Rhythmus heißt Bewegungen in vollendeter Harmonie umsetzen
Den Rhythmus kennen wir aus dem Tanzen bestens. Da haben wohl alle einschlägige Erfahrungen gemacht. Rhythmisieren heißt im Tanzen, einen von außen vorgegebenen Rhythmus der Musik zu erfassen und in Bewegungen höchster Harmonie umzusetzen. Rhythmus ist auch, eine Bewegungsaufgabe in der mir eigenen Bewegungsqualität auszuführen. Beispielsweise beim Aufschlag oder bei einem Vorhandschlag im Tennis. Hier finden wir den Rhythmus quasi in der immer gleichen Ausführung der Bewegung.
Das Beispiel Tanz verdeutlicht den engeren Rhythmus. Kommt die Tänzerin oder der Tänzer aus dem Rhythmus, wird eine hohe Bewertung des Turniergerichts ausbleiben.
Kommt eine Fußballmannschaft nicht auf Touren, findet sie ihren Spielrhythmus nicht oder verliert diesen, kann dies verschiedene Gründe haben. Einer dieser Gründe kann in der taktischen Meisterleistung der gegnerischen Mannschaft liegen, welche den Spielrhythmus mit angepassten taktischen Vorgaben gar nicht erst aufkommen lässt. Und interessanterweise sind die Mannschaften dann in der Regel nicht fähig, auf dem Platz eine entsprechende Antwort zu finden. Da kann der Trainer an der Seitenlinie noch so gestikulieren.
Methodische Aspekte für das Training
Rückmeldung (siehe Kapitel 1) ist eine der wichtigsten Aspekte beim Erlernen von Bewegungen. Die Rückmeldung einer Trainerin, eines Trainers oder einer Lehrperson ist enorm wichtig für die Entwicklung und basiert auf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Lernenden auf der einen Seite und der Bewegung auf der anderen Seite. Es lassen sich einige Grundsätze ableiten unter dem Aspekt beobachten, beurteilen, beraten.
Beobachten orientiert sich am Kern der Bewegung
Die Trainerin oder der Trainer beobachten die Bewegungsausführung, vergleichen diese mit dem Idealbild. Sie orientieren sich dabei am Kern der Bewegung und machen einen Ist-Soll-Abgleich. Danach, und erst danach, beurteilen sie das Gesehene.
Beurteilen ist das Suchen nach der richtigen Frage
Beurteilen heißt, mit konkreten Fragen zu überlegen, warum die geforderte Bewegung nicht in der geforderten Bewegungsqualität ausgeführt werden kann. Folgende Fragen können dabei helfen:
Stimmen Bewegungsausführung und Bewegungsstruktur überein?
Handelt es sich bei einem Fehler um einen groben Fehler am Kern der Bewegung oder um einen Feinfehler in der Qualität der Ausführung?
Ist es ein automatisierter Fehler oder eher ein Anfängerfehler?
Hat der Übende eine korrekte Vorstellung vom Bewegungsablauf?
Hat der Übende die nötige Bewegungserfahrung?
Stimmt die Innensicht des Trainierenden mit der Außensicht überein?
Müssen zuerst störende Einflüsse wie Angst oder Respekt vor der Bewegung überwunden werden?
Beraten heißt zuhören und beobachten
Beraten heißt zuerst einmal zuhören und beobachten. Es hilft niemandem, quasi vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Folgende Inputs können dabei helfen:
Wir versuchen, die sensomotorischen Empfindungen beschreiben zu lassen und finden heraus, was wahrgenommen wird.
Wir versuchen, den Trainierenden anzuleiten, den Unterschied zwischen Soll und Ist in seiner Bewegung heraus zu schälen.
Wir betonen das Positive, den Lernfortschritt. Und sei er aktuell auch noch so klein.
Wir beschränken uns darauf, nur lernrelevante Informationen zu geben.
Wir arbeiten mit Bildern, Videos, CoachingEye oder anderen geeigneten Hilfsmitteln.
Konsequenzen für die Praxis
Seien Sie sich jederzeit bewusst, dass die koordinativen Fähigkeiten während 24 Stunden notwendig sind. Keine Bewegung, keine Haltung oder Position, welche nicht auf diese Fähigkeiten angewiesen sind. Es macht folglich Sinn, den koordinativen Fähigkeiten den nötigen Raum im Training zu geben. Je größer die Variablen und Variationen im Training, desto größer der Trainingserfolg.
