Sieben anderen Männern dagegen sollte der Prozeß gemacht werden, und sie wurden ins Gefängnis in Ballina überführt. Fast alle »Beweise« gegen sie wurden von einem Mann namens Paudge Nally geliefert, einem kleinen, unglücksseligen, buckligen Mann, der ein wenig Englisch sprach. Sogar Captain Cooper war klar, daß Nally kein Whiteboy war, er gab jedoch vor, viele Männer in der Baronie zu kennen, die auf irgendeine Weise ihre aufrührerische Gesinnung zum Ausdruck gebracht hatten. Einer der nach Ballina gebrachten Männer war ein junger Bursche namens Gerald O’Donnell, der seinem Bruder Ferdy auf einem Hof half, der von Cooper gepachtet war. Es stellte sich heraus, daß Gerald O’Donnell ein Jahr zuvor Sam Pryor, der die Steuern einziehen wollte, mit Flüchen und Verwünschungen davongejagt hatte. Nally sagte aus, daß der junge O’Donnell seitdem in den Schenken immer wieder Drohungen gegen Pryor ausgestoßen und einmal behauptet hätte, daß die Männer in anderen Counties mit den Ohren der Steuereintreiber umzugehen wüßten. Die Aussage Nallys, der danach aus Sicherheitsgründen in einem Zimmer in Coopers Haus wohnte, halte ich für nichtig. Er war der Prototyp der Denunzianten, der Schenkenklatsch, begleitet vom Schnaufen einer ewig laufenden Nase, weitertratschte. Mr. Falkiner vermutete, daß seine »Beweise« mit einem Nachlaß seiner Pacht zusammenhingen, die arg in den Rückstand geraten war. Diese Annahme, so abstoßend sie auch sein mag, ist überzeugend, denn natürlich mußte ihn ein anderes Motiv als eine abstrakte Liebe zur öffentlichen Ordnung zu diesem gefährlichen Benehmen bewogen haben. In irischen Gerichten treten häufig Denunzianten auf, aber nur wenige erreichen danach ein hohes Alter.
Die sieben Gefangenen wurden in zwei Karren, bewacht von der Miliz, aus Killala weggeschafft. Ihre Frauen und Mütter veranstalteten mit ihren Klagen einen Höllenlärm. Sie klammerten sich an den Seiten der Karren an und versuchten, die gefesselten Hände der Gefangenen zu fassen. Viele Menschen standen an den Straßen und sahen sich alles an, und bei den meisten verursachte das Weinen der Frauen ein mitleidiges leises Gemurmel. Als die Karren an der Kapelle vorbeifuhren, stürzte Murphy, der Kaplan heraus und hielt den Männern ein Kreuz an die Lippen, und diese küßten es voller Hingabe. Ferdy O’Donnell dagegen lehnte an der Stirnwand der Kapelle, die Hände hinter den Hosenbund gestopft, die Lippen fest zusammengepreßt. Neben ihm stand sein Freund Owen MacCarthy und redete auf ihn ein.
Einige Minuten, nachdem die Karren sich auf die Straße nach Ballina in Bewegung gesetzt hatten, hörten wir noch das Gerumpel ihrer Räder und die Hufschläge der Miliz. Danach verstummte die Stadt nicht, denn die Frauen heulten weiter und die Bauern redeten miteinander. Ich kehrte voller Besorgnis in mein Haus zurück und wandte mich um Rat an unseren Schöpfer, zu dem ich in einer so leidenschaftlichen Sprache wie der des glühendsten Methodisten sprach.
In der nächsten Nacht wurde Paudge Nallys Hütte von einer großen Gruppe von Männern überfallen. Seine Frau und seine armen unschuldigen Kinder wurden auf die Straße gejagt. Dann wurde seine Hütte zerstört, seine Ernte angesteckt und sein bißchen Vieh geschlachtet. Ein solches Ereignis hätte einen Monat früher das ganze Land in Bestürzung versetzt, war aber jetzt fast schon erwartet worden, und die Leute sprachen darüber wie über eine unvermeidliche Bagatelle.
Ein Ereignis, das wir gesehen haben, beeinflußt unsere Phantasie am stärksten, und ich glaube, daß der Anblick der Gefangenen, der klagenden Frauen, der quietschenden Karren, der auf das Kreuz gepreßten Lippen mehr aussagte als ein Bericht über ein verbranntes Strohdach. Ich glaubte damals, wie mir meine Vernunft nahelegte, daß von den sieben festgenommenen Männern einige höchstwahrscheinlich Whiteboys waren und die anderen wahrscheinlich nicht. Und für die Bauern der Baronie muß der Anblick von unschuldig verhafteten Männern ganz besonders entsetzlich und zornerregend gewesen sein, ein Zeugnis ihrer absoluten Abhängigkeit von Willen und Launen ihrer Herren. In der Folgezeit, als ich einige Bauern besser kennengelernt hatte, erzählten sie mir immer wieder von diesem Ereignis, als ob unsere Sorgen damit begonnen hätten.
