Hella Heller
BEIM NÄCHSTEN MANN BLEIB ICH SOLO
Roman
1. Erwachen
2. Heiliger Bimbam!
3. Der Entschluss ist gefallen
4. Annabell, oh, Annabell
5. Der Antrag
6. Mamma Mia
7. Ein Abend mit Olivia
8. Durchblick
9. Hoppla!
10. Schwarze Romantik
11. Arbeit am Lebensglück
12. Die Mauer
13. Fraueninsel
14. Wind um die Wohnung
15. Den Abflug machen
16. Ein Schock
17. Fragen über Fragen
18. Noch ein Schock
19. Play the Opossum!
20. Step by step
21. Lebenslauf
22. Erschütterungen
23. Einen Hugo, bitte!
24. Der schwarze Kontinent
25. Bravo, bella!
26. Hellau!
27. Back to the roots
28. Schreibwut
29. Sonntag, der dreizehnte
30. Eisiger Wind
31. Frühlingserwachen
32. Zu viel des Guten
33. Hirsche und Rehe
34. Der Achtsamkeits-Kurs
35. Nachverhandlung
Lesbisch werden in sieben Tagen
36. Dramaturgischer Absturz
37. Töchter trösten
38. Die Antwort
39. Erste Hilfe
40. Der Tanzbären-Kurs
41. Der Mai ist gekommen
42. Die Blätter schlagen aus
43. Umgang mit Alphatieren
44. Der Untermieter
45. Fronleichnamsfest
46. Kontakte mit Folgen
47. Die Luft wird dünn
48. Erstaunliche Mitteilungen
49. Hausnummer
50. Sommeranfang
51. Alte und neue Bindungen
52. Geist, Esprit, Spirit und Käse
53. Überraschung!
54. Es lebe der Widerstand!
55. Da kommt was in Bewegung
56. Knallharter Deal
57. Es lebe die Unabhängigkeit
58. Briefpost
59. Auftriebe und Umtriebe
60. Glibbergene
61. Ich muss, ich muss
62. Flaschenpost
63. Faktencheck
64. Feuersbrunst
65. Geistesflügel
66. Sahneschnitte, bitte
67. So tickt die Welt
68. Einfach genial
69. Miau!
70. Der Knaller
71. Alter!
72. Diverses
73. Wunderbare neue Welt
74. Hellas!
75. Nach Lage der Dinge
76. Fundstücke
77. Gemeinheiten
78. Nestkoller
79. Bonjour, mamie!
80. Frohe Weihnachten
81. Die Jugend von heute
82. Schlussstriche
83. Begegnungen anderer Art
84. Schmalzvoll
85. Doppelpack-Terror
86. Trennungsfreuden
87. Schlechter Empfang
88. Überraschende Begegnung
89. Morgens am Main
90. Erfolgsstory
91. Träum weiter
92. America first
93. Breaking news
94. Das Fest
Noch mal von vorn
Nachwort und Dank
Der Alptraum war vorbei. Ich war nicht mehr Kate Middleton, die sich soeben mit Prinz William verlobt hat. Wobei er mir – dreißig Jahre nach der Verlobung seiner Eltern – den brilliantenbekränzten blauen Saphir der Lady Di auf den Finger steckte. »Kate! Nimm den Verlobungsring von Mum als Zeichen meiner ewigen Liebe! Ich wollte ihn dir schon lange geben, habe aber extra bis heute gewartet, damit wir diesen besonderen Tag im Geiste mit ihr teilen können!«, sagt William.
»O Willy-Darling!«, hauche ich, »how rührend! «
Und da ist es, das legendäre Kleinod, extra erweitert, damit es auf meinen Finger passt! Stolz hebe ich die Hand. Prachtvoll glitzert der Saphir in der Sonne Kenias, wohin unsere Verlobungsreise uns geführt hat.
Leider ist der Ring eine Idee zu weit geraten. Denn als ich die Hand wieder sinken lasse, rutscht er mir vom Finger und schwupp, springt das Mistding davon.
Williams Blick treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn. Entschlossen werfe ich mich auf die Knie und durchwühle den kenianischen Straßenstaub nach der Preziose. Die Paparazzi, diese Aasgeier, knipsen wie blöd, wie ich im Dreck umherkrieche …
Vor Verzweiflung wurde ich wach. Und obwohl ich nun wieder Constanze Wechselburger-Auerbach hieß und mir Royals und Brillis schnurzpiepegal sind, war mir die Sache peinlich. Der Verlust dieses Ringes würde dem armen William das Herz brechen! Wo er doch gerade dabei war, mir das heilige Band der Ehe zu versprechen!
