Der enttäuschte Thoas reagiert auf die Absage trotzig: Er befiehlt, die Thoas führt das Opferritual wieder einMenschenopfer wieder einzuführen. Zwei Fremde, die zuvor »in des Ufers Höhlen« (V. 532) festgenommen wurden, soll Iphigenie Diana opfern: »Mit diesen nehme deine Göttin wieder / Ihr erstes, rechtes, lang entbehrtes Opfer! / Ich sende sie hierher; du weißt den Dienst.« (V. 535–537)
4. Auftritt:Iphigenie wendet sich mit einem Gebet an Diana; sie bittet die Göttin, die beiden Fremden und auch sie selbst zu verschonen: »O enthalte vom Blut meine Hände! / Nimmer bringt es Segen und Ruhe« (V. 549 f.). Ihre Hoffnung gründet auf der Überzeugung, dass die Götter den Menschen wohlwollend gesinnt seien: »Denn die Unsterblichen lieben der Menschen / Weit verbreitete gute Geschlechter« (V. 554 f.).
1. Auftritt:Orest und Pylades, die beiden Fremden, diskutieren ihre prekäre Lage, den möglichen Opfertod und die Flucht. Obendrein erfährt der Leser, dass Orest der Bruder Iphigenies und Pylades sein Freund ist.
Orest, den quälende Schuldgefühle plagen und der sich von Rachegöttinnen verfolgt glaubt, weil er die Ermordung seines Vaters Agamemnon gerächt und deshalb dessen Mörderin, seine Mutter, getötet hat, gibt sich seinem Schicksal hin: Er ist bereit, in Tauris als »Opfertier« (V. 577) zu Orests Todeswunschsterben.
Pylades dagegen ist davon überzeugt, durch Der listenreiche und optimistische Pyladeslistiges Verhalten gemeinsam mit dem Freund fliehen zu können. Optimistisch stimmt ihn auch das Orakel, das Rettung in Aussicht stellt, wenn das Bildnis der Diana von Tauris nach Delphi gebracht werde: »So wird für diese Tat das hohe Paar / Dir gnädig sein, sie werden aus der Hand / Der Unterird’schen dich erretten.« (V. 725–727)
Außerdem hofft Pylades, Iphigenie für seine Zwecke benutzen zu können: »Wohl uns, dass es ein Weib ist! […] / Allein ein Weib bleibt stät auf Einem Sinn, / Den sie gefasst. Du rechnest sicherer / Auf sie im Guten wie im Bösen.« (V. 786–793)
2. Auftritt:Iphigenie nimmt Pylades, den sie sofort als Griechen, als Landsmann, identifiziert, die Fesseln ab. Pylades Pylades täuscht die Priesterinbelügt Iphigenie, er behauptet, dass er und Orest Brüder seien, Cephalus und Laodamas. Lediglich der Hinweis, dass auf seinem Bruder eine Blutschuld laste, entspricht der Wahrheit; allerdings sei Orest nicht für einen Mutter-, sondern für einen Brudermord verantwortlich. Pylades bleibt aber auch seinerseits über die wahre Identität Iphigenies im Unklaren, da sie sich nur als »Priesterin« (V. 815) bezeichnet. Von Pylades erfährt Iphigenie, dass Troja gefallen ist und ihre eigene Mutter ihren Gatten getötet hat: »Klytemnestra hat / Mit Hülf Ägisthens den Gemahl berückt, / Am Tage seiner Rückkehr ihn ermordet! –« (V. 880–882)
Iphigenie verhüllt vor Schmerz ihr Angesicht und Pylades hofft, sie könne ihm und Orest helfen: »Und lass dem Stern der Hoffnung, der uns blinkt, / Mit frohem Mut uns klug entgegen steuern.« (V. 924 f.)
1. Auftritt:Iphigenie trifft Orest, den sie ebenfalls von den Ketten befreit. Sie weiß noch nicht, dass der Gefangene ihr Bruder ist. Orest berichtet ihr vom Mord an Agamemnon und über ihre Geschwister Elektra und Orest: »Sie leben.« (V. 982) Ihr Bruder schildert Iphigenie auch den Mord an Klytemnestra: »Hier drang sie [Elektra] jenen alten Dolch ihm auf, / Der schon in Tantals Hause grimmig wütete, / Und Klytemnestra fiel durch Sohnes-Hand.« (V. 1036–1038)
Als er schließlich erregt schildert, wie ihn die Furien verfolgen, und Iphigenie dies in Zusammenhang mit dem vermeintlichen Brudermord bringt, entschließt sich Orest, die Orest lüftet sein Geheimnis: »Ich bin Orest!«Wahrheit zu sagen: »Ich kann nicht leiden, dass du große Seele / Mit einem falschen Wort betrogen werdest« (V. 1076 f.), und gibt sich als Orest zu erkennen. Iphigenie ist überglücklich und dankt den Göttern dafür.
