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Nürnberg im Juli 2007
Achim Feige
Kapitel 1
Herausforderungen für die Markenführung im 21. Jahrhundert
Noch Ende der 1980er-Jahre gab es in Deutschland eine wunderbare Faustregel für den Aufbau einer starken Marke. Markenberater und Werbeagenturen gaben unisono die gleiche Antwort: «Sie müssen mindestens sechs Millionen D-Mark in Werbung investieren, dann wird es schon werden mit einer national bekannten Marke.»
Der eine oder andere wird sich vielleicht noch an die guten alten Zeiten der Werbung und Markenführung zurückerinnern. Aber diese Zeiten sind vorbei. Die Welt hat sich seither rasant und radikal verändert. Der ständig fortschreitende Wandel spielt sich zudem heute um einiges schneller ab als früher. Neue Kommunikationsmittel und die konvergierende Medienlandschaft ermöglichen immer neue Kanäle und individuellere Vernetzungen.
Es versteht sich von selbst, dass sich auch die Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte der Kunden verändern. Und wenn sich die Welt, die Kunden und die Medien verändern, so müssen sich auch die Marken und die Art der strategischen Markenführung diesen Veränderungen stellen. Marken, die es schaffen, sich immer wieder optimal neuen Bedingungen und Bedürfnissen anzupassen, ohne ihre Kernwerte aufzugeben, werden vom Wandel profitieren, neue Märkte erschließen und erfolgreich sein. Wer den Anschluss aber verpasst, wird auf der Verliererseite stehen, die Preise senken müssen und schrittweise aus dem Markt ausscheiden. Diese Gefahr war wohl noch nie so groß wie jetzt, da im globalisierten Markt, insbesondere in bereits etablierten Geschäftsfeldern, immer mehr Anbieter mitspielen. Innovation wird also zu einem Muss, zu einer Überlebensstrategie.
Zeiten schnellen Wandels bergen auch Fallstricke, die es zu vermeiden gilt. Gerade bei einer Vielzahl von Neuerungen in relativ kurzer Zeit besteht die Gefahr, den Überblick beziehungsweise die eigene Fokussierung zu verlieren und einen Schnellschuss in die falsche Richtung abzufeuern. Das Gegenteil, zu lange nur zuzuschauen, wie sich Veränderungen weiter entwickeln, ohne sich wirklich ernsthaft über das immer wieder erforderliche (Re-) Positionieren der eigenen Marke Gedanken zu machen, kann fatal sein. Gefährlich ist auch, einfach wie bislang auf alte, früher vielleicht noch bewährte Markenführungskonzepte zu setzen und den größten Teil des Budgets für klassische Werbung auszugeben. Aber eine Marke bildet sich eben längst nicht mehr nur durch klassische Werbung.
Können Sie sich noch an die Zeit vor der Verbreitung der Mobiltelefone erinnern? Die Mobilkommunikation hat nicht nur unsere Arbeitswelt radikal verändert, sondern auch unser Privatleben. Wissen Sie noch, wie man sich früher verabredet hatte, ohne Kurzmitteilungen per Mobiltelefon? Knapp zehn Jahre ist es her, seit das Internet seinen Siegeszug antrat. So einschneidend die technologischen Entwicklungen sind, die unser Leben prägen, so schnell werden sie zu selbstverständlichen Alltagsgegenständen, ohne die man sich das Leben schon fast nicht mehr vorstellen kann. Vergegenwärtigen wir uns deshalb in einem kurzen Rückblick, welche wesentlichen Veränderungen allein in den letzten zwanzig Jahren der Welt ein neues Gesicht gegeben haben und welche Herausforderungen für die Markenführung daraus entstehen.
