Als Jonny da auf der Designertoilette saß, spendierte er seine milde Substanz mit einem kurzen Stöhnen, das seine ganze Schlingelart, seinen unbesudelten Smash zum Ausdruck brachte. Wenn dieser Junge in Flüssigkeit transformiert worden wäre, dann wäre er wie Milch und Honig aus einem paradiesischen Füllhorn geströmt. »Du bist ja superscharf«, murmelte er, während seine schwarzen Wimpern zur Hälfte gesenkt waren und seine üppigen glatten Lippen sich leicht teilten, so daß ich seine weiche rosa Zunge ahnen konnte. Ich schob meine Hand unter sein Kettenhemd und holte tief Luft, wie um die Zeit anzuhalten. Ja, ich habe meine Fähigkeit, gestohlene Momente wie diesen einzufangen, wirklich bis zur Vollendung gebracht. Das Knabenherz pochte unter meiner Handfläche, beruhigte sich nach und nach, und dann zog er mich an sich, über die abermals stolz prangende Ausrüstung, und schob mein schwarzes kurzes Kleid hoch. Ich trug fesche Spitzenstayups, blöderweise aber dazu eine billige rotgetupfte Unterhose, meinen Noteinkauf eben. Trotzdem stülpte ich mich über ihn und zog ihm das Netzhemd aus, so daß ich die Hände um seine wohlgeformte runde Brust legen konnte, während er mein Innerstes mit dem Brennstoff füllte, der mich abermals für eine Weile auf dieser öden und belanglosen Weltkugel überleben ließ.
Jonnys und meine geheime Übung verlor schon bald alles Geheimnisvolle, da unsere Toilettenbesuche von immer deutlicherem Geflüster, Getuschel und Gefeixe der lieben Kolleginnen und Kollegen begleitet wurden. Am vierten Tag war bei ihnen auch nicht mehr der geringste Ansatz zu Diskretion zu beobachten. Als Jonny vor mir zur Toilette ging, und ich sofort in derselben Richtung etwas Dringendes zu erledigen hatte, blickte ich über meine Schulter in ein Atelier zurück, das jetzt von einem belustigten Publikum bevölkert war, das mich mit verlegenen und überaus spöttischen Blicken bedachte.
Ich verdächtigte den scheinheiligen Walter, unseren jüngsten Mitarbeiter, der als Praktikant angefangen und sich dann eine feste Stelle erschleimt hatte, obwohl seine Begabung wirklich einen Ozean an Wünschen offenließ. Er war ein mittelmäßiger Streber, der sich alle Mühe gab, und nicht einmal seine zwanzig Jahre alte Erscheinung konnte als mildernder Umstand gelten; sowohl Schmerbauch als auch Glatze hatten sich schon viel zu früh eingefunden. Ich sorgte konsequent dafür, daß ich niemals in derselben Projektgruppe landete wie Walter. Ich bin vielleicht ein wenig ungerecht: Walter lag mit seinem Finanzbubi-Look geradezu unverschämt im Trend. Noch hatte das Vorrücken der Yuppielemminge sie noch nicht an den Abgrund des Finanzcrashs der neunziger Jahre geführt. Aber ich habe Herdenmentalität noch nie ausstehen können, und Walter war nun einmal ein feiger, vorhersagbarer Massenmensch. Und als ob Walters bloße Anwesenheit unter dem Glasdach der Werbeagentur nicht bei Weitem schon schlimm genug gewesen wäre, so erwies er sich zu allem Überfluß auch noch als Klatschvetter übelster Sorte. Deshalb war es vermutlich Walter, der den anderen die Augen für meine Toilettenbesuche in Jonnys Gesellschaft geöffnet hatte, und mein armer Schlümmel wurde danach alsbald aus dem Büro entfernt.
Ein erster Schritt zu meiner Entlarvung war damit getan.
Auf dem Seil, das nun aufgespannt wurde, um mich zum Absturz zu bringen, sollte ich in den kommenden Monaten zu mehreren leichtfüßigen Sprüngen verlockt werden. Während der ersten Hälfte der achtziger Jahre erreichte die Jugendarbeitslosigkeit neue Höhen, und die Politiker gaben sich alle Mühe, um die jungen Leute aus dieser peinlichen Statistik hinauszudrängen. Deshalb konnte eine große Anzahl von Teenies gegen staatliche Entlohnung in Privatfirmen tätig werden. Und das führte zu einem stetigen und für mich so gefährlichen Durchzug von Jonnies an meinem Arbeitsplatz.
Aber obwohl ich meine Jonny-Affairen neben meiner regulären Arbeitszeit verfolgte, wurde ich schließlich gezwungen, auf diese Ausschweifungen zu verzichten, als in den Designschulen dann Gerüchte in Umlauf gerieten. Dort wurde ich als Femme fatale beschrieben, und die Jungen machten nun einen Bogen um mich. Um meine Frustration zu dämpfen, bat ich meine Mutter, mir ein Beruhigungsmittel zu verschrieben. Ich sagte ganz offen, daß ich Liebeskummer hätte. Und wie die meisten, die ihre medizinischen Examen in den fünfziger Jahren abgelegt hatten, fand meine Mutter es nicht weiter bedenklich, das Gefühlsleben mit chemischen Mitteln zu regulieren.
