»Das müsste halten«, verkündet er schließlich.
»Hm«, stellt der Oberkommandant fest und begutachtet den Fernzünder von Nahem.
Einige seiner Kollegen, ebenso in voller Montur, in Schutzwesten und mit Sturmgewehren ausgerüstet, treten neben ihn und nehmen das Gerät ebenfalls in Augenschein.
»Komisches Teil. Nie gesehen«, sagt einer der SEKler und ein anderer: »Das muss was ganz Aktuelles sein. Vom Online-Schwarzmarkt, garantiert. Die Betreiber lassen sich ja ständig was Neues einfallen.«
»Ähm, ich will jetzt nichts Falsches behaupten, Herr Dannhäuser«, mischt sich ein dritter Beamter in das Gespräch ein. »Aber so einen Drücker habe ich auch. Der liegt in meinem Auto, um das Garagentor zu aktivieren.«
»Hä? Ein Garagenöffner? Nie im Leben!« Der Boss dreht das schwarze Rechteck in seinen Händen.
»Aber da steht es doch«, beharrt der Kollege auf seiner Vermutung und weist auf den silbernen Aufkleber auf der Rückseite des Kastens. »›Bummler – Technik, die Türen öffnet‹«, liest er laut vor.
Dannhäuser verzieht den Mund. Dem Augenschein nach weiß er selbst nicht so recht, was er von all dem halten soll: »Ob man damit eine Bombe …?«
Die Kollegen zucken die Schultern.
»Gehen wir auf Nummer sicher und stürmen das Gebäude. Wir müssen mit allem rechnen«, entscheidet der Chef. Das ganze Team sammelt sich hinter ihm. Eine Horde von etwa zwölf schwerbewaffneten Vermummten rückt vor auf dem Weg, den Wolfgang, Gabriele und ich gerade bewältigt haben. Wir anderen verharren gefesselt auf der sicheren Seite des Absperrbandes. Der Polizist vom Beginn nimmt das Funkgerät wieder zur Hand, so bekommen wir hautnah mit, was drinnen geschieht.
»Vorraum gesichert«, knistert es aus dem schwarzen Kasten. »Drei Mann nehmen sich die Küche vor. Zwei folgen mir in die Damentoilette, der Rest geht zu den Herren.«
Wieder ist es die Stimme von dem Chef in Schwarz, diesem Dannhäuser, der mir den Garagenöffner aus dem Mund genommen hat.
»Die Küche ist gesichert!«, ruft im Hintergrund jemand.
»Herrentoilette ebenfalls negativ!«, meldet der zweite Trupp zurück.
Draußen atmet man bereits auf. Das alles spricht dafür, dass es gar keine Bombe gibt. Ein Täuschungsmanöver mit einem Garagenöffner – hier im Saarland ist das womöglich das Kriminellste, was man erwarten kann.
Aber dann hört man Türen knallen und einen Aufschrei. »Gottverflucht. Leute, hier ist was! Auf dem Klo.«
»Alle sofort zurück. Da steht ein Schuhkarton auf der Toilettenschüssel. Niemand öffnet das Ding!«, erklingt eine andere Stimme. So, wie es sich anhört, wieder die vom Häuptling.
Ein paar Sekunden lang ist nur schweres Atmen zu vernehmen und urplötzlich ein bestürztes: »Mannomann, was ist das denn?« Nach einer kurzen Pause dann die Frage: »Fiedler, ist Hans-Peter vom Entschärfungskommando schon vor Ort?« Noch mal ist es Dannhäuser, der Chef der SEKler.
»Ja, und der Dieter, der ist auch hier.« Nun wird der Polizist neben uns aktiv und winkt einen ebenfalls dunkel gekleideten Kollegen, der sich mit einer Fernsteuerung um den Hals gegen einen dunklen Van lehnt, zu sich. Der Mann nickt und kommt näher, vor sich her schiebt er einen Monitor auf einem Wagen. Hinter ihm taucht plötzlich eine Antenne auf und im weiteren Verlauf ein silberfarbenes Objekt mit einer Reihe von Rohren und Kabeln, angetrieben durch ein Kettenfahrwerk. Aha, sage ich mir, das ist vermutlich der besagte Dieter.
»Na so was, da kommt unser silberner Freund endlich zu seinem ersten Einsatz«, dröhnt der etwas fülligere, gemütliche wirkende Beamte und bleibt neben uns stehen. Das überdimensionierte Schaltbrett vor seiner Brust sieht aus, als könnte man damit die Welt beherrschen. Wohin man auch schaut, Knöpfe, Schalter, Drehregler und blinkende Lichter.