Zum Glück hat Albert mir vor dreißig Jahren genau den gleichen Ring geschenkt. Er ist zwar nicht ganz so teuer gewesen (89,– Mark bei Tchibo), sieht aber richtig echt aus. Falls William in meinen nächsten Träumen weiter um seinen Verlobungsklunker trauern würde, konnte ich ihm den von Tchibo schenken. Gesetzt den Fall, mir fiele ein, wo Alberts Ring war. Weggeworfen hatte ich ihn bestimmt nicht. Schon weil es das einzige geblieben ist, was dieser Geizhals mir überhaupt je geschenkt hat.
Gerade wollte ich beruhigt wieder eindösen, da rief ein Kuckuck. Ich wusste, was nun kam. Im Abstand von je einer Minute würden sechs weitere rufen. Die übrigen lauerten auf ihren Einsatz, mussten aber stumm bleiben. Das war eine meiner Bedingungen dafür, dass Albert im Flur unserer Wohnung achtundzwanzig Kuckucksuhren aufhängen durfte. Albert und ich bemühen uns beziehungstechnisch um Ausgewogenheit.
Unsere Altbauwohnung liegt im Frankfurter Nordend und ist riesig. Als wir von Berlin-Kreuzberg in die Mainmetropole umgezogen waren, weil Albert hier seine erste Stelle als Assistenzarzt bekam, hausten wir anfangs zu siebt in zwei Tür an Tür liegenden Etagenwohnungen. In der WG wohnten lauter Leute, die Medizin studierten oder gerade in der Chirurgie anfingen. Meist war noch ein Haufen Besuch da, der vom Job her auch Körper flickte, deshalb ging es schon beim Frühstück um unappetitliche Themen. Als Frau mit filmischem Auge war das für mich eine Herausforderung. Andererseits könnte ich seither manch eine Operation medizinisch präzise durchführen – gewusst wie!
In den Jahren darauf kamen Rosa und Ben zur Welt. Die WG löste sich auf, wir rissen die Wand zwischen den beiden Wohnungen ein, und ab da verfügten Albert und ich mit unseren Kindern über 155 Quadratmeter. Der einzige Nachteil ist, dass alle sieben Zimmer von einem endlosen dunklen Flur abgehen. An sich läuft man in unserer Wohnung ewig durch diesen Schlauch. Wir nennen ihn darum den langen Jammer.
Im langen Jammer ist die linke Wand über und über mit Kuckucksuhren behängt. Eine Uhr neben der anderen. Ich finde Kuckucksuhren völlig bescheuert, aber ich stamme auch nicht aus dem Schwarzwald. Albert dagegen kommt vom Titisee. Er behauptet aber, er sammele nicht aus Heimatverbundenheit. Das sei echte Uhrmacherkunst. Der internationale Markt lechze nach der schwäbischen Kuckucksuhr. Als Anlageobjekt! Ein Vogelhaus mit Gehängen dran … haha! In meinen Augen war und blieb das billiger Touristenkitsch.
Zum Ausgleich sicherte ich mir die Gestaltungshoheit über die rechte Flurseite. Auf der gesamten Länge der Wand habe ich selbstgefertigte Kunstobjekte verteilt – Gemälde und Zeichnungen. Mein Stil ist sozialkritisch-feministisch, bewahrt dabei aber das mädchenhaft Naive, mit dem ich als Fünfjährige zu malen anfing. Der Flair des Kindhaften steht im bewussten Spannungsbogen mit der Schärfe meiner politischen Botschaft. »Küss mich, ich bin keine Beischlafmaschine« heißt eines meiner Werke, »Henne und Ei« ein anderes. Mein größtes Kunstobjekt ist einen Meter fünfzig breit und behandelt das Thema »Jugendwahn«. Es ist eine Blümchenwiese aus Plastik, die ich mit Gold- und Silberfarbe übergossen habe, und aus dem Ganzen ragt ein dreckigweißer alter Chuck! Das Objekt trägt den Titel »Fit wie ein Turnschuh!«.
Um die sozialkritisch-feministische Note meiner Bilder noch zu unterstreichen, habe ich meine Flurwand plus Deckenhälfte himmelblau grundiert und mit Schäfchenwölkchen bepinselt. Sozialkritische Kunst gegen Wolkenkuckucksheim! Ha!
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