Diese Gesellschaft hier ist höchst sentimental und unbeständig, wie fast alle Reisenden berichtet haben. Die Bindungen von Freundschaft und familiärer Zuneigung sind stark. Gefühle werden leicht verletzt. Ein Mann mag in seiner Gemeinde übel angesehen sein, aber hängt ihn, oder werft ihn auch nur ins Gefängnis, und er wird zum beliebten Helden, Subjekt tränenreicher oder wütender Schenkenlieder. Und wenn es ein Mann ist wie Gerald O’Donnell, der geliebt und geachtet wird, dann nimmt dieser Zorn wütende Formen an. Vielleicht fingen unsere Sorgen wirklich in dem Moment an, als die Karren nach Ballina zum Gefängnis rumpelten. Aber das können wir nicht wissen. Das erste Glied in der Kette der menschlichen Leidenschaften ist oft unauffindbar, verloren in den wirbelnden Nebeln der Emotionen.
5
The Acres, Killala, 5. August
»Du hast mich in meiner eigenen Pfarre in Schande gebracht«, sagte Judy Conlon.
»Nun, Judy«, erwiderte MacCarthy, »ich glaube, daran waren wir beide beteiligt.«
Er lehnte am Türpfosten und schaute über die Bucht.
»Niemand hat jemals ein böses Wort über mich gesagt, als mein Mann noch lebte und mich beschützen und loben konnte.«
»Kein Mann könnte in dein Bett steigen, ohne sich zu erheben und deine Schönheit und deine Talente zu loben. Ich habe dich oft in meinem Herzen und in meinen Gedichten gelobt.«
»Damals war ich eine verheiratete Frau, und jetzt könnte ich auch verheiratet sein.«
»Ach, Judy, ein Schulmeister hat ein riskantes, unsicheres Leben, vor allem, wenn er auch noch Dichter ist.«
Sie stand im Hemd hinter ihm, ihre dunklen Haare fielen über ihre Schultern.
»Du bist angeblich ein guter Dichter, Owen ...«
»Das ist die Wahrheit, bei Gott, das ist sie.«
»Aber du bist auch ein guter Schulmeister, und Killala wird immer eine Schule brauchen.«
»Aber mich nicht, Judy. Ich gehe weg. Ich habe keine Nerven für das, was hier passiert und was noch passieren wird.«
»Und alles bloß, weil sie Sam Pryor die Ohren abgeschnitten haben? Er sieht doch jetzt viel hübscher aus, dieser miese Mistkerl.«
MacCarthy lachte. »Du wirst auch eines Tages mit den Schafscheren auf mich losgehen, du wildes Frauenzimmer. Und ich bete zu Gott, daß du dich mit meinen Ohren zufrieden gibst. Nein, in Killala wird es noch mehr Ärger geben, und bei solchen Gelegenheiten kommen Dichter oft zu Schaden. Ich schwöre bei Gott, ohne Mr. Falkiner und diesen kleinen protestantischen Pastor wäre ich heute nacht auch im Gefängnis von Ballina. Cooper hat sich alle Mühe gegeben.«
»Cooper sollte sich lieber vorsehen«, sagte sie. »Ich hab da so allerlei gehört. Cooper und dieser erbärmliche Paudge Nally bringen Männer mit Meineiden um die Freiheit.«
»Mein Gott, Judy, was hilft das denn dem armen Gerry O’Donnell, der gegen keinen Menschen jemals seine Hand erhoben hat, außer damals, als Pryor mit dem Steuereintreiber zwei von Ferdies Kühen holen wollte? Ich weiß zwar nicht mehr, wer ein Whiteboy ist und wer nicht, aber ich weiß, daß Ferdy keiner ist, und das würde ich auch beschwören.«
»Manche meinen, ein Schulmeister sollte zu seinen Leuten halten, wie Schulmeister an anderen Orten das getan haben.«
»Du hörst wirklich wundervolles Gerede.«
»Eine Frau erfährt wirklich wenig genug, wenn sie nicht zuhört, was die Leute sagen.«
»Dann sollte sie auch nicht über diese Dinge reden. Ich schwöre bei Gott, ich bin heute morgen nicht aufgestanden, um mir von einem kleinen Mädchen Vorträge halten und Sorgen machen zu lassen.«
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