Ausdruck an, den es zuvor gehabt hatte. Eigenartig.
Er ging den breiten, platt gewalzten Weg zum Tor hinab, an Gräbern vorbei, an denen er schon tausendmal vorbeigekommen war. Als er Konsul Mørchs pompöses Grabmal passierte, blieb er stehen und lauschte, ein alter, fast vergessener Instinkt hatte eine vage Unruhe in ihm geweckt und er drehte sich unwillkürlich halb um.
Aber seine Reaktionen waren allzu langsam geworden. Er begriff nicht einmal mehr, dass dort jemand war, da traf ihn auch schon ein Schlag und falls er einen Laut von sich gab, so hörte er ihn jedenfalls selbst nicht mehr.
Er lag zur Hälfte auf dem Grab, sein Kopf ruhte auf einem Stein und der Regen trommelte unablässig auf seinen schwarzen Regenmantel herab.
»Aaaaaah!« Høyer gähnte lautstark, als Therkelsen und er spätabends in seinem Büro saßen und den Tag Revue passieren ließen.
Therkelsen sah ihn an und grinste. »Müde?«, fragte er.
»Nicht im Geringsten«, erwiderte Høyer. »Ich sorge bloß für eine gute Durchblutung meines Gehirns. Du solltest es auch einmal probieren, das könnte dir wahrlich nicht schaden. Übrigens ist es schon nach halb elf und ich glaube sowieso nicht, dass wir heute noch weiterkommen werden.«
Er blickte etwas verzagt auf die Berichte auf seinem Schreibtisch.
»Nein«, sagte Therkelsen. »Es war nicht gerade viel, was wir herausgefunden haben. Was machen wir jetzt?«
»Ich lasse schon nach dem roten Mazda fahnden«, sagte Høyer.
»Du hast gesagt, der Kleine war erst sieben«, wandte Therkelsen ein. »Glaubst du wirklich, dass wir uns auf ihn verlassen können?«
»Ja, davon bin ich tatsächlich überzeugt«, sagte Høyer. »Und es ist zumindest denkbar, dass es sich um das gleiche Auto handelt, das deine Freundin mit dem Hund gesehen hat. Das ist natürlich nur eine Vermutung, aber sie fühlte sich offensichtlich bedroht, und wenn es um so etwas geht, glaube ich an den sechsten Sinn der Menschen.«
»Meinst du, wir sollen Hilfe von außen anfordern?«, fragte Therkelsen.
»Auf jeden Fall«, antwortete Høyer. »Es gibt vieles, was darauf hindeutet, dass wir es wieder mit dem gleichen Mann zu tun haben. Also wäre es das Beste, die Sonderkommission von Anfang an in den Fall einzuschalten. Sie kennen die anderen Fälle und haben deshalb viel bessere Möglichkeiten, Schlüsse zu ziehen.«
»Und wenn sich doch noch herausstellt, dass es nicht der Gleiche war?«, fragte Therkelsen.
»Nun ja, das wird mich nachts auch nicht wach halten können«, meinte Høyer. »Jetzt, da die Ferien vor der Tür stehen und die da oben zu allem Überfluss auch noch wollen, dass wir unsere Überstunden abfeiern, können wir jede Hilfe brauchen, die wir bekommen können. Nein, nein, lass uns diesen Fall der Sonderkommission überlassen. Ich bin mir ganz sicher, dass es auch so schon mehr als genug Dinge für uns zu tun geben wird.«
Von Zeit zu Zeit können einen Høyers Prophezeiungen geradezu abergläubisch werden lassen, dachte Therkelsen.
Aber das dachte er erst am nächsten Tag.
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