„Besonders entgegenkommend sind Sie gerade nicht. Ich bedaure das sehr, weil ich es nicht von Ihnen erwartet habe. Ich stehe nämlich auf dem Standpunkt, daß eine Hand die andere wäscht!“ Das war deutlich.
Unangenehm starkes Herzklopfen setzte Regina plötzlich zu; sie spürte es bis zum Hals hinauf.
Frau Gerhard lächelte schon wieder.
„Ich befinde mich in einer Notlage, aus der Sie mir helfen können, wenn Sie wollen, und ich rechne bestimmt mit Ihrem Wollen. Bestimmt!“ wiederholte sie noch einmal, und es klang trotz leisen Sprechens, als sei das Wort dick unterstrichen worden.
Regina war vollkommen im Bilde. Frau Gerhard dachte, sie hätte Regina einen Gefallen getan, weil sie ihren Eltern nichts von dem Vorkommnis mit dem Studenten erzählt hatte. Sollte sie doch den Eltern erzählen, was sie neulich morgens gesehen hatte. Dann brauchte sie wegen dieser Frau nicht mit dem Vater zu reden. Mochte die ihre Eitelkeit eindämmen und ihren Verpflichtungen pünktlich nachkommen.
Dann aber dachte Regina an Dieter Lindner.
In welchem Licht würde er ihren Eltern erscheinen? Nein, das durfte nicht sein! Es gab keinen Ausweg, sie konnte die Gefälligkeit nicht verweigern.
Deshalb erklärte sie:
„Ich will ja mit meinem Vater sprechen, aber ich habe wirklich keinen Einfluß auf seine Entscheidung.“
„Den Einfluß müssen Sie sich eben sichern“, kam es zurück. „Zugleich mache ich Sie darauf aufmerksam, daß ich nicht wünsche, Ihr Vater oder Ihre Eltern erfahren durch Sie, aus welchem Grund ich die fällige Miete jetzt nicht zahlen möchte. Das teile ich Ihnen nur ganz im Vertrauen mit.“
Da faßte Regina einen Entschluß. Sie besaß ein paar hundert Mark Erspartes von Geburtstagsund Weihnachtsgeschenken der Eltern. Gut, sie würde sich soviel holen, wie die Gerhardsche Monatsmiete betrug, und das Geld der Frau aushändigen.
Sie machte den Vorschlag.
Frau Gerhard nickte. „Ein guter Gedanke, Fräulein Regina, ein sehr guter Gedanke! Ich werde zum Herbst das Geld an Sie zurückzahlen.“
Regina erhob sich. Ein Gefühl von Widerwillen gegen diese eitle Frau überkam sie. Hastig sagte sie:
„Ich muß gehen. Das Geld werde ich Ihnen morgen vormittag bringen.“
Frau Gerhard geleitete sie bis zur Tür. Niemand in der Wohnung hatte etwas von dem Besuch gemerkt. Das war angenehm, da wurden überflüssige Fragen vermieden.
Else Gerhard kehrte sehr vergnügt in ihr Schlafzimmer zurück und betrachtete noch einmal das grüne Jackenkleid. Wie glatt alles gegangen war! Viel glatter, als sie erwartet hatte.
Am nächsten Vormittag löste Regina ihr Versprechen ein. Eine Stunde später brachte Frau Gerhard die Miete zu Doktor Ißberg hinunter.
„Ich bin immer froh, wenn ich das Geld los bin, damit ich nicht in Versuchung gerate, etwas davon auszugeben“, meinte sie.
Regina hörte es nebenan und schämte sich für die Heuchlerin.
Dieter Lindner traf sie gar nicht mehr; er ging ihr sichtlich aus dem Weg. Sie begriff das, aber es tat ihr weh. Sie teilte doch nun ein Geheimnis mit ihm — ach nein, auch Frau Gerhard wußte darum — aber die kannte das Geheimnis nicht richtig, sie sah alles, was sie davon wußte, entstellt und falsch.
Und Regina durfte ihr nicht die Wahrheit sagen, damit hätte sie nicht nur Dieter Lindner geschadet, sie würde wohl auch kaum Glauben gefunden haben. Dazu kam noch ihr Schweigeversprechen.
Die junge, bisher so lebensfreudige Regina Ißberg konnte nicht mehr so harmlos froh sein wie bisher, ein Schatten lag nun über ihrem Weg, der kurz zuvor noch heiter und besonnt gewesen war.
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