Ein Alarmsystem kann aber auch gestört sein. Der Alarm geht los, ohne dass er durch eine tatsächliche Gefahr ausgelöst wird. In solchen Angstzuständen brauchen wir fachkundige ärztliche Hilfe. Auf diese Besonderheit kann ich hier nicht eingehen. Ich will aber nicht versäumen, darauf hinzuweisen und dringend zu empfehlen, die ärztliche Hilfe auch zu suchen.
Wer Menschen ein Leben ohne Angst verspricht, belügt und betrügt sie. Jesus hat gesagt:
In der Welt habt ihr Angst.
Johannes 16,33
Das sagte er am Abend vor seiner Hinrichtung. Es gab jede Menge Gründe, Angst zu haben. Die Gefahren waren real und nicht eingebildet. Jesus stellt fest, dass die Welt voller lebensbedrohlicher Engpässe ist. Sie lösen auch bei den Leuten, die Jesus folgen, Angst aus. Das leugnet Jesus nicht.
Was hat er dagegenzusetzen? Er sagt: »In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.«
Müssen wir diese Behauptung nicht kritisch hinterfragen? In der gleichen Nacht hat Jesus aus Angst Blut geschwitzt. Die Bibel berichtet das ohne Beschönigung:
Und er geriet in Todesangst und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.
Lukas 22,44
Jesus geht im Gehorsam den Weg ins Leiden und Sterben. Erst nach seiner Auferstehung wird klar: Der Tod am Kreuz war keine Niederlage, sondern der Sieg der Liebe Gottes über die Zerstörungsmacht der Sünde, des Satans und des Todes. Gott selbst, der Richter, trägt in seinem Sohn Jesus das Gericht über die Sünde. Er geht stellvertretend durch den Engpass des Gerichtes Gottes. Er erleidet die tödliche Angst der Gottverlassenheit. So besiegt er die Mächte der Zerstörung.
Der Seelsorger Johann Christoph Blumhardt (1805–1880) hat gedichtet:
Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht,
sein wird die ganze Welt.
Denn alles ist nach seines Todes Nacht
in seine Hand gestellt.
Nachdem am Kreuz er ausgerungen,
hat er zum Thron sich aufgeschwungen.
Ja, Jesus siegt, ja, Jesus siegt!
Was ist die Schlussfolgerung?
Es gibt kein Leben ohne Angst, weil das Leben in unserer Welt uns immer wieder in bedrohliche Engpässe führt. Seitdem ich mich an Jesus, den Sieger über die zerstörerischen Mächte, halte, habe ich eine Zuflucht. Bei ihm bin ich geschützt. Er hilft mir durch.
Mir hilft es sehr, dass die Bibel mir in den Psalmen die Sprache für meine Gebet leiht, wenn mir selbst die Worte fehlen. Hier einige Beispiele:
Die Angst meines Herzens ist groß (Psalm 25,17).
Und mein Geist ist in mir geängstet, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe (Psalm 143,4).
Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe (Psalm 22,12).
Und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte, denn mir ist angst; erhöre mich eilends (Psalm 69,18).
Wenn mein Geist in Ängsten ist, so kennst du doch meinen Pfad (Psalm 142,4).
Ich will nicht verschweigen, dass die Bibel auch harte Worte zu diesem Thema enthält. Psalm 53 beginnt mit dem Satz: »Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott.« Dann werden schonungslos die Konsequenzen aufgezählt. In Psalm 53,6 heißt es: »Da erschrecken sie sehr, wo kein Schrecken ist.« Auch das müssen wir leider allzu oft beobachten. Wenn keine Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott unser Leben bestimmt, tyrannisieren uns Menschenfurcht und Ängste vor allem Möglichen und Unmöglichen.
Kaum einer wird bezweifeln, dass Angst ein großes Thema in unserer Zeit ist. Das Thema Glück aber steht auf der Rangliste wahrscheinlich noch davor. Vielleicht hängen sie sogar miteinander zusammen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ] Frage 6 | Kann man Glück lernen? Frage 7 | Hauptsache Gesundheit? Frage 8 | Gott vielleicht – aber warum Jesus? Frage 9 | Fängt der Glaube an, wo das Wissen aufhört? Frage 10 | Gehen Kamele durch ein Nadelöhr? Frage 11 | Glaube ja – Kirche nein? Frage 12 | Wie können Beziehungen gelingen? Frage 13 | Ist Jesus Friedensstifter oder Störenfried? Frage 14 | Ist die Bibel Gottes Wort? Frage 15 | Was hat die Zukunft mit schwarzen Schwänen zu tun? Frage 16 | Was kommt nach dem Tod? Anmerkungen
FRAGE 6
Kann man Glück lernen?
