Jörg Witte - Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung

Здесь есть возможность читать онлайн «Jörg Witte - Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung» — ознакомительный отрывок электронной книги совершенно бесплатно, а после прочтения отрывка купить полную версию. В некоторых случаях можно слушать аудио, скачать через торрент в формате fb2 и присутствует краткое содержание. Жанр: unrecognised, на немецком языке. Описание произведения, (предисловие) а так же отзывы посетителей доступны на портале библиотеки ЛибКат.

Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung: краткое содержание, описание и аннотация

Предлагаем к чтению аннотацию, описание, краткое содержание или предисловие (зависит от того, что написал сам автор книги «Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung»). Если вы не нашли необходимую информацию о книге — напишите в комментариях, мы постараемся отыскать её.

Was offenbart die historische Entwicklung der Mathematik über die Menschen, die sie betreiben oder anwenden? Was verrät sie über uns selbst und über die Gesellschaft, in der wir leben?
Keine Wissenschaft spielt eine so dominante Rolle in unserer heutigen Kultur wie die Mathematik: Ohne sie wären die atemberaubenden Fortschritte in Naturwissenschaft und Technik nicht möglich gewesen, denn das Prinzip der (mathematischen) Vorhersagbarkeit ist Grundlage jeder wissenschaftlichen Theorie. Dieser Vorhersagbarkeit liegt auch eine zeitliche Dimension zugrunde, sie sagt eine Bewegung voraus: die Einheiten, in denen diese gemessen wird, sind etwa Zeit, Strecke, Geschwindigkeit, Beschleunigung oder Kraft.
Der Mathematiker Jörg Witte zeigt, was unser naturwissenschaftliches Weltbild über unser Selbstverständnis aussagt und wie sich dieses historisch entwickelt hat. Auf anschauliche Weise und mit einem niedrigschwelligen Zugang legt der Autor dar, wie sich die kulturellen Voraussetzungen im Wandel der Zeit verändert haben und welche Bedeutung dabei das Subjektverständnis zur eigenen Stellung in der Welt spielt.

Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung — читать онлайн ознакомительный отрывок

Ниже представлен текст книги, разбитый по страницам. Система сохранения места последней прочитанной страницы, позволяет с удобством читать онлайн бесплатно книгу «Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung», без необходимости каждый раз заново искать на чём Вы остановились. Поставьте закладку, и сможете в любой момент перейти на страницу, на которой закончили чтение.

Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Eine Bewegung hat neben räumlichen auch zeitliche Eigenschaften. Eine räumliche Eigenschaft kann durch die Geometrie erfasst werden, eine zeitliche durch die Arithmetik. So kann man durch Ordinalzahlen eine zeitliche Reihenfolge ausdrücken: erstes Ereignis, zweites Ereignis, drittes Ereignis usw. Der Schwerpunkt der antiken griechischen Mathematik lag auf der Geometrie. Die zeitlichen Eigenschaften einer Bewegung spielten nur eine untergeordnete Rolle – ganz anders als in der Neuzeit. Der Grund dafür ist eine andere Zeitvorstellung. Zeitliche Eigenschaften von Bewegungen wurden in der griechischen Antike in dem Lauf der sieben damals bekannten Wandelsterne Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn erkannt. Die griechischen Astronomen machten in ihnen periodische Wiederholungen aus. Ein Wandelstern kehrt stets zu jedem Ort auf seiner Bahn zurück. Seine Bahn besitzt daher keine Vergänglichkeit. Platon glaubte gar, dass sich auch die Konstellationen der sieben Wandelsterne sowie der Fixsterne wiederholen. Ihm zufolge waren die astronomischen Konstellationen dasjenige, was man in der griechischen Antike Zeit nannte. Platon drückte damit, wie vor ihm bereits die Pythagoreer, die zyklischen Zeitvorstellungen der griechischen Antike aus (Platon, 2009). Ganz anders seit der Renaissance: Nun setzten sich lineare Zeitvorstellungen durch. Demzufolge ist ein Ereignis, das vergangen ist, ein für alle Mal vergangen. Es kehrt nicht mehr wieder – und das ist ein fundamentaler Unterschied zur zyklischen Zeit.

