Sie kamen langsam auf mich zu und hoben ihre Werkzeuge. Schotter und Glassplitter knirschten unter ihren schweren Arbeitsstiefeln.
»Im Ernst, ich hab’ keine Zeit dafür. Nicht heute Abend. Ich muss nach Hause. Lasst uns das verschieben!« Sie kamen näher, verringerten die Entfernung zwischen uns um die Hälfte. Zwiddeldei auf der anderen Seite kicherte wieder. Schatten bedeckten ihre Gesichter, als sie vor die blendenden Scheinwerfer traten.
»Alter, nun macht mal halblang. Ich hab’ keine Lust, die halbe Nacht durch die Gegend zu rennen«, sagte ich. Und ich würde rennen, das wusste ich. Ich war nicht überzeugt, dass sie mich ernsthaft verletzen würden, aber sie würden auch nicht ihre Werkzeuge runternehmen und mir sagen, sie hätten nur Spaß gemacht. Nicht diesem Buch zufolge. Und ich nahm an, dass es darum ging.
»Schon gut«, sagte der zu meiner Linken.
»Du kannst nirgendwo hinrennen«, sagte derjenige, der mir am nächsten kam.
Sie machten langsame, vorsichtige Schritte. Sie hoben ihre Werkzeuge. Alte Männer mit der Kraft von alten Männern. Große Mechanikerhände. Ich suchte den Straßenrand nach einem Stein oder etwas ab, das ich als Waffe gebrauchen konnte. Ich entdeckte ein abgerissenes Stück von einem geplatzten Reifen und beugte mich runter, um es aufzuheben, aber einer der hervortretenden Stahldrähte stach mich in die Hand.
Sie beschleunigten ihre Schritte, und Kies knirschte unter ihren Füßen. Ich zog mich hinter das Auto zurück, um Abstand zu wahren. Wäre ich eingestiegen, hätte ich bloß darin in der Falle gesessen.
»Wo gehst du hin?«, fragte der, der am nächsten war, und kam schneller heran.
Der andere lief um die andere Seite des Autos herum. »Wir wollen nur helfen«, sagte er und kicherte. Derjenige von den beiden mit dem Sinn für Humor, schätze ich.
Sie erreichten das Heck des Autos, und der mit dem Schraubenschlüssel hielt einen Augenblick inne und tat so, als würde er die Reifen prüfen. »Ach, wie schade«, sagte er. Der mit dem Montierhebel und dem dämlichen Kichern kam weiter auf mich zu. »Ich fürchte, das ist ein Totalschaden.«
Er blieb stehen, riss den Schraubenschlüssel mit beiden Händen hoch, ließ ihn dann heftig niedersausen und schlug das Rückfenster ein. »Hoffe wirklich, du bist versichert«, sagte er, und jetzt lachten beide. Das Bellen zweier Hyänen – mit einem Stammbaum von nur einem Ast.
Ich blickte durch die Windschutzscheibe und sah, dass Caspian immer noch ohnmächtig auf dem Beifahrersitz saß. Das Splittern des Glases hatte ihn nicht geweckt. Ich hatte das Auto abgeschlossen, als ich ausgestiegen war, aber diese Burschen hatten kein Problem damit, die Fenster einzuschlagen. Irgendetwas sagte mir, dass Caspian da mit drin hing und davonkommen würde. Sie waren hinter mir her.
Der mit dem Montierhebel hatte die Front des Autos erreicht, war jetzt weniger als drei Meter entfernt. Es war Zeit für eine Entscheidung: kämpfen oder fliehen. Ich bin niemand, der vor Ärger davonläuft, aber genau darauf fiel meine Wahl. Und es war der erste von vielen Fehlern.
Die vierspurige Straße verschwand in der Dunkelheit. Ich war noch nie ein guter Läufer und bin ich nicht sehr gut in Form, aber mir war klar, dass ich mein Bestes tun musste, um Vorsprung vor diesen schwerfälligen Idioten zu gewinnen, bis ich ein Auto anhalten konnte. Früher oder später musste ja eines vorbeifahren. Es war seltsam, dass noch keins gekommen war, auch wenn mich das jetzt nicht mehr wundert.
Nach gut sechs Metern blickte ich über die Schulter. Schraubenschlüssel ging langsam, aber Montierhebel hatte einen Schritt zugelegt. Das war in Ordnung. Wenn nötig konnte ich zur anderen Seite des Highways rüberlaufen. Ich war high vom Adrenalin und wusste, dass es mir die Kraft geben würde, die ich brauchte, den alten Männern zu entgehen, bis sie oder ihre altersschwachen Herzen den Geist aufgaben. Sie hatten bestimmt genauso wenig Lust wie ich, die ganze Nacht herumzurennen.