»Unser Dieter hat sechs Kameras«, informiert Hans-Peter den Polizeikollegen, den Dannhäuser eben Fiedler genannt hat. »Das Blech-Kerlchen sieht weit mehr als wir alle zusammen.«
»Hoffen wir mal, du hast recht«, gibt Fiedler nicht mit dem gleichen Enthusiasmus zurück. Er hebt das Absperrband in die Höhe und lässt den Roboter durch. »Hoffentlich passt dein Dieter überhaupt durch die Toilettentür«, meint der Beamte zweifelnd und blickt zu Wolfgang, der ebenfalls die Stirn runzelt.
Tatsächlich ist das ganze Spektakel, jetzt, da wir aus der Gefahrenzone sind, beinahe wie ein guter Krimi im Fernsehen. Nur ein bisschen echter eben. Gabriele hat mich, nachdem ich demonstrativ an ihrem Hosenbein gezogen habe, auf den Arm genommen. Nun sehe ich weit besser, und gespannt warten wir darauf, was als Nächstes geschieht.
Abermals knarrt es aus dem Funkgerät: »Dieter kommt rein!«
»Dieter betritt die Toilettenräume«, informiert uns ein paar Augenblicke später eine dunkle Frauenstimme. Und kurz darauf hören wir deutlich den Oberkommandanten: »Sobald Dieter in Position gebracht ist, treten wir den Rückzug an. Lassen wir den Roboter den Job erledigen.«
Es dauert keine drei Minuten, bis die gesamte dunkle Truppe hinter der Absperrung steht.
Dieter macht die Arbeit ab da allein, und der »Steuermann« ist sichtlich stolz auf seinen unerschrockenen Helfer. Von allen Seiten sieht man ihm über die Schulter, um einen Blick auf den Monitor zu erhaschen. Selbst die Geräusche auf der Toilette werden von Dieter live nach draußen übertragen.
Es schnurrt, als er den Greifarm ausfährt, um den Karton zu öffnen. Hans-Peter spielt mit seiner Zunge an den Lippen. Ganz einfach scheint die Angelegenheit nicht zu sein. Mit dem Metallarm, an dessen Ende sich drei schwarze Finger befinden, hebt Dieter den Deckel der Kiste an. Doch der rutscht dem Roboter immer wieder aus den Greifern.
»Gleich haben wir dich«, murmelt Hans-Peter und schiebt einige Knöpfe auf seiner Fernsteuerung hin und her. Er soll recht behalten. Nach ein paar Fehlversuchen hat Dieter den Dreh raus. Der Deckel kippt nach hinten über.
»Manipulatorkamera eins.« Hans-Peter gibt sich selbst die Kommandos. Das Bild auf dem Monitor wechselt zur Kamera am Greifarm.
»Ui«, haucht Wolfgang neben mir. Wir alle sehen die langen braunen Röhren, die vielen Kabel sowie die LED-Anzeige – das spricht eine deutliche Sprache: Sprengstoff.
»Okay, okay, wir haben alles im Griff, Dieter.« Hans-Peter, der eben noch die Ruhe selbst war, wirkt nervös. Er drückt erneut auf dem Schaltbrett herum. »Alles ist gut. Bevor wir etwas unternehmen, zoomen wir erst mal ran!« Das Bild wird Stück für Stück größer.
»Jesses«, sagt eine ältere Frau hinter mir und legt ihre Hand vor den Mund.
Ich muss ihr zustimmen. Was sich uns in diesem Augenblick offenbart, sieht beängstigend aus. Bei dem Gedanken daran, dass die Apparatur höchstens 40 bis 50 Meter Luftlinie von uns entfernt steht, wird mir flau.
»Na, dann machen wir uns nun ans Entschärfen. Gar kein Problem.« Der Roboter-Steuermann ist voll in seinem Element, wer weiß, wie lange er schon arbeitslos gewesen ist. Neben uns filmen ein paar Schaulustige den Bildschirm ab.
»Ähm«, sagt da jemand. Es ist der Mann, der eben schon anmerkte, den gleichen Garagenöffner wie der Attentäter zu nutzen. »Wie soll ich euch das sagen …? Ich will nichts Falsches behaupten, aber es könnte durchaus sein, dass wir zu Hause …«
»Paul, willst du mir jetzt erzählen, dass ihr daheim so eine Bombe herumstehen habt?« Dannhäuser klingt grantig. Allem Anschein nach würde er die heikle Aktion gerne möglichst schnell hinter sich bringen.
»Nun, um ehrlich zu sein: ja. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das der Bombenwecker aus dem Internet, den ich meinem Sohn letztes Jahr zum Schulanfang gekauft habe.«
»Das ist nicht dein Ernst, du steckst deinem Sohn eine Bombe in die Schultüte? Wie irre ist das denn?«, mischt sich ein anderer Kollege ein.
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