Vergänglichkeit erfahren wir durch persönliche Erinnerungen. Wenn ich mich an ein Ereignis erinnere, das ich erlebte, dann ist für mich das Ereignis vergangen. Es bleibt mir nur noch die Erinnerung. Den neuzeitlichen linearen Zeitvorstellungen liegt eine Erinnerungskultur zugrunde: Sie ist maßgeblich von Erinnerungen an persönlich Erlebtes geprägt. Dabei erfährt das Individuum, dass es während des Wechsels der Erscheinungen stets dasselbe bleibt. Diese Erfahrungen brachten das neuzeitliche Selbstbewusstsein hervor. Doch auch zyklische Zeitvorstellungen hatten sich aus Erinnerungen heraus entwickelt. Um zu erkennen, dass gewisse Ereignisse immer wiederkehren, müssen sie als solche wiedererkannt werden. Dafür muss ich mir Merkmale der Ereignisse in das Gedächtnis eingeprägt, gemerkt haben. Ein Wiedererkennen der Merkmale eines Ereignisses ist nicht notwendigerweise eine Erinnerung an persönlich Erlebtes, sondern ein Wissen über ein Ereignis, es setzt zumindest ein solches Wissen voraus. Es erscheint das gleiche Ereignis immer wieder, wenn es jedes Mal die gleichen Merkmale hat. An den Erscheinungen eines Ereignisses wird immer wieder der gleiche Begriff mit seinen Merkmalen, immer wieder, platonisch gesagt, die gleiche Idee erkannt. So erscheint alle vier Wochen der gleiche Vollmond, an jeder Erscheinung eines Vollmondes kann ich die gleichen Merkmale erkennen, denn die Vollmonde unterscheiden sich nicht. Wenn ich mich jedoch persönlich daran erinnere, dass ich bereits einen Vollmond erlebt habe, während ich einen Vollmond sehe, dann habe ich nacheinander zwei Erscheinungen eines Vollmondes erfahren. Während der moderne Mensch in der linearen Zeit erfährt, dass er im Wechsel der Erscheinungen stets derselbe bleibt, erfährt ein Mensch mit einer zyklischen Zeitvorstellung, dass wiederkehrende Ereignisse, die ihm erscheinen, stets dieselben sind. Eine Vorstufe der bewussten Erinnerung ist das Vertrautsein mit gewissen Merkmalen. Das Vertrautsein ist eine Voraussetzung für sensomotorische Fertigkeiten, etwa beim Fahrradfahren mit Merkmalen der Gleichgewichtslage und des Fortbewegens, ohne sich bewusst an sie zu erinnern. Stattdessen ist die Reaktion eine routinierte und unbewusste. Eine bewusste Erinnerung würde sogar zu einer Beeinträchtigung der sensomotorischen Fertigkeiten führen. Eine Kultur des Vertrautseins finden wir in vor- und frühgeschichtlichen Kulturen. Sie führt zu einer Handlungszeit, d. h. die Zeit erscheint in der Art und Weise, wie Handlungen strukturiert sind. Die Menschen dieser Kulturen waren mit den Merkmalen zyklisch wiederkehrender Ereignisse der Natur vertraut und reagierten auf sie mit landwirtschaftlichen und rituellen Verrichtungen. Ihre Handlungen wurden durch periodisch wiederkehrende Ereignisse der Natur strukturiert.

Wir haben bis hier drei Gedächtnisoperationen unterschieden: persönliches Sich-Erinnern, Wissen und Vertrautsein. Ihnen entsprechen die drei Zeiten: lineare Zeit, zyklische Zeit und Handlungszeit.

Parallel zur Gedächtnis- und Zeitentwicklung verlief die Genese des Zahlbegriffs. Archaische Darstellungen einer Anzahl sind gekerbte Knochen oder Hölzer, Knotenschnüre, Mengen von Kieselsteinen oder Muschelschalen. Sie sind vermutlich Merkzeichen, ähnlich den Strichen auf einer Strichliste. Strichlisten und Ähnliches können auch ohne Zahlkenntnis verwendet werden, sie dienen der Unterstützung des Gedächtnisses. Die Existenz eines Merkzeichens verweist auf die Existenz eines der gemerkten Gegenstände. Ein Mensch, der mit dem Merkmal der Existenz vertraut ist, kann ein Merkzeichen verwenden. Wie kann sich ein Mensch mit dem Merkmal der Existenz vertraut machen? An dieser Stelle soll ein kurzer Hinweis genügen, das Thema wird im ersten Kapitel noch vertieft: Wenn ich mich an einem physischen Gegenstand stoße, dann spüre ich seine Existenz – mehr noch: ich spüre auch meine eigene Existenz. Ich merke, dass es außer mir bzw. meinem Körper noch einen anderen Gegenstand gibt. Ich erlebe eine Mehrzahl. Manchmal kann man Menschen dabei beobachten, wie sie beim Zählen mit dem Zeigefinger auf den gezählten Gegenstand zeigen – als ob sie ihn leicht anstoßen wollten, um sich seiner Existenz zu vergewissern. Ein Merkzeichen hat mit einem gemerkten Gegenstand das Merkmal der Existenz gemeinsam. Nehmen wir einmal an, dass ein Mensch, der nicht zählen kann, sich die Existenzen mehrerer Gegenstände einprägen will. Wenn er kein äußeres Medium zur Verfügung hat, in das er Merkzeichen einprägen kann, dann muss er sich die Existenz jedes einzelnen Gegenstandes ins Gedächtnis einprägen. Wie wird er vorgehen? Zuerst nimmt er einen der Gegenstände wahr und bildet sich ein Existenzurteil: »Es gibt einen Gegenstand.« Dieses prägt er sich ins Gedächtnis ein. Dann nimmt er einen weiteren Gegenstand wahr und urteilt: »Es gibt einen zusätzlichen Gegenstand.« Das Existenzurteil prägt er sich ein. Da er aber das vorangegangene Existenzurteil nicht vergessen darf, prägt er sich zusätzlich eine Erinnerung an das vorangegangene Existenzurteil an. Sukzessive führt er Merkschritte aus. In einem Merkschritt prägt er sich Folgendes ein:

