Die IFSW hat anlässlich ihres General Meeting im Juli 2000 in Kanada die Wertebasis der Profession hinsichtlich Menschenrechte wie folgt definiert: »Soziale Arbeit basiert auf humanitären und demokratischen Idealen, und diese Werte resultieren aus dem Respekt vor der Gleichheit und Würde aller Menschen. (…) Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit dienen als Motivation für sozialarbeiterisches Handeln.«
Menschenrechte in der Schweiz
In der Schweizerischen Rechtsordnung sind Menschenrechtsverträge Bestandteil des Schweizerischen Rechts (vgl. Pärli 2009:78). Darunter fallen neben der Menschenrechtserklärung die Antirassismuskonvention, der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (›Pakt I‹), der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (›Pakt II‹), die UN-Kinderrechtskonvention, die europäische Menschenrechtskonvention, nicht aber die europäische Sozialcharta. Diese Menschenrechtsverträge werden formal als Grundrechte in der Bundesverfassung, den Kantonsverfassungen und den von der Schweiz ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen garantiert. Auf staatlicher Seite sind die internationalen Menschenrechtsverträge auf drei Ebenen verpflichtend. Unterlassungspflichten verlangen, dass der Staat die in den Menschenrechtsverträgen garantierten Rechte zu respektieren hat. Schutzpflichten beziehen sich auf die Forderung an den Staat zur Wahrung der Menschenrechte. Mit geeigneten Mitteln hat der Staat dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte nicht verletzt werden. Unter Leistungspflichten werden Maßnahmen des Staates verstanden, die allen Menschen ermöglichen, in den Genuss der Menschenrechte zu gelangen. Bezüglich Sozialer Arbeit ist hier zu bemerken, dass sich damit der Staat zur Förderung der Gleichstellung zwischen Mann und Frau verpflichtet oder zur Herstellung von Chancengleichheit bei Zugang zur Bildung (vgl. Pärli 2009:91 f.). Allerdings finden sich in den Menschenrechtsverträgen neben klaren (self-executing) viele nicht unmittelbar anwendbare Bestimmungen. Soziale Arbeit bewegt sich demnach in einem Feld, das sich grundsätzlich an den Menschenrechten orientiert; es ist jeweils fallweise zu prüfen, ob Menschenrechte eingehalten werden oder nicht und ob sie überhaupt einklagbar sind.
Hintergrundfolie für professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit bilden insbesondere bestimmte Grundrechte der Bundesverfassung (BV), wie Art. 7, Schutz der Menschenwürde, Art. 8 Rechtsgleichheit, Diskriminierungsverbot, Gleichstellung von Mann und Frau oder Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen. In Art. 35 Abs. 2 steht unter Grundrechtsbindung: Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden. Dies betrifft auch Private, die öffentliche Aufgaben übernehmen. In der Praxis der Sozialen Arbeit nehmen rechtliche Aspekte der Sozialversicherung, Sozialhilfe, des Kindesschutzes und der Vormundschaft eine gewichtige Rolle ein. Sie alle sind Ausdruck des Bekenntnisses zu einem »liberal-rechtsstaatlichen Sozialstaatsprinzip« (Pärli 2005:11). Dieses baut auf der Subsidiarität staatlicher Hilfeleistungen und stützt sich auf die Eigenverantwortung und private Initiative.
Menschenrechte in Deutschland
In Deutschland als Mitglied der EU steht das Europäische Gemeinschaftsrecht als ein supranationales Recht mit autonomer Rechtsordnung über jeglichem nationalen Recht. Teile dieses Rechts mit besonderer Bedeutung für die Soziale Arbeit sind die Freizügigkeitsabkommen (von der Schweiz mittlerweile auch angenommen), die Schengen Abkommen betr. Ausländer- und Asylrecht sowie Strafverfahrensrecht, das Völkerrecht, das Haager Minderjährigenschutzabkommen und das Europäische Fürsorgeschutzabkommen. Deren Bestimmungen sind jeweils im Einzelnen zu berücksichtigen wie auch die europäische Menschenrechtskonvention, die UN-Kinderrechtskonvention und die Sozialcharta. Als Fazit kann gelten, dass in Deutschland zwar durch die Zugehörigkeit zur EU und die Verpflichtung zu mehr Konventionen mehr Bestimmungen zu berücksichtigen sind, im Einzelfall aber jeweils geprüft werden muss, welche besonderen Menschenrechte eingehalten werden und einklagbar sind (vgl. Trenczek et al. 2008:51 ff.).
