1 Anmerkung in der Autographie-Ausgabe: „Der Leser, wenn er dieses Werk genauer studiert, sollte nicht vergessen, daß die Bemerkungen und Kommentare des Übersetzers vor 1850 geschrieben wurden, als man noch wenig über Algerien und gar nichts über Kabul wusste. Er wird deshalb nicht überrascht sein, daß einige kleine Details nicht dem Stand des Wissens entsprechen, das seit damals erworben wurde.“
2Im Distrikt Nefzaoua befinden sich viele isolierte Dörfer, alle im Flachland, umgeben von Palmbäumen mit großen Wasser-Reservoirs im Zentrum. Die Pilger glauben, das Land heiße Nefzaoua, weil es dort tausend „zouas“ gibt (eine Kapelle, in der ein Marabout begraben ist), und es wird vermutet, daß es ursprünglich El Afoun Zaouia hieß. Doch diese arabische Etymologie scheint nicht korrekt, da, gemäß arabischen Historikern, die Namen der Örtlichkeiten älter sind als der Islamismus. Die Stadt Nefzaoua ist von einer Mauer umgeben, die aus Steinen und Ziegeln errichtet ist; sie besitzt sechs Tore, eine Moschee, Bäder und einen Markt; im Umland gibt es viele Brunnen und Gärten.
3Vielleicht war die unter diesen Umständen entstandene Schrift nicht das vorliegende Buch, sondern nur ein bedeutend kürzerer Vorläufer desselben mit dem Titel „Die Fackel des Universums“.
4„Wir müssen uns nicht fürchten, die Vergnügungen der Sinne mit den höchsten geistigen Vergnügungen zu vergleichen; geben wir uns nicht dem Irrtum hin, zu glauben, daß es natürliche Vergnügungen von zweierlei Art gibt, von denen die eine unedler als die andere sei; die edelsten Vergnügungen sind die großartigsten.“ – (Essai über die moralische Philosophie, von M. de Maupertuis, Berlin 1749.)
5Paediconibus os olere dicis;
Hoc si, sicut ais, Fabulle, verum est,
Quid credis olere cunnilingis?
Die Münder der Päderasten, sagst du, riechen schlecht;
Wenn das wahr wäre, wie du beteuerst, Fabulus,
Was denkst du dann über jene, welche die Vulva lecken?
MARTIALIS, XII. Buch, Epigramm 86.
EINLEITUNG
Allgemeine Bemerkungen über den Koitus
Gepriesen sei Gott, der den natürlichen Leib der Frau als Quell höchster Lust für den Mann bestimmt hat und den natürlichen Leib des Mannes als Quell höchster Lust für die Frau.
Gepriesen sei Gott, der entschied, daß das Wohlgefühl, die Lust und die geschlechtliche Befriedigung der Frau von dem Empfang abhängig sein soll, den sie dem männlichen Glied bereitet, und daß ein Mann weder Ruhe noch Frieden finden soll, ehe er seine Pflicht nicht ehrenvoll erfüllt hat!
Kommt es zum Liebesakt, beginnt schon bald, nach harmlosen Tändeleien, ein lebhafter Wettstreit zwischen den beiden Liebenden. Sie scherzen miteinander, küssen, streicheln und umarmen sich, wobei sie sich mehr und mehr ineinander verschlingen, und die Lust, als Folge der Berührungen und Liebkosungen, vor allem in der Schamgegend, nicht lange auf sich warten läßt. Dann dringt der Mann vorsichtig in sie ein und arbeitet schon bald, in der Fülle seiner Kraft, wie ein Stößel, wobei ihm die Frau kunstreich, mit lasziven, wellenförmigen Bewegungen, zu Hilfe kommt. Früh, viel zu früh kommt sein Erguß!
Gepriesen sei Gott, der uns den Kuß auf den Mund, die Wangen, den Hals und den Nacken gewährt hat, das Saugen und Trinken an süßlich-sinnlichen Lippen, um zu jeder gewünschten Zeit eine Erektion zu bewirken. ER war es, der in seiner Weisheit den Oberkörper der Frau mit Brüsten ausstattete, sie mit einem Doppelkinn schmückte und ihre Wangen mit den strahlenden Feuerfarben von Juwelen und Brillanten versah. ER war es, der ihren Augen das Vermögen gab, im Mann die Liebe und leidenschaftliches Begehren zu entflammen; der den Saum ihrer Augen mit einem Strahl glänzender Wimpern wie mit blinkenden Klingen umgab. Mit bewundernswerten Flanken und einem herrlichen Nabel erhöhte ER die Schönheit ihres sanft gewölbten Bauches. An der Rückseite stattete ER sie mit den üppigen Halbmonden zweier vortrefflich gestalteter Doppelfleischhälften aus. Und ließ alle diese Wunder auf zwei majestätischen Oberschenkeln ruhen, zwischen denen ER das Kampffeld gesetzt hat, das, ist es üppig, in seiner Fülle einem Löwenkopf gleicht und das die Menschen „Vulva“ nennen. O, unzählbar sind die Namen der Männer, die an dieser Pforte schon ihr Leben lassen mußten! Und unter ihnen nicht wenige der Tapfersten und Besten.