Die friedliche 1989er-Revolution: Beginn der multipolaren Ökonomie
Der Zerfall der zwei politischen Nachkriegsblöcke durch die Implosion des Warschauer Paktes 1989 war der Startschuss für eine bisher nie da gewesene Globalisierungswelle und das Erwachen der schlafenden Riesen Russland, China und Indien. Dies hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass sich die politische, aber auch ökonomische Welt von einer atlantischen Fixierung zwischen den USA und Europa zu einer multipolaren, multikulturellen Ökonomie wandelt, in der sowohl neue Märkte als auch über 1,5 Milliarden neue Kunden am großen Spiel des Wohlstands teilnehmen. Internationale Marken müssen nun immer (!) interkulturell geführt werden, sie müssen Einflüsse nicht nur aus den USA, sondern auch aus Mittelosteuropa und Asien integrieren. Die Wünsche dieser neu hinzugekommenen globalen Mittelklasse und die neuen Reichen werden nicht nur unser Leben, sondern auch durch ihre Kaufkraft und Wünsche den Konsum beeinflussen.
Wie nutzt Ihre Marke die neuen Märkte in Mittel- und Osteuropa und Asien?
Die 1995er-Revolution: Das Entstehen des Internets
Mit der Erfindung des Netscape Internet Browsers wurde es erstmals für jedermann möglich, sich mit Hilfe des World Wide Web (WWW) selbstständig über die verschiedensten Themen Informationen zu beschaffen und sich mit Gleichgesinnten in Foren wie «Boards» und «Chatrooms» über Wissenschaftliches und Nichtwissenschaftliches auszutauschen. In der Folge entstand, gespeist durch Milliarden von Venture-Capital-Dollars, eine ganz neue Ökonomie mit bislang unbekannten Handelsplattformen, wie zum Beispiel Ebay, mit revolutionären, personalisierten Onlinestores wie etwa amazon.com und mit Suchmaschinen wie Yahoo und Google.
Trotz des großen weltweiten Knalls an den Börsen Anfang 2000 und des Zerplatzens der New-Economy-Blase ist die Welt durch das Internet und die daraus resultierenden Geschäftsmodelle eine andere als zuvor: Eine unverändert schnell ansteigende Anzahl Menschen nimmt fortan an den weltweiten Märkten teil, und die Geschwindigkeit des Informations- und Warenaustauschs hat sich multipliziert. Die New Economy lebt also weiter. Sie hat nur eine andere Gestalt angenommen. So nutzen heute alle innovativen Unternehmen und Marken ihre Internet-Technologien, um Wert zu steigern oder die Transaktionskosten zu senken. Wie heißt es so schön: Wir überschätzen innovative Technologien oder Themen kurzfristig, aber unterschätzen ihre Wirkung langfristig.
Wie führen Sie Ihre Marke jenseits der klassischen Massenmedien und nutzen das Internet?
11. September 2001: Die Rückkehr des Terrors und des Kulturbewusstseins
So tragisch es klingen mag, erst der menschenverachtende Anschlag auf das World Trade Center hat der Wirtschaftswelt wieder bewusst gemacht, dass es mehr gibt als die weltumspannenden Kapitalmärkte, dass unterschiedliche Religionen und Werthaltungen maßgeblich bestimmende Faktoren sind und der westliche Lebensstil nicht das einzige Maß aller Dinge ist. Wer wirklich global agieren möchte, so die Einsicht, muss unterschiedliche Kulturen mit ihren Befindlichkeiten, den ihnen eigenen Kultur-Codes und daraus resultierenden Wünschen, Werten und Sehnsüchten verstehen, akzeptieren und einbringen. Eine globale Marke ohne kulturelle Adaption gibt es nicht. Globales Bewusstsein kann nur auf der Basis von Kenntnis, Verständnis und Akzeptanz des jeweils Anderen entstehen. Das persönliche Vollziehen der inneren Globalisierung ist wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der äußeren Globalisierung.
Ist Ihre Marke kulturell «diverse» und offen?
EU27: Das neue Europa und das Ende national-staatlichen Denkens
Ausgehend vom wesentlich ökonomisch motivierten Wunsch, eine große, harte Währung und damit auch einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in Europa für knapp 500 Millionen Menschen zu schaffen, feiert die europäische Kultur, meist noch ohne dass sie sich dessen wirklich bewusst ist, die Geburt eines «Europäischen Traums». Der Begriff «Europäischer Traum» stammt – wie könnte es anders sein – von einem amerikanischen Wissenschaftler, dem ehemaligen Regierungsberater und Erfolgsautor Jeremy Rifkin.
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