Die wichtigsten Punkte für die Praxis
Leistung ist Arbeit pro Zeiteinheit, eine physikalische Größe.
Leistung hat viele Einflussfaktoren, ist multifaktoriell.
Leistung wird durch exogene und endogene Faktoren bestimmt.
Das Geburtsdatum spielt eine größere Rolle als gemeinhin angenommen.
3 Anpassungen des Körpers mit System
Was Sie nachher mehr wissen
In diesem Kapitel erfahren Sie, wie sich der Körper einem sportlichen Training anpasst und in welchen Zeiträumen diese Anpassungen bei welchen Systemen geschehen.
Keine Anpassung ohne klare Forderung
„Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft.“ Dieses Zitat des ehemaligen Weltklasseläufers Emil Zatopek zeigt eines: Auch mit einem enormen Trainingsaufwand wird es der Mensch nicht schaffen, ohne Hilfsmittel zu fliegen. Der Fisch wiederum wird es ebenfalls nicht schaffen, zu fliegen. Außer kurz aus dem Wasser. Da ist er nahe beim Menschen, der ohne Hilfe auch nur kurz fliegen kann, nämlich auf die Nase.
Sportliches Training wird eine Verbesserung der Leistung (siehe
Kapitel 2) bringen in dem Gebiet, wo trainiert wird. Diese Adaption, Anpassung des Körpers, führt zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit. Training führt zu vielen, unterschiedlichen Anpassungserscheinungen. Trainiert ein Mensch seine Ausdauer (siehe Kapitel 16), wird er nach kurzer Zeit entweder eine längere Strecke oder die gleiche Strecke schneller laufen. Führt ein Kunde im Fitnesscenter regelmäßiges Krafttraining (siehe Kapitel 12) durch, wird er nach kurzer Zeit in der Lage sein, höhere Gewichte zu bewegen. Soll die Geschicklichkeit verbessert werden, lohnt es sich, ein Koordinationstraining (siehe Kapitel 5) durchzuführen. Oder ein Senior macht einen Kurs in Inlineskating – er wird danach in der Lage sein, diese Sportart auszuführen.
Definition
Der Mensch ist plastisch. Zellen, Gewebe und Organe passen sich veränderten Bedingungen und Beanspruchungen an. Diese Anpassungsreaktionen passieren auf beide Seiten, positiv bei erhöhten Anforderungen, negativ bei kleineren oder gar keinen Anforderungen.
Ein gezieltes Training führt letztlich zu unterschiedlichen Anpassungen im Körper. Diese Anpassungen sind auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Zeitabläufen zu beobachten. Spitzenleistungen im Sport sind nur deshalb möglich, weil unser Körper durch jahrelanges Training in diesen verschiedenen Ebenen dazu gebracht werden kann, leistungsfähiger zu werden.
Selbstverständlich spielen noch andere Faktoren für eine sportliche Leistung eine entscheidende Rolle, beispielsweise die richtige Auswahl der Eltern im Sinne der Genetik oder die Psyche der Athleten. Ohne die Anpassungen des Körpers an die verlangte Höchstleistung geht es aber in keinem Fall. Vier Ebenen können dabei unterschieden werden:
Ebene des motorischen Bereichs
Ebene der Energiespeicher
Ebene der Optimierung von Systemen und Strukturen
Ebene der Koordination der leistungsbeeinflussenden Systeme
Ebene des motorischen Bereichs
Ein Training der technischen Fertigkeiten, dem Bewegungslernen, führt schon nach kurzer Zeit zu einer deutlichen Verbesserung. Wenn Sie beispielsweise das Hürdenlaufen erlernen wollen, werden Sie schon nach 7 bis 10 Trainingseinheiten eine deutliche Verbesserung konstatieren. Der Bewegungsablauf wird harmonischer und dynamischer.
Ebene der Energiespeicher
Ein Training der Ausdauer (siehe Kapitel 16) wird dazu führen, dass sich die Energiespeicher im Körper vergrößern. Schon nach zehn bis zwanzig Trainingseinheiten ist eine deutliche Verbesserung, sprich Erhöhung der Energiespeicher, festzustellen. Die Glykogenspeicher in der Muskulatur lassen sich beispielsweise verdoppeln, was im Bereich der Langzeitausdauer (Marathon, Triathlon oder Ultra Trailrunning) leistungsbestimmend ist. (Glykogen: Speicherform der Kohlenhydrate)
Ebene der Optimierung geregelter Systeme und Strukturen
Bleiben wir beim Ausdauertraining. Wollen Sie das Herzkreislaufsystem (siehe Kapitel 15) nachhaltig verbessern und so die Leistung (siehe Kapitel 2) steigern, werden Sie dies erst nach zwanzig bis dreißig Tagen feststellen. Beispielsweise durch einen tieferen Ruhepuls, ein schon leicht erhöhtes Schlagvolumen des Herzens oder auch durch eine vermehrte Kapillarisierung, welche mehr Sauerstoff in der Muskulatur ermöglicht.