Ich fuhr in einem ICE von Nürnberg nach Kassel und las eine Wochenzeitung. Ich saß am Gang. Das große Format der Zeitung zwang mich, das aufgefaltete Blatt nach links in den Gang zu halten. Die große Überschrift eines Artikels lautete: »Kann man Glück lernen?« Ich las voller Neugier, als hinter mir im Gang eine energische Stimme erscholl: »Nein. Hat man oder hat man nicht.« Ich fuhr herum und blickte in das Gesicht einer entschlossen den Kopf schüttelnden älteren Dame. Also nichts mit Lernen?
Der Zeitungsartikel berichtete von einem Lehrer, der an seiner Schule das Fach »Glück« eingeführt hatte. Ich erinnere mich, dass diese Idee Kreise gezogen hat. Die Schüler hatten sicher nichts dagegen. Ich meine auch, inzwischen etwas über vergleichende Studien gelesen zu haben. Schüler, die nicht mit diesem Schulfach beglückt wurden, seien auch nicht unglücklicher.
»Glück gehabt.« Das sagten Arbeitskollegen zu mir. Als Student arbeitete ich als Hilfsarbeiter auf dem Bau. An einem Vormittag hörte ich Schreie. Ich richtete mich von meiner Arbeit am Boden auf und drehte mich um. Hinter mir stand kerzengerade ein großer Holzbalken. Er fiel langsam um. Er war von hoch oben aus der Baukonstruktion herabgestürzt und direkt hinter mir aufgeschlagen. Einige Arbeitskollegen hatten beobachtet, dass der Balken direkt auf mich zusteuerte. Darum die Schreie, die ich nicht verstand. Das Geschoss verfehlte mich nur knapp. »Glück gehabt«, sagten die Kollegen.
Erst langsam wurde mir klar, was passiert war. Der Schrecken kroch mir nachträglich in die Glieder. Ich merkte, wie ich zitterte. Gott sei Dank! Seine Bewahrung war mein Glück.
Solche Glückserfahrungen wünscht man sich allerdings nicht wieder.
Damit wird deutlich, wie unterschiedlich wir von Glück reden. Wenn man Glück hat, löst das in der Regel Glücksgefühle aus. Gefühle aber sind nicht von Dauer. Der Psychotherapeut Viktor Frankl hat beschrieben, dass Glücksgefühle länger anhalten, wenn sie durch langwierige Mühen erworben wurden. Das Glücksgefühl auf dem Berggipfel nach stundenlanger anstrengender Bergwanderung ist andauernder als das Glücksgefühl, das der Verzehr eines Stücks Schokolade auslöst. Aber ob länger oder kürzer – Gefühle sind nie von unbegrenzter Dauer.
Die Deutsche Post stellt nicht nur Briefe und Pakete zu, sie erstellt seit einigen Jahren auch den sogenannten Glücksatlas. Sie titelte am Tage, an dem ich diese Zeilen schrieb, auf ihrer Internetseite: »Deutschland so zufrieden wie noch nie«. 2
Dann las ich: »Noch nie war die Lebenszufriedenheit der Deutschen so hoch wie 2019. Sie liegt aktuell bei 7,14 Punkten auf einer Skala von 0 bis 10. Damit wird das Ergebnis von 7,05 Punkten aus dem Vorjahr um 0,09 Punkte verbessert. Das ostdeutsche Glücksniveau stieg sogar um 0,11 Punkte auf das Allzeithoch von 7,0 Punkten, der höchste Wert, der jemals seit dem Mauerfall vor 30 Jahren gemessen wurde. Der Glücksabstand zwischen West- und Ostdeutschland verringerte sich weiter auf aktuell 0,17 Punkte. An der Spitze des regionalen ›Glücksrankings‹ steht unangefochten Schleswig-Holstein, das Schlusslicht bildet erneut Brandenburg.«
Glück wird hier als Lebenszufriedenheit verstanden. Diese wird unter verschiedenen Gesichtspunkten bei den Menschen abgefragt: Wohnung, Arbeit, Familie, Einkommen, Gesundheitsfürsorge und anderes.
Die statistischen Durchschnittswerte sagen leider nichts darüber aus, dass Menschen auch in den glücklichsten Landesteilen so unglücklich sein können, dass sie sich das Leben nehmen. Und ob unglückliche Menschen durch einen Umzug von Brandenburg nach Schleswig-Holstein glücklicher werden, wage ich auch anzuzweifeln.
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