Zum Schluss noch dies …
Die koordinativen Fähigkeiten sind der Schlüssel zur Bewegungsqualität. Rückmeldungen in das Nervensystem (siehe Kapitel 8) sorgen für die feine Abstufung und Dosierung der Muskelaktivität. Das austarierte System aller Informationen aus Muskulatur, Gelenken, Sehnen und Bändern ermöglicht letztlich den harmonischen Bewegungsablauf.
Die wichtigsten Punkte für die Praxis
Ohne koordinative Fähigkeiten keine Bewegung.
Rückmeldungen beim Bewegungslernen sind eminent wichtig.
Koordinatives Training hat viel mit Körperwahrnehmung zu tun.
Bewegungserfahrung als Voraussetzung der koordinativen Fähigkeiten.
6 Passiver Bewegungsapparat als Stütze
Was Sie nachher mehr wissen
In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Rolle der passive Bewegungsapparat spielt. Passiv heißt nicht, nicht anpassungsfähig zu sein. Der Mensch ist plastisch und passt sich erhöhten Anforderungen positiv an und umgekehrt.
Bewahren Sie Haltung
Ohne seinen passiven Bewegungsapparat fällt der Mensch buchstäblich in sich zusammen. Er gibt dem Menschen Haltung – wenn dieser etwas dafür tut! Eine gute Haltung ist mit einem Lot, wie es auf Baustellen verwendet wird, gut zu kontrollieren. Halten Sie das Lot in der Mitte des Ohres. Auf der Lotlinie sollten sich jetzt das Schultergelenk, das Hüftgelenk, die Knie und das Sprunggelenk befinden. Ist dem so, haben Sie eine gute Haltung. Dieses Bild haben Sie, wenn Sie von der Seite die Haltung beim Menschen überprüfen wollen. In Bewegung wird sich das verändern.
Zum passiven Bewegungsapparat werden die Knochen, Sehnen und Bänder gezählt. Die Knochen dienen dabei als Ansatzstellen für die Muskulatur (siehe Kapitel 7), welche über die Sehnen mit den Knochen verbunden sind. Die Bänder geben unseren Gelenken Stabilität.
Auch Bandscheiben, Menisken oder Schleimbeutel werden zu den passiven Strukturen gezählt. Sie helfen mit, zu dämpfen.
Der passive Bewegungsapparat bietet überdies Schutz für die inneren Organe, sehr schön am Brustkorb zu erkennen. Oder am Wirbelkanal. In diesem verläuft, gut geschützt, das Rückenmark (Medulla spinalis) als Teil des zentralen Nervensystems (siehe Kapitel 8). Der passive Bewegungsapparat dient auch als Speicher verschiedener Mineralien, beispielsweise Kalzium.
Die passiven Strukturen sind, wie der ganze menschliche Körper, plastisch. Das heißt, sie passen sich den veränderten Bedingungen oder Anforderungen durch das Training an. Nicht von heute auf morgen, aber innerhalb von Wochen oder Monaten. Das hat auch eine Kehrseite: Umgekehrt passiert dasselbe. Werden die passiven Strukturen ungenügend belastet oder im Alltag ungenügend genutzt, kommt es zum Abbau. Exemplarisch sei die Osteoporose genannt.
Definition
Der passive Bewegungsapparat gibt dem Körper Haltung, stützt ihn und schützt die inneren Organe. Dem passiven Bewegungsapparat werden die Knochen, Sehnen und Bänder zugerechnet.
Die Wirbelsäule ist eine Belastungskünstlerin
Die Wirbelsäule zeichnet, seitwärts betrachtet, eine Doppel-S-Form. Sie besteht aus Wirbeln, welche mit 7-12-5 als Formel zusammengefasst werden können. Sie verfügt über sieben Halswirbel, zwölf Brustwirbel und fünf Lendenwirbel. Anschließend folgt das Kreuzbein mit fünf Wirbeln, welche verschmolzen sind. Und zu guter Letzt folgt das Steißbein, welches aus vier bis fünf verschmolzenen Wirbeln besteht. Die Wirbelsäule ist über die beiden Iliosakralgelenke mit dem Becken verbunden.
Anatomie der Wirbelsäule: Farblich abgesetzt, von oben nach unten,
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