Der Autor
Achim Lichtenberger (*1970) studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Evangelische Theologie an den Universitäten Münster, Rom und Berlin (HU). 2001 wurde er an der Universität Tübingen in Klassischer Archäologie promoviert. Nach Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent in Münster und Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Universität Cambridge, habilitiert er sich 2008 in Münster und wurde 2010 zum Professor für Klassische Archäologie an die Ruhr-Universität Bochum berufen. 2016 nahm er einen Ruf nach Münster an und ist seitdem Professor für Klassische Archäologie und Direktor des Archäologischen Museums an der Universität Münster. In den letzten Jahren hat er archäologische Ausgrabungen in Jordanien, Armenien und Israel durchgeführt. Neben der Feldarchäologie befassen sich seine Arbeiten mit antiker Landschaft, Münzkunde, Religion und Herrschaftsrepräsentation im östlichen Mittelmeerraum.
Achim Lichtenberger
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Umschlagabbildung: Olymp von Westen aus. © Pixabay.
1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Umschlagbild: Getty Images
Print:
ISBN 978-3-17-039616-6
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-039617-3
epub: ISBN 978-3-17-039618-0
mobi: ISBN 978-3-17-039619-7
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1 Annäherung: Der präsente Unbekannte
Für wohl keinen Ort der Antike klaffen die tatsächliche Kenntnis von dem Ort und die Präsenz des Ortes in der Vorstellung der Menschen so weit auseinander wie beim Olymp, dem Sitz der griechischen Götter. Das begann bereits in der Antike, und auch heute weckt der Olymp Assoziationen, die nicht mit der Realität übereinstimmen. Am ehesten vergleichbar mit dem Olymp ist noch der Hades, die Unterwelt, die für die Menschen der Antike in der Vorstellung präsent und selbstverständlich ein realer Ort war, doch von der niemand wirklich wusste, wie sie aussah. 1Außer wenigen Heroen wie Herakles hat niemand den Hades besucht und ist wieder auf die Erde zurückgekehrt. 2
Anders müsste es sich eigentlich mit dem Olymp verhalten, einem Gebirgszug an der Grenze von Makedonien und Thessalien gelegen; sein höchster Gipfel ist mit 2 918 m über dem Meeresspiegel der höchste Ort Griechenlands ( Abb. 1). 3Man kann zu ihm hingehen und ihn sehen, auch wenn seine Gipfel häufig von Wolken verhangen sind. Der Olymp ist eine sehr reale Gegebenheit, eine wichtige Landmarke der Topographie Nordgriechenlands, er ist die Grenze zwischen Thessalien und Makedonien in der antiken Landschaft Pieria ( Abb. 2). Das Olymp-Massiv war und ist für Reisende physisch erfahrbar und ein reales Hindernis, welches umgangen werden muss. Insofern war es geostrategisch präsent und stellte für Heere und Reisende eine wichtige, topographische Gegebenheit dar. 168 v. Chr. wurde hier das Ende des makedonischen Königreichs besiegelt, als die Römer unter dem Feldherren und Politiker Aemilius Paullus in der »Schlacht von Pydna« in der Enge der Küstenebene die Makedonen vernichtend schlugen. Geographische Kenntnisse waren dabei entscheidend. Dennoch bleibt die antike Vorstellung von dem Götterberg Olymp diffus, und es stellt sich
Abb. 1: Ansicht des Olympmassivs von Osten.
die Frage, ob der Olymp nicht ebenso wie der Hades ein irrealer Ort gewesen ist.
In der religiös-mythologischen Aufladung ist er dem Hades vergleichbar. Der Olymp war Sitz und Wohnort der Götter. Hier hatten die Unsterblichen ihre Paläste, hier hielten sie die Götterversammlung, von hier beobachteten sie das Tun und Treiben auf der Erde, und immer wieder verließen sie den Olymp, um mit Menschen auf der Erde in Interaktion zu treten. Der Olymp ist dabei ein exklusiver göttlicher Ort, den Menschen nicht zugänglich – Götter und Menschen treffen nur auf der Erde aufeinander.
Die literarischen Zeugnisse, die sich auf den Olymp beziehen, werden im zweiten Kapitel diskutiert; gleich zu Beginn seien zwei Stellen aus der Ilias, dem großen Epos des Homer, zitiert, aus denen deutlich wird, dass der Olymp der Sitz des Zeus und weiterer Götter ist. Die Lebenszeit Homers kann gegen 700 v. Chr. angesetzt werden, und seine Epen kondensieren und prägen die Vorstellungen der Griechen von ihren Göttern. 4
Abb. 2: Siedlungen und Landschaften am Olymp.
Die erste Beschreibung des Olymps in der antiken Literatur findet sich gleich im ersten Buch der Ilias. 5Da heißt es über Thetis, die zu Zeus ging:
»Und stieg in der Frühe hinauf zum großen Himmel und zum Olympos und fand den weitumblickenden Kroniden, wie er entfernt von den anderen saß auf der höchsten Kuppe des vielgipfligen Olympos.« (Hom. Il. 1,497–499)
In diesem Text wird der Olymp als der Sitz des Zeus auf einem Berg mit vielen Gipfeln beschrieben, zugleich wird deutlich, dass er gedanklich dem Himmel angenähert ist. Diese Idealisierung und Distanzierung des Olymps findet sich auch in anderen Zeugnissen Homers. So heißt es in Homers Ilias als Hera in den Himmel fährt:
»Von selber dröhnten auf die Tore des Himmels, die die Horen hüten, Denen anvertraut ist der große Himmel und der Olympos, Bald zurückzuschieben die dichte Wolke, bald vorzulegen.« (Hom. Il. 5,749–751)
Hier sehen wir, dass der Olymp nicht als Berg vorgestellt ist, sondern dem Himmel gleichgestellt wird, seine Tore werden von den Horen, also den Göttinnen der Jahreszeiten, bewacht, welche die Wolken als Tore schieben. In den beiden Texten aus der Ilias wird der Olymp also unterschiedlich akzentuiert, einmal als Berg, einmal als himmlischer Göttersitz.
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