– Verdammt, das wundert mich gar nicht, dass der Ingenieur sich umgebracht hat. Er hatte ja mehr Schulden als Haare.
Der junge Manfredi hatte den Kommentar des alten Scipione mit höflicher Skepsis zur Kenntnis genommen. Er kannte die beiden Laurenti, Vater und Sohn, gut. Fünf endlos lange Jahre hatte er gemeinsam mit Sebastiano die Schulbank im renommierten staatlichen Konvikt gedrückt. Jetzt besuchten sie dieselbe Universität, Wirtschaftsfakultät, und mit demselben Gewinn. Sie waren gute Freunde. Ausgerechnet der alte Scipione hatte beschlossen, dass sein Sohn eine andere Laufbahn einschlagen sollte als er.
– Du musst dich erheben, Sohn, verstanden. Du musst dich erheben. Sei also kein Trottel, sondern tu dich mit den Bürgersöhnchen zusammen und lerne von ihnen. Wir müssen aufsteigen, hast du verstanden? Aufsteigen.
Manfredi war ein kluger und gehorsamer Sohn. Doch er glaubte nicht an die Worte seines Vaters. Der Ingenieur war ein Vorbild, ein anständiger Mensch, einer der wenigen, die es noch gab. Also, worüber sprechen wir eigentlich?
– Mein Lieber, du studierst, weil du dich erheben musst, aber in gewissen Dingen musst du auf deinen Vater hören. Horch zu, was ich dir sage. Bevor der Mann vor den Zug gesprungen ist, ist er zu einem Bankdirektor gegangen, einem Freund, um sich auszuweinen. Und mein Freund hat ihm geraten, sich an – rate mal – wen zu wenden?
– An dich?
– Sehr gut. Du siehst, wenn du dich anstrengst … Blut ist dicker als Wasser. Ich hatte schon den Finanzierungsplan bereit. Der Trottel, Gott hab ihn selig, war jedoch zu stolz. Amen.
Als Manfredi die Reihen abschritt und sich auf den Höhepunkt der bescheidenen Trauerfeier vorbereitete, darauf, dem Waisen die Hand zu drücken und ihn zu umarmen, dachte er, wenn sein Vater recht hatte, und es gab keinen Grund daran zu zweifeln, würde Sebastiano tun müssen, wozu sein Vater sich nicht imstande gefühlt hatte. Wieder ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Und als Sebastiano ihn mit aufrichtiger Zuneigung umarmte, flüsterte ihm der Sohn des Kredithais nicht nur ein brüderliches „du musst stark sein“, sondern noch einen anderen Satz zu, der aufgrund der besonderen Umstände seines wahren Sinns verloren ging: – Du kannst dich immer auf mich verlassen.
Der wahre Sinn dieses Satzes offenbarte sich Sebastiano ein paar Wochen später, in dem vergammelten Lokal des Kredithais, Stella d’Oriente, das gleich neben der Pfandleihanstalt lag. Der alte Scipione wollte es um keinen Preis aufgeben, denn das war seit sechshundert Jahren der angestammte Platz der Wucherer (was soll ich dir sagen, mein Sohn, ich bin nun mal sentimental). Man erklärte ihm, wie hoch die Schulden waren, die der verstorbene Ingenieur Laurenti hinterlassen hatte. Sebastiano hätte nur auf die Erbschaft verzichten müssen, dann wäre er davongekommen, doch sein Vater hatte ihn mit hineingezogen. Sebastiano hatte unterschrieben, er steckte mit drin. Er war der offizielle Inhaber überschuldeter Firmen. Selbstschuldner. Aufgrund einer Reihe von Unterschriften, die der junge Laurenti unter komplizierte Verträge gesetzt hatte, wurde aus dem Hoffnungsträger der römischen Finanzwelt der persönliche Sklave seines brüderlichen Freundes Manfredi.
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