→ ein Existenzurteil und

→ eine Erinnerung an den vorangegangenen Merkschritt, insofern er stattgefunden hat.

In einem Merkschritt wird gegebenenfalls eine Erinnerung an den vorangegangenen Merkschritt eingeprägt, in dem selbst wiederum eine Erinnerung an einen Merkschritt eingeprägt worden sein kann. Eine solche Erinnerung an eine Erinnerung nennen wir rekursive Erinnerung . Dieser Begriff ist zentral für das vorliegende Buch. Die Erinnerung eines Merkschrittes kann eine Erinnerung im Sinne von Wissen sein, oder eine im Sinne eines persönlichen Sich-Erinnerns. Nehmen wir einmal an, dass die Erinnerung eines Merkschrittes ein Wissen ist. Was genau wissen wir dann? Wir wissen, dass es einen Gegenstand gibt, und gegebenenfalls, dass es noch einen weiteren Gegenstand gibt, und dass es vielleicht noch einen zusätzlichen Gegenstand gibt usw. Das Wissen eines Merkschritts liefert uns eine Menge von Existenzurteilen – wir kennen dann die Anzahl der Gegenstände. Wenn wir z. B. wissen, dass es einen Gegenstand gibt, und dass es noch einen Gegenstand gibt, und dass es noch einen weiteren Gegenstand gibt, dann wissen wir, dass es drei Gegenstände gibt. Die Aussage »Es gibt drei Gegenstände« und die Aussage »Es gibt einen Gegenstand, und es gibt noch einen Gegenstand, und es gibt noch einen weiteren Gegenstand« sind äquivalent. Wenn wir uns nun in einem Merkschritt persönlich an den unmittelbar vorangegangenen Merkschritt erinnern, dann erfahren wir, dass der erinnerte Merkschritt bereits vergangen ist. Er wurde also vor dem aktuellen Merkschritt vollzogen. Dieser folgt dem erinnerten Merkschritt nach. Wir erfahren eine Nachfolgerbeziehung. Durch die Nachfolgerbeziehung können Merkschritte linear angeordnet werden. Die Menge aller ausgeführten und – zumindest theoretisch – noch ausführbaren Merkschritte haben die Struktur von Ordnungszahlen. Die Genese des Zahlbegriffs verläuft mit einer zunehmenden Verinnerlichung. Ausgangspunkt sind die äußeren Merkzeichen mit ihrem Merkmal der Existenz. In der zweiten Phase der Genese ist eine Menge von Existenzurteilen, die in das Gedächtnis eingeprägt worden sind – also verinnerlicht worden sind, eine Anzahl. In der dritten Phase werden nicht nur Existenzurteile in das Gedächtnis eingeprägt, sondern auch der Vorgang des Urteilens und Erinnerns. Dadurch, dass ich mich persönlich rekursiv daran erinnere, dass ich die vorangegangenen Merkschritte selbst ausgeführt habe, erhalte ich nicht nur eine Menge von Existenzurteilen, sondern auch die Reihenfolge, in der ich geurteilt habe.

Читать дальше
Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Похожие книги на «Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung»

Представляем Вашему вниманию похожие книги на «Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung» списком для выбора. Мы отобрали схожую по названию и смыслу литературу в надежде предоставить читателям больше вариантов отыскать новые, интересные, ещё непрочитанные произведения.


Отзывы о книге «Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung»

Обсуждение, отзывы о книге «Genese des Zahl- und Zeitbegriffs aus der Erinnerung» и просто собственные мнения читателей. Оставьте ваши комментарии, напишите, что Вы думаете о произведении, его смысле или главных героях. Укажите что конкретно понравилось, а что нет, и почему Вы так считаете.

x