Ich begegnete der Gerüchteküche mit Valium und dem Versuch, mit aller Kraft meine wogende Perversion zu sublimieren, und das führte zu der vielbeachteten und diskutierten Kampagne für die Jeansmarke Lee, die schon seit den siebziger Jahren total im Schatten von Levi’s dahinvegetiert war. Ich hatte das Glück, mit international anerkannten Stylisten und Fotografen zu arbeiten, die angesichts der schwedischen Engstirnigkeit nur gelassen mit den Achseln zuckten. Auf einer Reise nach New York fanden der Fotograf und ich rasch zusammen, denn er war Päderast, und wir veranstalteten ein Casting, das drei Tage dauerte, und bei dem wir uns an der nicht versiegenden Flut von Johnnies , die vor unseren lüsternen Blicken posierten, fast schon satt sehen konnten. Wir engagierten dann vier Wichte, die untereinander sehr verschieden waren, zusammen jedoch einen absolut überschäumenden Smash ergaben. Ich verlängerte meinen Aufenthalt in New York nur deshalb, um mit den kleinen Wesen ausgehen und sie in unbegrenzten Mengen mit dem Silber des Kokain und dem Gold des Blubberwassers berieseln zu können. In der letzten Nacht feierten wir auf meinem Hotelzimmer eine Orgie, von der ich leider nicht mehr sehr viel weiß. Vor allem habe ich wegen der Goldfische ein schlechtes Gewissen; die Gäste bekamen zur Gesellschaft einen Goldfisch aufs Zimmer geliefert, und der Arme auf meinem Zimmer wurde mit Kokain gemästet, bis er starb, worauf wir unten in der Rezeption um neue Fische baten, denen derselbe Vergiftungstod beschieden war, und ich kann mich nur damit trösten, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach in seligem Rausch entschlafen sind.
Als ich dann wieder zu Hause war, machte ich sogar einen Aidstest.
Die Jeanskampagne wurde mit Schmähungen wie Kinderporno, Drogenromantik und Dekadenz belegt, aber – oderint dum metuant! – Lees Absatz stieg sprunghaft an, und die Marke errang endlich das Prestige, das ihr bisher gefehlt hatte. Mir ging es ähnlich, mein Status bei der Jugend wuchs, und darüber freute ich mich unendlich, aber das hatte auch Konsequenzen, die zu sich öffnenden Falltüren führten.
Eine solche Falltür lachte mich in Kopenhagen breit und einladend an. Ich gehörte zu einer Jury, die dort einen internationalen Werbepreis vergeben sollte. Auf ausländischem Territorium konnte ich meinen Lüsten freien Lauf lassen, weshalb ich, nachdem ich ein Festmahl mit fünf Gängen und dicklichen, dreißigjährigen und unermüdlichen Kavalieren durchlitten hatte, in die Stadt zog. Mein Ohr lokalisierte bald die Musik, die Jugendliche anlockt, und die auch ich zu schätzen weiß, wenn ich ehrlich sein soll, weil diese Musik in mir Assoziationen von fast pornographischer Natur erweckt. In der verräucherten Jugendtränke, die ich da ausfindig gemacht hatte, trat ich an den Tresen und bestellte etwas. Junge Dänen in allen Modellen umkreisten mich, und ich wäre angesichts dieses Blütenflors fast außer mir geraten. Dann nahm ich die Witterung von zwei quälend köstlichen Exemplaren auf, die über einen hohen Schlümmelfaktor verfügten. Ich wußte nicht so recht, welcher von beiden meine Antennen besonders zum Vibrieren brachte, aber zum Glück blieb mir die Entscheidung dann erspart. Auf dänische Manier nickten sie und hoben ihr Tuborg, worauf ich sie näher zu mir heranwinkte. Und Sie können sich vorstellen, wie glücklich ich war, als sie mich erkannten, sie hatten nämlich einen Zeitungsartikel über die Preisverleihung gelesen. Ein hilfreicher Fingerzeig des Schicksals hatte dafür gesorgt, daß ein Foto von mir in die Zeitung geriet, und wenn ein junger Wicht sich von etwas beeindrucken läßt, dann von einem prominenten Gesicht. Dieses gefundene Fressen verdoppelte sich, und plötzlich war ich von vier Knaben umringt. Ich gab so viel Tuborg und Gammeldansk aus, wie das Schlümmelquartett nur hinunterbrachte, und als wir mein von der Firma finanziertes Hotelzimmer in Nyhavn mit Blick auf den Öresund erreicht hatten, zog ich das von einem dänischen Werbeyuppie, den ich schon länger kannte, besorgte Kokain hervor. Vergessen Sie nicht, daß wir uns im Moment in den achtziger Jahren befinden, wo Kokain ein ganz normaler Bestandteil des Gesellschaftslebens war.
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