Gott hat diesem Objekt einen Mund, eine Zunge 1, zwei Lippen und eine Form, vergleichbar dem Hufabdruck einer Gazelle im Wüstensand, gegeben.
Alle diese Wunder aber werden von zwei wunderbaren Säulen getragen, die Zeugen der Macht und der Weisheit Gottes sind; sie sind wohlgeformt, verziert mit den Ornamenten der Knie, der Waden und der zarten Fußknöchel, auf deren Bug kostbare Edelsteine ruhen. Der Allmächtige hat die Frau in ein Meer des Entzückens, verschwenderischer Pracht und üppiger Wollust getaucht; ER hat sie in die kostbarsten Gewänder gehüllt und ihr Gesicht mit einem Lächeln erhellt.
Gepriesen sei Gott, daß ER die Frau in ihrer Schönheit und ihrem reizvollen Körper erschuf; mit glänzendem Haar, der Taille, dem Hals, mit Brüsten, die anschwellen, und verliebten Gebärden, die das Verlangen mehren.
Der Herr der Welten hat ihr die Macht, zu verführen, verliehen; alle Männer, ob stark oder schwach, unterliegen ohne Ausnahme ihrem Zauber. Auch das Gemeinschaftsleben hängt von der Frau ab; sie ist es, die den Aufenthaltsort wählt und über Aufbruch und Bleiben der Familie bestimmt.
Der Zustand der Demütigung in den Herzen jener, die lieben, aber vom Objekt ihrer Zuneigung getrennt sind, verzehrt ihre Brust mit den Flammen der Liebe und erfüllt sie mit Unterwürfigkeit, Elend und Verzweiflung. So werden sie, infolge ihrer Leidenschaft, auf jede Art und Weise um ihr Schicksal betrogen; und dies alles nur wegen des brennenden Verlangens nach Vereinigung.
Ich, der Diener Gottes, erweise IHM meinen Dank, dafür, daß kein Mann dem Zauber einer schönen Frau widerstehen und sich von dem Verlangen, sie zu besitzen, befreien kann; weder durch einen Ortswechsel noch durch Flucht noch durch Trennung.
Ich bezeuge, daß es keinen anderen Gott gibt außer IHM, dem Lebendigen, dem aus sich selbst Seienden und Allerhaltenden! Und ich werde an diesem Zeugnis festhalten bis zum Tag des Letzten Gerichts.
Ebenso lege ich für MOHAMMED Zeugnis ab, den Diener und Gesandten Gottes, den Propheten der Propheten (Gottes Segen und Barmherzigkeit seien mit ihm, seiner Familie und seinen Schülern 2). Ich bewahre meine Gebete und Segenssprüche für den Tag der Vergeltung auf. Gebe Gott, daß sie gehört werden!
Über die Entstehung dieses Buches
Das vorliegende Werk basiert auf einem kleinen Buch mit dem Titel Die Fackel des Universums , das von den Mysterien der Zeugung handelt. Dieses Büchlein fand die Aufmerksamkeit des Wesirs unseres Herrn Abd-el-Aziz, Herrscher von Tunis, dem er auch Hofdichter, Kamerad, Freund und Privatsekretär war. Er war ein außerordentlicher Mann, gerecht im Urteil, erfahren, weise, klug, und galt als der gelehrteste Mann seiner Zeit. Er hieß Mohammed ben Ouana ez Zouaoui und gehörte dem Stamm der Zouaoua an. 3Er war nach Algier gekommen und hatte dort die Bekanntschaft unseres Herrn Abd-el-Aziz el Hafsi gemacht. 4
Am Tag der Eroberung von Algier durch die Spanier floh unser Herr mit ihm nach Tunis (Möge ihn die Macht Gottes bis zum Tag der Auferstehung beschützen!) und ernannte ihn dort zum Großwesir.
Kurz nachdem das oben erwähnte Büchlein in seine Hände gelangt war, ließ er mir die Einladung überbringen, ihn möglichst bald in seinem Wohnhaus zu besuchen. Ich kam der Einladung nach und wurde von ihm mit großer Liebenswürdigkeit empfangen. Drei Tage später kam er zu mir, zeigte mir das kleine Buch und sagte:
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