Carlo Bonini - Suburra

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Das größte Bauvorhaben, das Rom je gesehen hat, stinkt nach Korruption, Betrug und kaltblütigem Mord!
Rom zwischen Ostia und Cinecittà – Ein brutaler Bandenkrieg erschüttert die Straßen. Kommissar Malatesta erahnt den wahren Grund hinter der Fehde: ein riesiges Bauvorhaben, das die Peripherie Roms bis zur Küste von Ostia mit Casinos, Hotels, Clubs zubetonieren soll. Nicht nur korrupte Behörden, Mafia und Zigeunerclans ziehen am selben schmutzigen Strang, sondern auch Würdenträger aus Kirche und Politik. Allen voran Samurai, der letzte Überlebende der Magliana-Bande und eiskalter Neo-Faschist – mit dem einzigen Ziel: Geld.

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SUBURRA

GIANCARLO DE CATALDO

CARLO BONINI

SUBURRA

SCHWARZES HERZ VON ROM

THRILLER

Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl

FOLIO VERLAG

WIEN • BOZEN

Die Originalausgabe ist 2013 im Verlag Giulio Einaudi editore, Turin,

unter dem Titel Suburra erschienen.

© Giulio Einaudi editore, Torino 2013

© der deutschprachigen Ausgabe

FOLIO Verlag Wien • Bozen 2015

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagfoto: © Giovanni Ricci-Novara („Eros bendato“ von Igor Mitoraj)

Grafische Gestaltung: Dall’O & Freunde

Druckvorbereitung: Typoplus, Frangart

Printed in Europe

ISBN 978-3-85256-660-3

www.folioverlag.com

Für Severino.

Er weiß, warum.

Prolog

Rom, Juli 1993

Es war eine schwüle Sommernacht. Ein Fiat Ducato der Carabinieri stand am Lungotevere, mit drei Männern an Bord. Sie trugen Uniform, waren jedoch Kriminelle. In der römischen Unterwelt kannte man sie unter den Namen Botola, Lothar und Mandrake. Botola stieg aus und ging zum Fluss. Er fischte einen zerbröselten Keks aus der Tasche und legte ihn auf die Brüstung. Dann trat er ein paar Schritte zurück und sah zu, wie eine Möwe die Keksreste aufpickte.

– Wie schön die Möwen sind. Er stieg wieder ein. Der, der Lothar genannt wurde, zündete sich die x-te Zigarette an und seufzte.

– Mir reicht’s. Worauf warten wir?

– Gehen wir rein, sagte Mandrake überzeugt.

Doch Botola schüttelte den Kopf.

– Samurai hat gesagt, Punkt zwei. Keine Minute früher oder später. Es ist noch nicht so weit.

Die beiden anderen protestierten. Was soll’s? Zehn Minuten zu früh? Na und? Und überhaupt, sie standen ja auf der Straße und warteten, nicht Samurai. Und war Samurai vielleicht allwissend? War er vielleicht der Liebe Gott, konnte er sie Schritt für Schritt überwachen?

– Der Liebe Gott vielleicht nicht, räumte Botola seufzend ein, – Teufel würde der Sache schon näherkommen.

– Ja, der Teufel!, sagte Mandrake spöttisch. – Er ist ein Mensch wie du und ich. Ich habe es satt: Samurai hier, Samurai dort … Aber Samurai hat sich noch nie die Hände schmutzig gemacht … Hat eine große Klappe, keine Frage … ist aber auch keine Hexerei, wenn die anderen das Risiko auf sich nehmen.

Botola sah sie mit herablassendem Lächeln an. Die armen Teufel hatten ja keine Ahnung!

– Erinnert ihr euch an Pigna?

Lothar und Mandrake hatten den Namen noch nie gehört.

Botola erzählte ihnen eine Geschichte.