Ebene der Koordination der leistungsbeeinflussenden Systeme
Die höchste Anpassungsstufe erreichen Sie dann, wenn alle an einer Leistung beteiligten Systeme besser zusammenarbeiten, also besser koordiniert sind. Diese Anpassung dauert am längsten, mindestens dreißig bis vierzig Trainingseinheiten. Das heißt beispielsweise: Das Herzkreislaufsystem, das Nervensystem und das Hormonsystem (siehe Kapitel 8) passen sich einander an, sodass eine größere Leistung möglich wird.
Konsequenzen für die Praxis
Der Körper verzeiht uns viel. Er lässt vieles mit sich machen, beispielhaft sind die Muskeln der Bodybuilder, welche durchaus als Gesamtkunstwerk zu betrachten sind. Wobei Kunst ambivalent und sehr von persönlichen Vorlieben abhängig ist. Als Trainer muss ich mir bewusst sein, dass die verschiedenen Ebenen der Anpassung in unterschiedlichem Tempo ablaufen. Ich muss die Anpassungen orchestrieren wie der Dirigent eines Symphonieorchesters seine Musiker. Damit das Gesamtkunstwerk meinen Vorstellungen und Anforderungen entspricht.
Zum Schluss noch dies …
Anpassungen zu provozieren ist der ursächliche Grund für ein Training. Der Körper passt sich auf verschiedenen Ebenen an. Allerdings passen sich die verschiedenen Systeme in unterschiedlichem Tempo an, was im langfristigen Aufbau zu berücksichtigen ist.
Die wichtigsten Punkte für die Praxis
Anpassung an das Training erfolgt auf verschiedenen Ebenen.
Physisches Training bringt die schnellsten Anpassungen.
Hohe Schule – die Koordination der leistungsbeeinflussenden Systeme.
Anpassungen erfolgen nur nach einem adäquaten Training.
Spitzenleistungen im Sport gibt es dank jahrelangen Anpassungen.
4 Individuelle Handlungskompetenz
als Gesamtkunstwerk
Was Sie nachher mehr wissen
In diesem Kapitel erfahren Sie, was die individuelle Handlungskompetenz beinhaltet und warum diese den Begriff der Kondition ablösen soll. Welche Faktoren bestimmen die individuelle Handlungskompetenz des Menschen für harmonische Bewegungen in Raum und Zeit?
Wer ist fit – der Marathonläufer oder der Bodybuilder?
Ist ein Marathonläufer fit? Ist es ein Bodybuilder? Was definiert den Begriff „fit“ überhaupt? Was heißt „individuelle Handlungskompetenz“? Ich vermeide bewusst den Ausdruck „Kondition“, weil mir dieser Begriff zu kurz greift. Die Antworten, die ich auf die Frage „Was ist individuelle Handlungskompetenz“? erhalte, sind oft sehr vage und undifferenziert. Kann ich diese eine Frage nicht korrekt und ausführlich beantworten, habe ich als Trainerin oder Trainer ein Problem – ich weiß nicht, was zielführend ist und welche Inhalte das Training für den Nutzen des Kunden enthalten muss.
Definition
Individuelle Handlungskompetenz ist das perfekte Zusammenspiel energetischer und koordinativer Impulse, taktischer Akzente und psychischer Aspekte. Als Synonym darf ruhig der Begriff der individuellen Leistungsfähigkeit genutzt werden.
Zusammenspiel so essenziell wie beim Fußball
Die individuelle Handlungskompetenz ist das Zusammenspiel der wichtigsten Fähigkeiten und Fertigkeiten, um den Alltag gut und eigenständig bis ins hohe Alter zu meistern.
Dazu gehören die energetischen Impulse von Kraft (siehe Kapitel 12), Schnelligkeit (siehe Kapitel 14) und Ausdauer (siehe Kapitel 16). Dazu gesellen sich die koordinativen Impulse (siehe Kapitel 5) orientieren, differenzieren, äquilibrieren, reagieren und rhythmisieren. Für das spielerische Element sorgen die taktischen Akzente antizipieren, taktieren und kalkulieren. Sie werden noch lesen, warum das so ist – auch für Nicht-Mannschaftssportler. Und zu guter Letzt die psychischen Aspekte, zu denen Leistungsbereitschaft, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit gehören. Nicht umsonst heißt es im Wettkampfsport oft, der Kopf entscheidet – ich behaupte, nicht nur im Wettkampfsport. Aus diesen vier Bausteinen also setzt sich die individuelle Handlungskompetenz zusammen:
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