Vor mir erschien eine schattenhafte Gestalt am Straßenrand. Sie war vornüber gebeugt und hielt etwas in der Hand. Ich konnte es nicht deutlich erkennen, aber es hatte einen langen Schaft, der in einer scharfen Spitze endete. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, es war eine Machete. Oder etwas Ähnliches. Ich lief etwas langsamer und hörte, wie die knirschenden Schritte von Montierhebel hinter mir schneller wurden.
»Ich komme, Großer«, sagte Montierhebel mit seinem dümmlichen Kichern. »Jetzt hab’ ich dich!«
Ich machte einen Satz nach vorne und spürte ein Stechen im Oberschenkel, knapp unter meinem Arsch. So schnell hatte ich mich seit der High-School nicht mehr bewegt, was dreißig Jahre her war, und selbst damals war ich kein Sportler. Aber ich ließ mich vom Schmerz nicht bremsen. Ich lief zur anderen Seite des Highways und setzte mithilfe meiner Hände über die Leitplanke. Ich landete auf einer Schräge, und meine Füße rutschten ab, während ich mit den Armen ruderte, um das Gleichgewicht zu behalten. Dann rutschten mir die Beine weg, ich landete hart auf der Seite und rutschte weiter, riss mir die Handflächen auf, als ich versuchte, mit ihnen zu bremsen.
Der Abhang hatte fünfundvierzig Grad und führte zu einem vielleicht vier Meter entfernten Grasstreifen, der am Rand eines mit Kiefern bewachsenen Hügels lag. Dort würde ich nicht weit kommen: Die Bäume standen zu dicht beieinander, der Hügel war zu steil. Zumindest war es hier unten dunkel. Von der Straße aus würden sie mich kaum sehen können.
Ich duckte mich fast bis zum Boden – das Stechen in meinem Bein war zu einem Brennen geworden – und ging zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war, weil ich dachte, ich könnte einen Bogen schlagen und hinter sie gelangen. Vor mir sah ich etwas, das mich auf eine bessere Idee brachte: die Öffnung eines kreisrunden Wasserdurchlasses, der unter dem Highway hindurchführte. Dort hindurch würde ich problemlos zur Gegenspur rüberkommen, von wo aus ich in Richtung der nächsten Ausfahrt rennen – oder eher humpeln – und eine Tankstelle erreichen konnte. Ich taumelte vorwärts und kroch hinein.
Etwas war hier drin gestorben. Der Geruch setzte sich tief in meinem Rachen fest, der süßliche Gestank von Fleisch, das in stehendem Wasser verfaulte. Ich hielt es für ein schlechtes Omen – dieser Ort kannte den Tod –, aber mir gingen die Optionen aus. Die Rückseite meines Beins pochte und zog sich zusammen. Offensichtlich hatte ich mir was gezerrt, und ich war nicht sicher, wie weit oder schnell ich laufen konnte, bevor mein Bein nachgeben würde.
Ich wagte mich weiter in den Tunnel hinein. Das Licht drang vielleicht knapp anderthalb Meter hinein. Dahinter lag völlige Finsternis. Es war unmöglich, das andere Ende zu erkennen, aber der Weg musste zu beiden Enden offen sein. Er musste einfach.
Die runde Decke war niedrig, sodass ich mich bücken musste. Ich spürte ein Ziehen im Kreuz, ähnlich dem in meinem Bein. Scheiße, wenn sonst nichts, dann zeigte diese Flucht doch, in was für einer Form ich war. Der eines plumpen Kürbisses.
Wasser staute sich in der Mitte des Tunnels. Ich grätschte über das stehende Rinnsal hinweg, um kein Platschen zu verursachen. So musste ich watscheln, ging aber weiter vorwärts und auf den Gestank zu. Er wurde intensiver. Ich betrat seine Atmosphäre, eine Wolke aus widerlichen Dämpfen. Aus fauliger Verwesung. Ich hoffte, dass das nicht das Versteck von irgendetwas war. Das Todeslager irgendeines Aasfressers, der überfahrene Tiere vom Highway klaubte und sie hier drin verschlang. Oder Leute aus liegengebliebenen Autos.
Ich hörte ein Platschen vom anderen Ende des Tunnels. Ich hielt inne und lauschte, wobei ich so flach wie möglich atmete und mich bemühte, nicht wegen des verdammten Gestanks zu würgen, der jetzt genau unter mir aufstieg.
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