„Schade, dass Linus Ski fahren wollte“, sagt Lovisa nach einer Weile. „Ich wäre gern mit ihm zusammen gewesen.“
„Ja, aber wir fanden, dass er die Gelegenheit nicht verpassen sollte. Ihr seht euch auch so recht oft.“
„Tun wir das?“ Lovisas Stimme klingt so erwachsen und spöttisch, dass Siv verstummt. Sie weiß ja auch, dass sich die Geschwister seit einem Monat nicht mehr gesehen haben.
„Und wie geht es den Pferden?“, fragt Siv dann, um auf ein unverfänglicheres Thema zu kommen. „Ist alles in Ordnung mit ihnen? Wie geht es Rossy inzwischen, schafft sie es noch ein Weilchen? Sie ist doch jetzt sehr alt?“
Jetzt geht das Gespräch besser. Sie haben immer über Tiere reden können, lange und mit Begeisterung. Sivs Stimme verrät Sehnsucht nach ihnen, was Lovisa versteht. Aber niemals wird sie verstehen können, dass jemand freiwillig den Hof und den Stall, die Wiesen und den Wald gegen vier kleine Zimmer voller hässlicher Möbel tauschen konnte. Sie begreift einfach nicht, wie Siv die Pferde gegen Büroarbeit in Larrys Firma tauschen konnte, und was am unbegreiflichsten von allem ist: dass sie den gut aussehenden, lieben, fröhlichen Bele gegen dieses langweilige kleine Larry-Männchen tauschen konnte.
Lovisa sagt das aber nicht. Madeleine hat sich aufgestellt, und versucht ihr Gleichgewicht zu finden; sie hält sich an Lovisas Knie fest. Lovisa streichelt sie unbeholfen mit dem Zeigefinger über die runde, verschmierte Backe.
„Bleibt Linus wirklich die ganze Woche weg?“, fragt sie, als es nichts mehr von den Tieren zu Hause zu erzählen gibt.
„Ja, natürlich.“ Siv nickt.
„Und was mache ich dann die ganze Zeit hier?“, fragt Lovisa hilflos.
„Was weiß ich, du wirst wohl mit uns zusammen sein; Videofilme anschauen und vielleicht mit Larrys Computer spielen.“
„Nein. Ich glaube, ich fahre besser wieder nach Hause.“ Lovisa schaut die Mutter an, um zu sehen, ob sie traurig wird. Siv wird traurig.
„Du darfst es nicht so ernst nehmen, Lovisa, wenn Larry stichelt. Er meint es nicht böse, er macht nur dumme Witze“, sagt sie flehend.
„Er mag mich nicht, das ist es.“
„Aber natürlich mag er dich! Was redest du da für einen Unsinn?“ Siv wird rot.
„Du, Siv, wir müssen uns doch nichts vormachen, oder? Ich weiß, dass er mich nicht mag.“
„Ach was! Du weißt doch, wie Männer sind. Du siehst Bele eben so ähnlich. Ich glaube, dass er ein bisschen eifersüchtig ist. Das ist alles.“
„Ich fahre morgen nach Hause.“
„Ja, mach, was du willst“, sagt Siv tonlos. Sie nimmt Madeleine auf den Arm und fängt an eine Zimtschnecke in Stückchen zu zerkleinern und sie damit zu füttern.
Sie bleiben eine ganze Weile stumm sitzen.
Dann sagt Siv plötzlich: „Hat dein Vater eine neue Freundin gefunden?“ Ihre Stimme verrät Neugier, aber auch Eifersucht.
„Bele? Nein. Spinnst du, oder ...?“ Lovisas Stimme ist voller Schrecken.
Siv lächelt etwas verlegen. „Nein, natürlich nicht. Bele hat ja nur Zeit für Pferde.“
Lovisa geht ins Wohnzimmer, holt einen Videofilm heraus und setzt sich vor den Fernseher. Ihr fällt nichts anderes ein, was sie tun könnte, aber sie kann sich auch nicht auf den Film konzentrieren. Die ganze Zeit hofft sie, dass Siv kommen und sie bitten wird zu bleiben. Sie hat ihr viel zu schnell erlaubt nach Hause zu fahren. Es ist zu einfach gewesen. Lovisa kommt es so vor, als würde es Siv gar nichts ausmachen, ob sie da ist oder nicht.
Der Film heißt Forrest Gump. Auf der Mattscheibe läuft ein Typ einen endlos langen Weg entlang. Aber plötzlich erregt die Geschichte Lovisas Interesse. Das ist gut, denn sie traut sich nicht den Gedanken aufkommen zu lassen, dass die Mutter sie vielleicht nicht mehr so liebt wie früher.
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