Orest dagegen hadert nach wie vor mit seinem Schicksal; er sehnt den Orests TodeswunschTod herbei: »Durch Rauch und Qualm seh ich den matten Schein / Des Totenflusses mir zur Hölle leuchten.« (V. 1142 f.) Iphigenie möchte ihm helfen, sie könne schließlich die »Götter vom Olympus rufen« (V. 1167), aber er schenkt ihr keinen Glauben und vermutet, sie sei eine »Rachegöttin« (V. 1169).
Nun muss die Priesterin ihre Identität Iphigenie gibt sich zu erkennenoffenbaren: »Orest, ich bin’s! sieh Iphigenien!« (V. 1173) Orest indes vertraut Iphigenie nicht: »Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.« (V. 1202) Er steigert sich mehr und mehr in seinen Wahn hinein, schließlich sinkt er ohnmächtig zusammen. Iphigenie begibt sich sofort auf die Suche nach Pylades, um seine Hilfe zu erbitten.
2. Auftritt:Orest erwacht aus seiner Ohnmacht und denkt, er sei tot. Er beschreibt eine Orests UnterweltvisionUnterweltvision, in der ihm seine toten Familienmitglieder – bis auf Tantalos – in Harmonie vereint erscheinen, auch die von ihm getötete Mutter Klytemnestra. Die Aufhebung des Fluches scheint, so suggeriert es die Vision, nur im Tode möglich.
3. Auftritt:Als Iphigenie und Pylades eintreffen, glaubt Orest immer noch, er sei im Totenreich: »Seid ihr auch schon herabgekommen?« (V. 1310)
Die Priesterin fleht Apoll und Diana an, ihren Bruder von seinen Orest erwacht aus seinem HeilschlafWahnvorstellungen zu erlösen: »O lass den einz’gen spätgefundnen mir / Nicht in der Finsternis des Wahnsinns rasen!« (V. 1325 f.), und Pylades appelliert an die Vernunft und sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit Orests: »Fühlst du den Arm des Freundes und der Schwester, / Die dich noch fest, noch lebend halten?« (V. 1334 f.)
Doch plötzlich, wie von Zauberhand, »löset sich der Fluch« (V. 1358); Orest ist von den Rachegöttinnen befreit, nun strebt er nach »Lebensfreud und großer Tat« (V. 1364). Pylades drängt pragmatisch auf »schnellen Rat und Schluss« (V. 1368), um aus der Gefangenschaft zu flüchten.
1. Auftritt:Iphigenie dankt den Göttern in einem Monolog für ihre Hilfe. Pylades mobilisiert unterdessen das Schiff, mit dem die Griechen in Tauris angelangt sind, damit er, Iphigenie und Orest fliehen können.
Doch schnell wird der Priesterin bewusst, dass sie, auf den eindringlichen Rat des Pylades, lügen soll: »O weh der Lüge! Sie befreiet nicht, / Wie jedes andre Iphigenie und die Wahrheitwahrgesprochne Wort, / Die Brust« (V. 1405–1407). Als Arkas, der Bote des Königs, sich nähert, um das Menschenopfer einzufordern, befindet sie sich in einem moralischen Dilemma, da sie Arkas nur ungern belügen möchte.
2. Auftritt:Zunächst aber verhält sich Iphigenie so, wie sie es mit Pylades abgesprochen hat. Sie erfindet vermeintliche Hindernisse, welche die Opferung verzögert hätten.
Arkas erinnert sie daran, dass sie die Menschenopfer verhindern könne, wenn sie die Thoas’ HeiratsangebotWerbung des Königs annehmen würde. Sie aber schiebt die Götter vor: »Ich hab es in der Götter Hand gelegt.« (V. 1462) Dieses vermeintliche Ausweichmanöver akzeptiert Arkas nicht: »Ich sage dir, es liegt in deiner Hand.« (V. 1465) Iphigenie aber lässt sich nicht umstimmen.
3. Auftritt:Arkas’ eindringliche Worte bleiben nicht ohne Wirkung auf Iphigenie: »Von dieses Mannes Rede fühl ich mir / Zur ungelegnen Zeit das Herz im Busen / Auf einmal umgewendet. Ich erschrecke! –« (V. 1503–1505). Ihr wird bewusst, dass sie Pylades’ Plan nicht ausführen kann, weil sie das Volk der Taurer, das sie edelmütig behandelt hat, nicht betrügen darf: »Doppelt wird mir der Betrug / Verhasst.« (V. 1525 f.)
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