Kleine Hohlräume im Mauerwerk, wie sie oftmals im Bereich des Mörtels zu finden sind, bieten nicht nur der Mauer- und Mörtelbiene einen idealen Nist- und Schlafplatz.
Auch markhaltige oder hohle Stängel werden von einigen wenigen Bienenarten als Nistplatz genutzt. Keulhornbienen (Ceratina) beispielsweise nagen in die Stängel von Rosen, Brombeeren oder Königskerzen Hohlräume für die Brutzellen, die aufgrund der Gegebenheiten im Stängel linienförmig angelegt sind. Auch einzelne Arten der Mauerbiene (Osmia) sind hier zu finden, wobei der bevorzugte Niststandort – der Name lässt es bereits vermuten – Hohlräume oder Ritzen im Mauerwerk sind.
Die wohl ungewöhnlichsten Nistplätze sind indes Schneckenhäuser, die von einigen Mauerbienenarten zur Pollen- und Eiablage genutzt werden, sowie Pflanzengallen. Letztere bilden sich beispielsweise an Eichenblättern, nachdem die Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) mithilfe ihres Legebohrers ein Ei im Gewebe des Blattes platziert hat. Die sich hier entwickelnde junge Wespe verlässt zwischen Dezember und Februar die Galle und hinterlässt ein Bohrloch, das wiederum von Maskenbienen und anderen Arten zur Eiablage genutzt wird.
Wer wachsam und mit geschärftem Blick durch die Welt geht, kann sich von der Vielfalt der Wildbienennist- und schlafplätze überzeugen – einer Vielfalt, die sich nicht auf die Schlafgewohnheiten der Insekten beschränkt, sondern ebenso im Hinblick auf ihr Sozialverhalten anzutreffen ist.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass sich die Lebensweise der uns vertrauten Honigbiene auf die Zehntausenden anderen Bienenarten übertragen lässt. Das Gegenteil ist der Fall. Apis mellifera stellt mit ihrer arbeitsteiligen, staatenbildenden Lebensweise die große Ausnahme dar. Die meisten Bienen führen ein Einsiedlerdasein. Doch Gemeinschaftsbienen mit Populationen von bis zu 100.000 Tieren auf der einen und Solitärbienen auf der anderen Seite sind lediglich die zwei Außenpositionen eines Sozialverhaltens, das faktisch mehrere Entwicklungsstufen aufweist. Die Zuordnungen in diese Kategorien lassen sich nicht immer exakt vornehmen und doch vermitteln sie einen Eindruck davon, welchen Umgang Vertreter einzelner Bienengattungen mit ihren Artgenossen pflegen.
AUF SICH SELBST GESTELLT – SOLITÄRBIENEN
Solitär lebende Bienen stellen mit Abstand die größte Gruppe unter den Wildbienen dar. Ihr Einsiedlerdasein bedeutet nicht, dass sie jeglichen Kontakt untereinander meiden würden. Männliche Solitärbienen schließen sich durchaus zu Schlafverbänden zusammen und teilen sich eine Blüte oder einen Fruchtstand als Schlafplatz. Solitäre Bienen zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass die Weibchen ihre Nester alleine errichten und auch bei der Versorgung ihrer Brut auf sich selbst angewiesen sind. Typische Vertreter solitär lebender Wildbienen sind Maskenbienen (Hylaeus) und Seidenbienen (Colletes) aus der Familie der Colletidae , Blattschneider- und Mörtelbienen (Megachile) sowie Mauerbienen (Osmia) , aber auch Sandbienen, die allein in Deutschland mit knapp 120 Arten vertreten sind. Der Lebenszyklus einer typischen Solitärbiene verläuft in Grundzügen in etwas so: Zwischen März und Ende Juni schlüpfen mit einem kurzen zeitlichen Vorsprung zunächst die Männchen, die sich auf die Suche nach den bald folgenden fruchtbaren Weibchen machen. Nach dem Begattungsakt begibt sich das Weibchen sofort an die aufwendige Brutvorsorge. Im Alleingang richtet sie einen Nistplatz ein, wobei sie mitunter auf bereits vorhandene Hohlräume zurückgreift. Der Bauvorgang folgt bei Solitärbienen einem strikten Plan: Erst wenn eine Brutzelle vollständig errichtet, mit Larvenproviant in Form von Pollen und Nektar aufgefüllt und mit einem Ei versehen ist, verschließt die Biene die Zelle und beginnt mit dem Bau der nächsten. Wenn alle Brutzellen fertig und aufgefüllt sind, verlässt die Biene das Nest ohne weitere Fürsorge. Bald darauf stirbt das Weibchen. Aus den Eiern schlüpfen Larven, die sich von dem bereitgestellten Proviant ernähren, einspinnen und überwintern. Erst im darauffolgenden Frühjahr erfolgt die Verpuppung und eine neue Generation junger Solitärbienen erwacht zum Leben.
Solitärbienen wie die Mauerbiene leben allein und bauen ihr eigenes kleines Nest. Für jede Eizelle legt die Mauerbiene eine geeignete Brutzelle an, die sie durch senkrechte Wände aus Lehm und Speichel gegen andere Brutzellen abgrenzt.
Die Weibchen der solitären Mörtelbiene bauen je ein eigenes Nest aus Lehm und Steinchen, das an Felsen oder Hauswänden angeheftet wird. Dieses enthält in der Regel fünf bis zehn Brutkammern, in denen sich die Larven entwickeln.
Die Larven ernähren sich nach dem Schlüpfen wochenlang vom Pollen, bevor sie als Vorpuppe in eine mehrmonatige Ruhephase übergehen.
Nachdem die Biene ausreichend Pollen in die Brutzelle eingetragen hat, erfolgt die Eiablage. Danach wird die Brutzelle mit einem Deckel aus Naturmaterialien verschlossen, der bei Linienbauten zugleich den Boden für die nächste Brutzelle bildet.
LEBEN IN DER WOHNGEMEINSCHAFT – KOMMUNALE BIENEN
Eine Vorstufe zum sozialen Verband findet sich unter anderem bei einigen Vertretern aus der Familie der Andrenidae , so zum Beispiel bei der Sporn-Zottelbiene (Panurgus calcaratus) oder einigen Sandbienenarten. Diese kommunalen Bienen zeigen in ihrem Sozialverhalten große Ähnlichkeiten mit Solitärbienen – alle Weibchen sind fruchtbar, alle erledigen die Brutvorsorge im Alleingang. Allerdings werden die Brutzellen in einem gemeinsamen Nest angelegt, das sich zwei oder mehrere Weibchen einer Generation teilen. Einer der Vorteile dieser Wohngemeinschaft, in der die Bienen fast immer einen gemeinsamen Eingang benutzen, ansonsten aber ihren eigenen, autarken Bereich bewohnen, zeigt sich im Fall einer Bedrohung durch artfremde Eindringlinge: Im Nest anwesende Bienen verteidigen dann nicht nur ihre eigene Brut, sondern auch automatisch die ihrer Mitbewohnerinnen.
Nach dem Begattungsakt – hier am Beispiel von Mauerbienen – macht sich das Weibchen sofort an die aufwendige Brutvorsorge.
Solitäre Bienen wie die Blattschneiderbiene zeichnen sich dadurch aus, dass die Weibchen ihre Nester allein errichten und auch bei der Versorgung ihrer Brut auf sich selbst angewiesen sind.
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