Es gab einmal einen Boxer namens Mandrione, eigentlich hieß er Sauro, doch aufgrund eines fatalen Zwischenfalls wurde er Pigna genannt. Ein Vieh, der arme Pigna, genauso stark wie dumm. Wäre er etwas schlauer gewesen, hätte er sich nicht mit Samurai wegen einer Drogengeschichte angelegt. Nach einer Reihe geschobener Boxkämpfe hatte ihm der Verband nämlich die Lizenz entzogen und Pigna hatte angefangen, für Samurai zu dealen. Das Problem bestand darin, dass Pigna sich für sehr schlau hielt. Zuerst arbeitete er in die eigene Tasche, dann, als er sich sicher fühlte, riss er sich eine große Lieferung unter den Nagel, verkaufte sie und verschwand. Drei, vier Monate blieb er verschwunden, eines schönen Tages tauchte er wieder auf. Mit dem Geld, das er Samurai geklaut hatte, hatte er sich ein Fitnessstudio gekauft, vier Typen aus der Vorstadt rekrutiert und begonnen, auf eigene Faust zu dealen. Samurai versuchte es zuerst im Guten und besuchte ihn im Fitnesscenter. Er schlug ihm ein vernünftiges Abkommen vor: Die Hälfte vom Fitnessstudio und vom Erlös im Tausch gegen Frieden. Pigna war uneinsichtig. Er rief seine Jungs und ging mit gesenktem Schädel auf ihn los. Fünf gegen einen, Samurai verteidigte sich so gut wie möglich, ging aber fast dabei drauf. Sie legten den Halbtoten in einer Gasse ab, es dauerte eine Zeitlang, bis er sich wieder erholt hatte. Eines Abends taucht im Fitnessstudio ein Unbekannter auf. Er schreibt sich ein, hebt ein paar Gewichte, plaudert mit den Jungs des Chefs. Als es an der Zeit ist zuzusperren und Pigna mit seinen Getreuen allein ist, zieht der Unbekannte eine Skorpion-Maschinenpistole heraus, eine, wie sie früher Terroristen verwendeten, und stellt sie alle an die Wand. Fünf Minuten vergehen. Pigna und die Seinen versuchen den Typen zum Reden zu bringen, doch der ist stumm wie ein Fisch. Schließlich geht die Tür auf und Samurai taucht auf. Unter dem Regenmantel trägt er einen Kimono und in der Hand hält er ein Katana, ein sehr scharfes japanisches Schwert. Er zielt damit auf Pigna und hält ihm eine kleine Rede. Die Sache mit dem Geld hätte er ja verkraftet, aber die Demütigung nicht. Deshalb, lieber Pigna, sagt er zu ihm, wirst du dir jetzt mit diesem Schwert den Bauch aufschlitzen, und ich sehe dir zu, wie du stirbst. Im Gegenzug krümme ich deinen Jungs kein Haar. Pigna beginnt zu winseln. Er bittet um Verzeihung. Er gibt zu, einen Fehler gemacht zu haben. Er schlägt vor, ihm das Fitnessstudio zu überlassen, den ganzen Stoff, der noch übrig ist, die Drogenkontakte. Samurai seufzt, hebt das Schwert und schlägt einem der Jungs mit einem einzigen Hieb den Kopf ab. Pigna heult. Die Jungs heulen. Einer von ihnen tritt vor und bietet Samurai an, das Urteil zu vollstrecken. Samurai sieht ihn an und enthauptet ihn. Schau, Pigna, sagt er, du suchst dir die falschen Männer aus, sie sind nicht loyal … In diesem Augenblick gehen die drei, Pigna und die beiden Überlebenden, zu einem verzweifelten Gegenangriff über.

– Was soll ich euch sagen?, sagte Botola abschließend. – Samurai machte Hackfleisch aus ihnen. Sein Freund musste nicht einmal einen Schuss abgeben. Dann steckten sie die Überreste in Säcke und warfen sie in den Tiber.

Lothar und Mandrake sahen den Erzähler entgeistert an.

– Ich glaube, das ist ein Märchen, sagte Mandrake zaghaft.

– Es ist soweit, unterbrach ihn Botola. – Los.

Sie fuhren zum Piazzale Clodio. Blinkten dreimal mit dem Fernlicht in Richtung Tor des Palazzo di Giustizia, nach ein paar Sekunden ging es auf. Die Wache am Schilderhaus näherte sich langsam dem Fahrersitz. Der Mann erkannte Botola und bedeutete dem Kombi mit einer Geste, er solle weiterfahren. Im Schritttempo fuhren sie die Betonrampe hinauf, die zum Parkplatz von Gebäude C führte, wo eine Reihe von Panzertüren den Tresorraum der Agenzia 91 der Banca di Roma sicherte.

Ein Bankschalter im Inneren des Gerichts.

Ein Safe, in dem das Vermögen und die Geheimnisse von Richtern, Anwälten, Notaren, Polizisten aufbewahrt wurden.

Der doppelte Boden dessen, was Justiz genannt wird, in Wahrheit aber nur Macht ist.

Botola griff in den Tresor und holte die Liste der neunhundert Sicherheitsfächer der Bank heraus. Samurai hatte hundertsiebenundneunzig angekreuzt. Nur die sollten sie öffnen. Lothar nahm zwei große Jutesäcke. Mandrake überprüfte den Sack mit dem Werkzeug und den Ring mit den fünfzig Schlüsseln, die es ihm als einzigen in Rom erlaubten, alle Panzerschränke zu knacken. Alle drei zogen eng anliegende Lederhandschuhe über.

Die Carabinieri warteten auf sie, sie hatten ganze Arbeit geleistet. Die Panzertüren, die zu dem Safe führten, waren offen, das Alarmsystem und die Überwachungskameras deaktiviert. Botola erwiderte den Blick der Carabinieri mit einem verächtlichen Grinsen. Die beiden stanken nach Angst und Unehrenhaftigkeit. Nach korrupten Bullen. Er entließ den jüngeren der beiden mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Wange.

Sie kannten den Safe so gut wie ihre Westentasche. In den letzten beiden Monaten waren Botola, Lothar und Mandrake mindestens zehnmal hier unten gewesen, in Begleitung eines Kassiers der Agentur. Eines Fünfzigjährigen mit einer Schwäche für Koks und Weiber. Er gehorchte wie ein Schoßhündchen. Er hatte die Besitzer der Fächer einzeln aufgezählt, Samurai hatte nur eine Wahl treffen müssen. Er hatte Pläne geliefert und sie über die Anzahl der Zugriffe informiert. Er hatte ihnen erlaubt, Abdrücke von den Schlüsseln zu machen, die die Türen im Herzen der Bank öffneten. Jetzt hatten sie nicht mehr viel zu tun. Sie brauchten nur die Schätze in Empfang zu nehmen.

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