4. Form und literarische Technik
Abb. 3: Werkaufbau
Merkmale des geschlossenen Dramas
Schon die Entstehungsgeschichte zeigt, wie Goethe um die Form und Harmonie des Werkes gerungen hat. 1779 schrieb er die erste Prosafassung, mit der er wegen ihrer »schlotternden« Form unzufrieden war, in freirhythmischen Jamben um, aber auch diese Überarbeitung genügte ihm nicht. 1781 entstand seine zweite Prosafassung; schließlich vollendete Goethe 1786 eine Versfassung, die dritte Fassung des Dramas, und war damit zufrieden. Seither gilt Iphigenie auf Tauris als Musterbeispiel des klassischen Schauspiels; die Blankversfassung, fünfhebige Jamben, trägt dazu erheblich bei: »Das ›Umgießen‹ seines prosaischen Dramentextes in den Text durchformende Blankverse […] bewirkte […] eine entscheidende Veränderung der dramatischen Sprechsituation. Die Monologe und Dialoge des Schauspiels verlieren infolge der durchgängig gleich gebauten Versanordnung den Charakter des natürlichen Sprechakts.«5
Iphigenie auf Tauris besteht aus fünf Aufzügen. Das Schauspiel ist, formal betrachtet, ein Geschlossenes Drama und die drei Einheitengeschlossenes Drama, das sich an die griechische Tragödientheorie und die französische Klassik anlehnt. Die drei Einheiten ( Ort , Zeit und Handlung ) des Dramas werden in Iphigenie auf Tauris idealtypisch eingehalten: Das Schauspiel erstreckt sich in etwa über den gleichen Zeit raum, den seine Handlung beansprucht, wobei Goethe keine konkreten Zeitangaben, etwa Morgen oder Abend, erwähnt. Einziger Ort der Handlung ist das Heiligtum der Göttin Diana, es findet kein Wechsel des Schauplatzes statt; alles, was sich außerhalb des Hains befindet, das griechische Schiff, die Meeresbucht, die taurischen Krieger und die Fremden, bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen, und der Handlung sverlauf ist durchweg zielgerichtet.
Der äußere Verlauf des Dramas wird von dem Der KonfliktverlaufKonflikt getragen, der in der Exposition eingeführt wird: zwischen Iphigenies Verlangen, nach Griechenland heimzukehren, und dem Heiratswunsch des Thoas. Der äußere, meist dialogisch ausgetragene Handlungsstrang wird von der inneren Handlung, der moralischen Entwicklung Iphigenies und der Heilung Orests, tangiert.
Nach der Exposition, der Problemeinführung im ersten Aufzug, beginnt eine Ereignisfolge, die im zweiten Aufzug die Anagnorisis, die Wiedererkennung zwischen Iphigenie und Orest, vorbereitet. Im dritten Aufzug kommt es zum ersten Höhepunkt, der Heilung Orests. Im vierten Aufzug befindet sich Iphigenie in einer moralischen Krise (Krisis), sie schwankt zwischen Pflicht und Neigung: Soll sie lügen, um ihren Bruder zu retten, oder soll sie ihr Tun nach moralischen Werten ausrichten? Im fünften Aufzug erfolgt die Peripetie, der entscheidende Wendepunkt: Iphigenie richtet ihr Handeln nach der »Wahrheit« (V. 1919) aus, für die sie sich autonom entscheidet; sie gesteht Thoas den geplanten Verrat, d. h. den Rettungsversuch ihres Bruders. Danach erfährt die Handlung mit dem friedlichen Ausgang des Konfliktes ihren zweiten Höhepunkt.
In Iphigenie auf Tauris gilt auch die StändeklauselStändeklausel des klassischen Theaters, sie beschränkt das Personal einer Tragödie auf adelige Personen, Menschen niederer Herkunft dürfen lediglich in der Komödie auftreten.
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