Soziale Arbeit orientiert sich auch an den verbrieften Grundrechten (Rechtsordnung der Bundesrepublik, Art. 1–19). Ein großer Teil davon ist als Abwehrrechte ausgestaltet. Von besonderem Interesse für die Soziale Arbeit ist die Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art 10 GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und insbesondere das Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 GG). Der grundsätzliche Schutz der Persönlichkeit (Art 2 GG) hat im Laufe der Jahre eine Ausdifferenzierung erfahren, die für die Soziale Arbeit von besonderer Bedeutung ist. Diese umfasst ein
• Recht auf Schutz der Privat-, Geheim- und Intimsphäre,
• Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
• Recht auf Identität,
• Recht auf soziale Achtung,
• Recht auf Selbstdarstellung und
• Recht auf finanzielle Selbstbestimmung (vgl. ebd.:95).
4.2.4 Daten- und Vertrauensschutz
Der Datenschutz und die Schweigepflicht sind mit Ausnahme der Anzeigepflicht in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz unterschiedlich geregelt, weshalb nachstehend Ausführungen separat vorgenommen werden. In beiden Ländern besteht für Professionelle der Sozialen Arbeit keine Pflicht, strafbare Handlungen anzuzeigen mit Ausnahme von besonders schweren Straftaten. Allerdings besteht fast überall ein Anzeigerecht. Es ist demnach nach professionsspezifischen Überlegungen zu beurteilen, ob es sinnvoll erscheint, offiziell Anzeige zu erstatten. Spezialisierte Beratungsstellen können oftmals fundiert Auskunft geben über Wirkungen und mögliche Folgen.
Datenschutz Schweigepflicht, Amt und Berufsgeheimnis in der Schweiz
Entgegen dem Begriff dient der Datenschutz dem Persönlichkeitsschutz und den Grundrechten von Personen. Er schützt Menschen vor widerrechtlichem Umgang mit Daten, die von Dritten (Private oder staatliche Behörden) erhoben, bearbeitet und weiter gegeben werden (vgl. Pärli 2007:130 ff.). Sozialarbeiterinnen, die Daten bearbeiten, haben dies unter Einhaltung der Verfassungsgrundsätze zu leisten (
Kap. 4.2.2). Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass sie ausschließlich zum deklarierten Zweck verwendet werden, entsprechend datentechnisch geschützt bleiben und nicht ohne Rechtfertigungsgrund gegen den ausdrücklichen Willen von Klientinnen bearbeitet werden. Hier gilt besonders zu beachten, dass der sorgfältige Umgang mit Daten von Klienten als vertrauensbildende Maßnahme gesehen werden kann. Die Kenntnis von Informationen über eine Person beeinflusst sowohl das Bild von ihr wie auch die Interaktion mit dieser Person (
Kap. 8.2).
Ganz grundsätzlich gilt für Professionelle der Sozialen Arbeit eine berufliche Schweigepflicht, die verbietet, Daten an Dritte bekanntzugeben. Allerdings fallen Sozialpädagogen nicht unter das im Strafgesetzbuch festgehaltene Berufsgeheimnis (Art. 321), sofern sie nicht im Auftrag von Personen stehen, die ihrerseits dem strafrechtlichen Berufsgeheimnis unterstehen. Je nach Funktion fallen sie aber unter das strafrechtliche Amtsgeheimnis (Art 320) (vgl. Pärli 2007:134). Bedeutung bekommen diese Bestimmungen in der Beratung von Klientinnen, damit diese sich gegen allfällige Verletzungen von Datenschutzvorschriften wehren können. Sie geben den Professionellen vor, wie sie im direkten Umgang bezüglich Datenschutz vorzugehen haben. So ist es wichtig zu wissen, dass jederzeit Einsichtsmöglichkeit in die eigenen Akten zu gewähren ist. Neben den rechtlichen Grundlagen verspricht der Berufskodex der Sozialen Arbeit nach Art. 12.4, dass sich Sozialarbeitende verpflichten, sorgfältig mit Personendaten umzugehen, Datenschutz und Schweigepflicht einzuhalten (vgl. AvenirSocial 2010:9).
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